Seiten

Mittwoch, 8. Juni 2016

II. Einleitung: Was ist eine notwendige Vorstellung?



Zweite Einleitung

§ 1.

In diesen Vorlesungen sollen die ersten und tiefsten Fundamente der Philosophie vorgetragen werden.

Philosophie ist nicht eine Sammlung von Sätzen, die so gelernt werden, sondern sie ist eine gewisse Ansicht der Dinge, eine besondere Denkart, die man in sich hervorbringen muss. Wer noch nicht richtig angeben kann, wovon in der Philosophie die Rede ist, der hat noch keinen rechten Begriff von Philosophie.


Es ist, wie Kant sagt, ein Vorteil für eine Wissenschaft, wenn man das, was sie zu leisten hat, auf eine Formel bringt. Kant bringt das, was die Philosophie zu leisten hat, auf die Aufgabe zurück: "Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?" Dozent drückt die Frage so aus: Wie kommen wir dazu, anzunehmen, dass den Vorstellungen in uns etwas außer uns entspreche? Beide Fragen heißen dasselbe.


Ich bin mit bewusst von der Vorstellung von irgend etwa, das weiß ich. Nun behaupte ich: dieser Vorstellung entspricht ein Ding, das da sein würde, wenn ich auch die Vorstellung davon nicht hätte. Nun ist aber der Zusammenhang zwischen der Vorstellung und dem Dinge auch nur eine Vorstellung auch in mir [sic]. Nun aber behaupten wir nicht nur, dass wir Vorstellungen haben, sondern dass diesen Vorstellungen auch Dinge außer uns entsprächen. Sonach wäre die Vorstellung von dem Zusammenhange beider eine notwendige Vorstel-//12//lung. Also geht schon hier eine Verknüpfung vor; ob wir uns schon der Handlung des Verknüpfens nicht bewusst sind, so ist es doch notwendig. Dies Verfahren nämlich, dass ich von der Vorstellung zu der Vorstellung übergehe, dass Dinge wirklich existierend da seien, ist notwendig; alle Vernunftwesen verfahren so.

Also gibt es in den denkenden Wesen notwendige Vorstellungen. Die Philosophie fragt nun nach dem Grunde dieser notwendigen Vorstellungen in der Intelligenz.

_________________________________________________________ 
Wissenschaftslehre nova methodo, II. Einleitung, Hamburg 1982, S. 11



Nota. - Die Erste Einleitung hatte F. öffentlich vorgetragen, um Hörer zum Philosophieren erst noch anzuregen. Die zweite Einleitung richtete sich daher an jene, die sich zum Philosophieren schon entschlossen hatten. Sie ist klarer und bestimmter als die erste.

Klarer und bestimmter ist hier, dass er nicht nach der Rechtfertigung unserer Glaubens an eine gegenständliche Welt fragt, sondern sie voraussetzt: Unter unseren Vorstellungen ist er eine notwendige. Und zwar ist notwendig die Verknüpfung. Wer nie ganz sicher war, was Kant mit einem Urteil a priori gemeint haben könnte, dem springt es hier ins Auge: Es ist die notwendige, 'in der Sache selbst begründete' Verknüpfung zweier Vorstellungen; soll eine von ihnen sein, muss auch die andere sein.
JE





Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen