Montag, 12. Oktober 2015

Wie frei ist mein Wollen denn nun?


Was jene Begrenzung eines ursprünglichen Willen[s] bedeuten soll, ist klar; es ist das Ganze der Beschränktheit als das Bestimmbare zu allen in der Zeit erscheinenden Bestimmungen, die ich mir auflegen soll. Der Grund liegt in meinem endlichen Wesen; dass ich diese oder eine andere aufnehmen soll, beruht auf meiner Individualität, alles andere ist transzendent.

Der reine Wille ist nur der, den ich in der Zeit haben soll. [...] Antwort auf die Frage wer bin ich.

Aber wer soll ich sein? Die Individualität ist nicht bestimmt durch ein Sein, sondern durch ein Gesetz, es ist vorgeschrieben für alle Zeit, was ich werden soll.

Der reine Wille ist beschränkt, dies ist kein Menschenverstand; denn er ist ja nicht im Raume ausgedehnt, er ist Spontaneität und kann nur durch sich selbst beschränkt werden. Es heißt also: Es liegt in meinem ganzen Sein ein Gesetz, des Wollens (Sittengesetz), es ist nicht qualitas occulta wie bei Kant, es ist ein Gesetz, das ich selbst mir mache.

Die Beschränktheit der Selbsttätigkeit ist nicht Beschränktheit durch ein wahrnehmbare Objektives, sondern durch einen Begriff. Die eigentliche Aufgabe wäre: Wie wird dieser Begriff aufgefasst, und wie kommen wir zu der Vorstellung, verschiedenen Vorstellungen zu haben.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 169 


Nota. - Also was ich sein soll, ist nicht in etwas Wahrnehmbarem, Objektiven festgelegt, ist aber auch keine qualitas occulta 'in mir'; denn ich soll mich durch Freiheit dazu machen. Das Wozu ist ein Begriff, und der stammt aus einem Gesetz, es ist keine Willkür, sondern meine Freiheit kann nicht anders als diesen Begriff zu fassen...

Das ist nun denkbar vieldeutig. Die einzige Aufklärung, die mir einfällt, ist wieder die: Er sieht schlechterdings die Vernunft am Werke, und die ist bei F. janusköpfig. An dieser Stelle zeigt sie ihr dogmatisches Gesicht als ein automatisch abrollendes Programm

Es wundert nicht, dass ihn der – zu etwa derselben Zeit erschienene – Offene Brief Jacobis aus dem Gleichge-wicht geworden hat: Es war ohnehin prekär.

Nota II.

Wahr ist allerdings auch dies: Wann immer ich selber im Ernste meinen Willen gefordert sehe, habe ich das Gefühl, ich kann gar nicht anders, und muss es als mir vorausgesetzt ansehen. Wollte ich, empirische Person, das in einen Begriff fassen, so würde ich sagen: Es ist Gesetz und so war es immer. Ich fürchte nur, so hat F. es nicht gemeint. Denn zwar redet er vom Individuum, aber er redet als Transzendentalphilosoph von ihm. Sollte er dies eine Mal nicht recht aufgepasst haben?
JE






Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

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