Die Ursache und die Wirkung sind gleichzeitig, durch den Begriff der Kausalität entsteht keine Zeit. In der Natur entsteht sonach keine Zeit, die Zeit entsteht nur im Ich, in dem Begriff der Substantialität, auf das Ich angewendet, in dem Durchlaufen der Handlungsmöglichkeiten durch die Einbildungskraft. Dadurch, dass das Objekt bloß Objekt für das handelnde Ich ist, wird ersteres mit durch die Zeit ausgedehnt.
Dies gibt die Bestimmbarkeit des Objekts für die Wirksamkeit des Ich mit und fällt in die schon bemerkte Lücke. Wir konnten nämlich nur auf ein Produkt der Wirksamkeit des Ich schließen. Nun kommt aber in der Erfahrung ein Zweites vor, auf welches wir beim Produzieren handeln; das ist das NichtIch als Noumen und die mit ihm unzertrennliche Erscheinung.
Dies ist zu aller Zeit schlechthin gegeben, ohne unser Zutun vorhanden, auf dieses geht unsere Wirksamkeit und verändert die Erscheinung, doch so, dass das Dauernde desselben immer bleibe, an dem unsere eigene Selbstständigkeit objektivisiert ist [sic]. Unbegreiflich ists: Wenn ich wirke, verändere ich doch das ganze Ding, denn es ist immer ein Fortgehen von entgegengesetzten Zuständen zu entgegengesetzten Zuständen; und doch soll das Ding immer bleiben.
Es bleibt nichts als das Denken des Dinges, das Noumen, an dieses hängt sich die Identität des Bewusstseins an. Im Ding als dem Bestimmbaren, so wie es gegeben sein soll, ehe wir darauf wirken, kann man die unzer- trennliche Vereinigung des Noumen und //225// des Phänomen [sic] am besten erklären. Dieses Bestimmbare ist nicht formlos, sondern erscheint uns nur als gestaltlos. Das Bestehen durch sich selbst, wodurch es erst zu einem Dinge wird, ist bloß durchs Denken; die Gestalt aber durch die Einbildungskraft. Sie ist aber nur eine verworrene Darstellung unserer Handlungsmöglichkeiten, die in dem Dinge ausgedrückt sind; alles, was ich daraus machen könnte.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 223f.
Nota. - Bemerkenswert für die ästhetische Betrachtung: die Gestalt der Dinge als Bild meiner Handlungsmög- lichkeiten: "alles, was ich daraus machen könnte". Gemeint sind die Dinge, wie sie im praktischen Leben wirk- lich sind. Das betrifft auch noch die Dinge im kultischen Bild: nicht nur, was ich faktisch, sondern auch, was ich im Glauben daraus machen kann. Aber doch eben ich.
So die Kunst unbeirrt bis in die Renaissance. Erst mit dem Aufblühen der Landschaftsmalerei kommt die Idee auf, die Dinge so darzustellen, wie sie "an sich selber sind"; ohne Hinblick auf das, was ich daraus machen kann. Das ist ein unnatürlicher Blick, er erfordert eine besondere Konzentration, ein absichtliches Absehen von aller Absicht.
Dazu eignet sich kein wirkliches Ding eher als die Landschaft. Und wer sich auf die Darstellung der Landschaft verlegt, wird früher oder später darauf verzichten, 'Handlungsmöglichkeiten' in ihr zu erspähen, und sich auf die Anschauung des 'rein Ästhetischen' beschränken.
Dass die Kunst zeitweilig ungegenständlich wurde, war kaum zu umgehen, hat sich aber auch bald erschöpft. Wo keine Gegenstände sind, sind auch keine Handlungsmöglichkeiten, und die Abstraktion abstrahiert von gar nichts. Die ästhetische Pointe ist ja eben: an den Gegenständen von den wirklichen Handlungsmöglichkeiten abse- hen. Ungegenständliche Bilde wirken seit ein paar Jahrzehnten beliebig und rein dekorativ.
JE
Nota - Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE
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