In gewissem Sinn kann man sagen: Die ganze Wissenschaftslehre beruht auf der zunächst befremdlichen Idee einer intellektuellen Anschaunng. Anschaunng ist sinnlich, bei Kant fast Synonym des Sinnlichen - intellektuelle Anschauung ist so etwas wie ein schwarzer Schimmel. Dass der Ausdruck paradoxal ist, bestreitet Fichte nicht, eben darum hat er ihn gewählt: Man wird ihn so schnell nicht mit einem landläufigen Gemeinplatz verwech- seln.
Hier schon, gewissermaßen am Grundstein des Systems, wird deutlich, dass es Fichte, anders als anderen Philo- sophen und auch noch als Kant, nicht auf das treffende Definieren von Begriffen ankam, sondern auf das in den Begriffen Begriffene, auf die Washeiten, die Gemeintheiten in den Vorstellungen, und auf deren genetische Zusammenhänge. Während spätere Dunkelmänner raunten, der Begriff entfalte sich selbst, bleibt es bei Fichte stets der Vorstellende, der vorstellt, und der jenes erst vorstellen kann, wenn er dieses zuvor sich vorgestellt hat; und der, rückblickend, finden kann (wenn er sucht), dass er am Anfang eine Prämisse zugrunde gelegt hatte, die er sich nicht vorgestellt hatte, nämlich sich selbst als Vorstellenden.
Das ist keine logische Konstruktion, die intellektuell ist, aber nicht anschaulich, und keine Anschauung, die un- mittelbar wäre und doch nicht sinnlich; ist kein Begreifen, ist kein Fühlen. Es ist ein rückwärtsgewandtes Ein- bilden, eidetische Reduktion, könnte einer sagen. Es ist eine Gewissheit, die sich einstellt, wenn man es versucht, sonst nicht.
*
...stellt ein Experiment an.
Ganz besonders ist diese vorläufige Untersuchung über die Methode bei der Wissenschaftslehre nötig, deren ganzer Bau und Bedeutung vom Bau und der Bedeutung der philosophischen Systeme, die bisher gang und gäbe waren, völllig verschieden ist.
Die Verfertiger der Systeme, welche ich im Sinne habe, gehen von irgend einem Begriff aus; ganz unbesorgt, woher sie diesen selbst genommen, und woraus sie ihn zusammengesetzt haben, analysieren sie ihn, kombinieren ihn mit / anderen, über deren Ursprung sie ebenso unbekümmert sind; und dieses ihr Räsonnement ist selbst ihre Philosophie. Ihre Philosophie besteht dementsprechend in ihrem eigenen Denken.
Ganz anders verhält es sich mit der Wissenschaftslehre. Dasjenige, was sie zum Gegenstand ihres Denkens macht, ist nicht ein toter Begriff, der sich gegen ihre Untersuchung nur leidend verhält, und aus welchem sie erst durch ihr Denken etwas macht, sondern es ist ein Lebendiges und Tätiges, das aus sich selbst und durch sich selbst Erkenntnisse erzeugt, und welchem der Philosoph bloß zusieht. Sein Geschäft in der Sache ist nichts weiter, als daß er jenes Lebendige in zweckmäßige Tätigkeit versetzt, dieser Tätigkeit desselben zusieht, sie auffaßt und als Eins begreift. Er stellt ein Experiment an.
Das zu Untersuchende in die Lage zu versetzen, in der bestimmt diejenige Beobachtung gemacht werden kann, welche beabsichtigt wird, ist seine Sache; es ist seine Sache, auf die Erscheinungen aufzumerken, sie richtig zu verfolgen und zu verknüpfen; aber wie das Objekt sich äußert, ist nicht seine Sache, sondern die des Objekts selber, und er würde seinem eigenen Zweck gerade entgegenarbeiten, wenn er dasselbe nicht sich selbst überließe, sondern in die Entwicklung der Erscheinung Eingriffe täte.
/ Die Handlung dessen, der ein Kunstprodukt verfertigt, ist, da sein Stoff nicht handelt, allerdings die Erscheinung selbst; aber die Relation [hier: Bericht] dessen, der ein Experiment angestellt hat, ist nicht die Erscheinung selbst, um die es zu tun ist, sondern der Begriff von ihr.
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Zweite Einleitung in, die Wissenschaftslehre, SW Bd. I, S. 453f.; Rechtschreibung modernisiert.
Die intellektuelle Anschauung wird nicht, sondern ist.
Wie finde ich mich, wie werde ich mir gegeben? Denn das Denken ist ein idealer Akt, welcher sein Objekt als gegeben voraussetzt.
...Dieses Denken bezieht sich auf eine intellektuelle Anschauung, / und dies muss hier näher bestimmt werden. Was ist denn nun die intellektuelle Anschauung selbst, und wie entsteht sie?
Entstehen ist ein Zeitbegriff, ein Sinnliches, aber die intellektuelle Anschauung ist nicht sinnlich, sie entsteht also nicht, sie ist; und es kann nur von ihr gesprochen werden im Gegensatz [zu] der sinnlichen.
Zuförderst kommt die intellektuelle Anschauung nicht unmittelbar vor, sondern wie wird in jedem Denktakte nur gedacht, sie ist das Höchste im endlichen Wesen. Auch der Philosoph kann sie nur durch Abstraktion und Reflexion zustande bringen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 141f.
Der erste, letzte Grund und seine Anschauung.
Die Identität des Gesetzten und des Setzenden ist absolut, sie wird nicht gelernt, nicht erfahren, sie ist das, was erst alles Lernen und Erfahren möglich macht. Das Ich ist gar nicht Subjekt, sondern Subjekt-Objekt: Sollte es bloß Subjekt sein, so fällt man in die Unbegreiflichkeit des Bewusstseins, soll es bloß Objekt sein, so wird man getrieben, ein Subjekt außer ihm zu suchen, das man nie finden wird. Ich, Subjekt, Seele und Gemüt ist nicht dasselbe. Subjekt ist das Ich, inwiefern es etwas setzt in der Vorstellung.
Das Ich setzt sich schlechthin. Dass es sich im unmittelbaren Bewusstsein als Subjektobjekt setze, ist unmittel-bar, es kann keine Vernunft darüber hinausgehen; über die anderen Bestimmungen, die im Bewusstsein vor-kommen, lassen sich Gründe angeben, von dieser aber nicht. Das unmittelbare Bewusstsein ist selbst der erste Grund, der alles andere begründen soll, bis zu ihm muss man gehen, wenn unser Wissen einen Grund haben soll.
Wir müssen von diesem Grunde wissen, denn wir sprechen davon, wir kommen dazu durch unmittelbare An- schauung, wir schauen unsere unmittelbare Anschauung selbst wieder unmittelbar an; dies wäre unmittelbare Anschauung der Anschauung. Es ist also reine Anschauung des Ich als Subjekt-Objekt möglich, eine solche heißt, da sie keinen Stoff an sich hat, mit Recht: intellektuelle Anschauung.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 31
Nota. - An anderer Stelle habe ich als ersten, letzten Grund unseres Vorstellens und Denkens die Idee des 'Wahren' oder 'Absoluten' bezeichnet, das habe ich nicht vergessen. Es scheint das genaue Gegenteil zu besagen; tut es auch, denn es handelt sich um zwei einander entgegengesetzte Betrachtungsweisen: Hier spricht der Transzen- dentalphilosoph, der den wirklichen vorstellenden Individuen zusieht und berichtet, was er sie tun sieht; dort ist die Rede von ebendiesem Individuum, das in seine tatsächlichen Vorstellungen Sinn und Ordnung bringen will. JE
In der intellektuelle Anschauung entsteht die Zeit.
Die Aufgabe, die bei der Auflösung der Zeit entsteht, ist die: das Mannigfaltige des Gefühls zu vereinen. Diese Vereinigung entsteht so, dass das Mannigfaltige abgeleitet werde von den Willensbestimmungen und auf sie bezogen werde. S. 135
Von den diskreten Auseinanderliegenden hängt der Begriff der Zeit ab. ...
Soll das Mannigfaltige dem Denken erscheinen als eine Reihe, so muss ganz dasselbe mit allem mannigfaltigen Denken vereinigt sein durch alles Denken. In allem Denken muss das Eine vorkommen, ohne dasselbe muss kein Denken möglich sein. Dies ist nun die ... beschriebene intellektuelle Anschauung des Wollens. Diese wird durch das ganze diskursive Denken hindurch wiederholt, diese ists, die in allen Momenten hindurchgedacht wird. Hierauf gründet sich die Lehre vom Gedächtnisse. Ich sehe mich selbst in die Zeit hinein, ich bin nicht in der Zeit, inwiefern ich mich intellectualiter anschaue als mich selbst bestimmend.
Eigentlich ist die intellektuelle Anschauung nur Eine und in keiner Zeit, nur durchs diskursive Denken wird sie geteilt und fällt in die Zeit. Ich schaue mich an als wollend, da ist keine Zeit, kein vor oder nach; nur das Bedingte fällt in die Zeit; mein Wollen aber ist durch nichts bedingt. S. 136
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 135, 136.
Intellektuelle Anschauung.
www.fotosearch.deJenes Selbstbewusstseyn dringt sich nicht auf, und kommt nicht von selbst; man muss wirklich frei handeln, und dann vom Objecte abstrahiren, und lediglich auf sich selbst merken. Niemand kann genöthigt werden, dieses zu thun, und wenn er es auch vorgiebt, kann man immer nicht wissen, ob er richtig und, wie gefordert werde, dabei verfahre. Mit einem Worte, dieses Bewusstseyn kann keinem nachgewiesen werden; jeder muss es durch Freiheit in sich selbst hervorbringen.
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Erste Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 429
Intellektuelle Anschauung II.
Alles Denken als ideale Tätigkeit geht auf ein Objekt des Denkens überhaupt, welches ist denn nun das Objekt dieses synthetischen Denkens? Nichts anderes als ich selbst in meinem Denken Ich denke, 1; ich sehe mir selbst hierbei zu, 2. Letzteres ist das synthetische Denken; in diesem Denken wird das beide [=zwiefache?] erste Denken in einem Moment des Bewusstseins zusammengegriffen.
Dieses Denken ist sonach eine intellektuelle Anschauung und das Gedachte etwas Intelligibles, das durch das Denken selbst ist. Es gehört sonach unter das reine Denken, wovon wir sagten, sich etwas denken. Dahingegen das Denken des Objekts – das Objekt dieses Denkens ist das reale und ideale – etwas durch Sinnlichkeit vermitteltes ist.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 184
Nota. - Krauses Ms. ist an dieser Stelle nicht einfach zu entziffern. Ich habe die Interpunktion gewählt, bei der ich mir was denken kann.
Die ideale Tätigkeit = Denken 2. Ordnung, begleitet allezeit jede reale Tätigkeit = Denken 1. Ordnung. Abstra-hieren wir davon, nehmen wir alles Denken nur als ideales, so geht es nicht auf diese oder jene (reale) Tätigkeit, sondern auf Tätigkeit überhaupt. Dies ist aber meine Tätigkeit: Ich sehe mir dabei zu. Dies doppelte Denken: mein Denken meiner Tätigkeit und mein Zusehen dabei, macht das Synthetische daran aus. Noch ist aber von allem Realen abstrahiert, eine Vermittlung mit Sinnlichem kommt nicht vor. Das Objekt ist ein rein Gedachtes, Nou-men. Dieses Denken ist intellektuelle Anschauung. – Besser krieg ich's nicht hin; vielleicht bei anderer Gelegen-heit.
JE
Kant leugnet die intellektuelle Anschauung.
Kant leugnet die intellektuelle Anschauung, aber er bestimmt den Begriff der Anschauung so, dass sie nur sinnlich sein kann, und darum sagt er: Diese sinnliche Anschauung kann nicht intellektuell sein.
Wenn einer behauptet, er / schaue das Ich an als ein Ding, wie Platner, oder wenn einer eine unmittelbare Offenbarung in sich anzuschauen glaubt, gegen den hat Kant recht. In der sinnlichen Anschauung wird etwas Fixiertes, Ruhendes, gewöhnlich im Raume angeschaut, aber in unserer intellektuellen Anschauung wurde nur ein Handeln angeschaut. Kant hatte sie, nur reflektierte er nicht darauf; Kants ganze Philosophie ist ein Resultat dieser Anschauung, denn er behauptet, dass die notwendigen Vorstellungen Produkte eines Handelns des Vernunftwesens sei, und nicht des Leidens.
Dies konnte er doch nur durch Anschauung haben. Bei Kant findet Selbstbewusstsein statt; Bewusstsein des Anschauens in der Zeit; wie kommt er dazu? Doch nur durch eine Anschauung, und diese ist doch wohl eine intellektuelle.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 31f.
Nota. - Den sinnlichen Anteil an der Anschauung nennt Fichte Gefühl, Leiden: ein unfreier Zustand. Anschau en ist - als ein Reflektieren auf das Gefühl - ein Handeln, und geschieht aus Freiheit. (Kant hatte zwischen An-schauung und Sinnlichkeit noch nicht unterschieden.)
Nota II. - Die intellektuelle Anschauung gehört zu dem an seiner Stelle so genannten unmittelbaren Bewusstsein. Dieses finde statt im Handeln selbst, aber um sich 'anzuschauen', müsste es sich erst noch 'gegen sich selbst wenden', müsste sich repräsentieren und würde ipso facto mittelbar. Dies eben wäre intellektuelle Anschauung.
Das kann es an dieser Stelle noch nicht; um sich 'selbst' zu setzen, muss er sich ein Objekt entgegen gesetzt haben. Vorher ist er nicht Ich und kann auf sich nicht reflektieren und sich selbst zum Gegenstand wählen: Es muss das sinnliche Gefühl dazwischen getreten sein. Intellektuelle Anschauung ist erst als willkürlich freier Akt möglich; als der Entschluss, zu philosophieren.
JEJE
Tathandlung.
magicEs ist daher gar nicht so unbedeutend, als es einigen vorkommt, ob die Philosophie von einer Thatsache ausgeht, oder von einer Thathandlung (d. h. von einer Thätigkeit, die kein Object voraussetzt, sondern es selbst hervorbringt, und wo demnach das Handeln unmittelbar zur That wird).
Geht sie von der Thatsache aus, so stellt sie sich in die Mitte des Seyns und der Endlichkeit, und es wird ihr schwer werden, aus dieser einen Weg zum Unendlichen und Übersinnlichen zu finden; geht sie von der Thathandlung aus, so steht sie gerade auf dem Punct, der beide Welten verknüpft, und von welchem aus sie miteinem Blick übersehen werden können.
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Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 468
Was Handeln ist, lässt sich nur anschauen.
Ich bin für mich; dies ist ein Factum. Nun kann ich mir nur durch ein Handeln zu Stande gekommen seyn, denn ich bin frei; und nur durch dieses bestimmte Handeln: denn durch dieses komme ich mir in jedem Augenblick zu Stande. Jenes Handeln ist eben der Begriff des Ich, und der Begriff des Ich ist der Begriff jenes Handelns, beides ist ganz dasselbe; und es wird unter jenem Begriff nichts anderes gedacht, und kann nichts anderes gedacht werden, als das Angezeigte. Es ist so, weil ich es so mache. Der Philosoph macht sich nur klar, was er eigentlich denkt und von jeher gedacht hat, wenn er sich denkt; dass er sich aber denkt, ist ihm unmittelbares Factum des Bewusstseyns. ...
/Was Handeln sey, lässt sich nur anschauen, nicht aus Begriffen entwickeln und durch Begriffe mittheilen; aber das in dieser Anschauung liegende wird begriffen durch den Gegensatz des blossen Seyns. Handeln ist kein Seyn, und Seyn ist kein Handeln; eine andere Bestimmung gibt es durch den blossen Begriff nicht; für das wahre Wesen muss man sich an die Anschauung wenden.
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Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 460f.
Der Begriff des Handelns vereinigt die sinnliche und die intelligible Welt.
Chris, pixelio.de
Diese intellectuelle Anschauung ist der einzige feste Standpunct für alle Philosophie. Von ihm aus lässt sich alles, was im Bewußsstseyn vorkommt, erklären; aber auch nur von ihm aus. Ohne Selbstbewusstseyn ist überhaupt kein Bewusstseyn; das Selbstbewusstseyn ist aber nur möglich auf die angezeigte Weise: ich bin nur thätig. Von ihm aus kann ich nicht weiter getrieben werden; meine Philosophie wird hier ganz un/abhängig von aller Willkür, und ein Product der eisernen Notwendigkeit, insofern Notwendigkeit für die freie Vernunft stattfindet; d. h. Product der practischen Notwendigkeit.
Ich kann von diesem Standpunkt aus nicht weiter gehen, weil ich nicht weiter gehen darf; und so zeigt sich der transcendentale Idealismus zugleich als die einzige pflichtmässige Denkart, wo die Speculation und das Sittengesetz sich innigst vereinen. Ich soll in meinem Denken vom reinen Ich ausgehen, und dasselbe absolut selbstthätig denken, nicht als bestimmt durch die Dinge, sondern als die Dinge bestimmend.
Der Begriff des Handelns, der nur durch diese intellectuelle Anschauung des selbsttätigen Ich möglich wird, ist der einzige, der beide Welten, die für uns da sind, vereinigt, die sinnliche und die intelligible. Was meinem Handeln entgegensteht, - etwas entgegensetzen muss ich ihm, denn ich bin endlich - ist die sinnliche, was durch mein Handeln entstehen soll, ist die intelligible Welt.
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Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 466f.
Diese intellectuelle Anschauung ist der einzige feste Standpunct für alle Philosophie. Von ihm aus lässt sich alles, was im Bewußsstseyn vorkommt, erklären; aber auch nur von ihm aus. Ohne Selbstbewusstseyn ist überhaupt kein Bewusstseyn; das Selbstbewusstseyn ist aber nur möglich auf die angezeigte Weise: ich bin nur thätig. Von ihm aus kann ich nicht weiter getrieben werden; meine Philosophie wird hier ganz un/abhängig von aller Willkür, und ein Product der eisernen Notwendigkeit, insofern Notwendigkeit für die freie Vernunft stattfindet; d. h. Product der practischen Notwendigkeit.
Ich kann von diesem Standpunkt aus nicht weiter gehen, weil ich nicht weiter gehen darf; und so zeigt sich der transcendentale Idealismus zugleich als die einzige pflichtmässige Denkart, wo die Speculation und das Sittengesetz sich innigst vereinen. Ich soll in meinem Denken vom reinen Ich ausgehen, und dasselbe absolut selbstthätig denken, nicht als bestimmt durch die Dinge, sondern als die Dinge bestimmend.
Der Begriff des Handelns, der nur durch diese intellectuelle Anschauung des selbsttätigen Ich möglich wird, ist der einzige, der beide Welten, die für uns da sind, vereinigt, die sinnliche und die intelligible. Was meinem Handeln entgegensteht, - etwas entgegensetzen muss ich ihm, denn ich bin endlich - ist die sinnliche, was durch mein Handeln entstehen soll, ist die intelligible Welt.
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Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 466f.
Keine intellektuelle Anschauung ohne Sinnlichkeit.
In dem Resultate unserer Untersuchung ist auch dies nicht außer Acht zu lassen: Die intellektuelle Anschauung,von der wir ausgegangen sind, ist nicht ohne eine sinnliche, und letztere nicht ohne ein Gefühl möglich; und man würde uns gänzlich missverstehen und den Sinn und die Hauptabsicht unseres Systems geradezu umkehren, wenn man uns die entgegengesetzte Behauptung zuschriebe.
Aber ebensowenig ist die letztere möglich ohne die erstere. Ich kann nicht sein für mich, ohne Etwas zu sein, und dieses bin ich nur in der Sinnenwelt, aber ich kann ebensowenig für mich sein, ohne Ich zu sein, und dieses bin ich nur in der intelligiblen Welt, die sich vermittelst der intellektuellen Anschauung vor meinen Augen aufschließt.
Der Vereinigungspunkt zwischen beiden liegt darin, dass ich für mich nur durch absolute Selbsttätigkeit zufolge eines Begriffes* bin, was ich in der ersteren bin. Unsere Existenz in der intelligiblen Welt ist das Sittengesetz, unsere Existenz in der Sinnenwelt ist die wirkliche Tat; der Vereinigungspunkt beider die Freiheit, als absolutes Vermögen, die letztere durch die erstere zu bestimmen.
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System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW IV, S. 91
Die intellektuelle Anschauung.
schubalu, pixelio.de
Dieses dem Philosophen zugemutete Anschauen seiner selbst im Vollziehen des Actes, wodurch ihm das Ich entsteht, nenne ich intellectuelle Anschauung. Sie ist das unmittelbare Bewusstseyn, dass ich handle, und was ich handle: sie ist das, wodurch ich etwas weiss, weil ich es tue. Dass ein solches Vermögen der intellectuellen Anschauung gibt, lässt sich nicht durch Begriffe demonstrieren, noch, was es ist, aus Begriffen entwickeln. Jeder muss es unmittelbar in sich selbst finden, oder er wird es nie kennenlernen. Die Forderung, man solle es ihm durch Raisonnement nachweisen, ist noch um vieles wunderbarer, als die Forderung eines Blindgeborenen seyn würde, dass man ihm, ohne dass er zu sehen braucht, erklären muss, was die Farben sind.
Wohl aber lässt sich jedem in seiner von ihm selbst zugestandenen Erfahrung nachweisen, dass diese intellectuelle Anschauung in jedem Moment seines Bewusstseyns vorkommt. Ich kann keinen Schritt tun, weder Hand noch Fuss bewegen, ohne die intellectuelle Anschauung meines Selbstbewusstseyns in diesen Handlungen; nur durch diese Anschauung weiss ich, dass ich es tue, nur durch diese unterscheide ich mein Handeln und in demselben mich, vom vorgefundenen Object des Handelns. Jeder, der sich eine Thätigkeit zuschreibt, beruft sich auf diese Anschauung. In ihr ist die Quelle des Lebens, und ohne sie ist der Tod.
Nun aber kommt diese Anschauung nie allein, als ein vollständiger Act des Bewusstseyn, vor; wie auch die sinnliche Anschauung nicht allein vorkommt, noch das Bewusstseyn vollendet, sondern beide müssen begriffenwerden. / Nicht allein dies aber, sondern die intellectuelle Anschauung ist auch stets mit einer sinnlichenverknüpft. Ich kann mich nicht handelnd finden, ohne ein Object zu finden, auf welches ich handle, in einer sinnlichen Anschauung, welche begriffen wird; ohne ein Bild von dem, was ich hervorbringen will, zu entwerfen, welches gleichfalls begriffen wird. Wie weiss ich denn nun, was ich hervorbringen will, und wie könnte ich das wissen, ausser dass ich mir im Entwerfen des Zweckbegriffs, als einem Handeln, unmittelbar zusehe? - Nur dieser ganze Zustand in Vereinigung des angegebenen Mannigfaltigen vollendet das Bewusstseyn. Nur der Begriffe, des vom Object und des vom Zweck, werde ich mir bewusst; nicht aber der beiden ihnen zugrunde liegenden Anschauungen.
Vielleicht ist es nur das, was die Eiferer gegen die intellectuelle Anschauung einschärfen wollen, dass nämlich dieselbe nur in Verbindung mit einer sinnlichen möglich ist; eine Bemerkung, die allerdings von Wichtigkeit ist, und welche durch die Wissenschaftslehre wahrhaftig nicht bestritten wird. Wenn man sich aber dadurch für berechtigt hält, die intellectuelle Anschauung abzuläugnen, so könnte man mit demselben Recht auch die sinnliche abläugnen, denn auch sie ist nur in Verbindung mit der intellectuellen möglich, da alles, was meineVorstellung werden soll, auf mich bezogen werden muss; das Bewusstseyn (Ich) aber lediglich aus intellectueller Anschauung kommt. (Es ist eine Merkwürdigkeit in der neueren Geschichte der Philosophie, dass man nicht inne geworden ist, dass alles, was gegen die Behauptung einer intellectuellen Anschauung zu sagen ist, auch gegen die Behauptung der sinnlichen Anschauung gilt, und dass dementsprechend die Streiche, die nach dem Gegner getan werden, auf uns selbst mit fallen.)
Aber, wenn zugegeben werden muss, dass es kein unmittelbares, isolirtes Bewusstsein der intellectuellen Anschauung gibt, wie kommt dann der Philosoph zur Kenntniss und zur isolirten Vorstellung derselben? Ich antworte: ohne Zweifel so, wie er zur Kenntniss und zur isolirten Vorstellung der sinnlichen Anschauung kommt, durch einen Schluss aus den offenbaren Ttatsachen des Bewusstseyns.
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Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 463f.
Dieses dem Philosophen zugemutete Anschauen seiner selbst im Vollziehen des Actes, wodurch ihm das Ich entsteht, nenne ich intellectuelle Anschauung. Sie ist das unmittelbare Bewusstseyn, dass ich handle, und was ich handle: sie ist das, wodurch ich etwas weiss, weil ich es tue. Dass ein solches Vermögen der intellectuellen Anschauung gibt, lässt sich nicht durch Begriffe demonstrieren, noch, was es ist, aus Begriffen entwickeln. Jeder muss es unmittelbar in sich selbst finden, oder er wird es nie kennenlernen. Die Forderung, man solle es ihm durch Raisonnement nachweisen, ist noch um vieles wunderbarer, als die Forderung eines Blindgeborenen seyn würde, dass man ihm, ohne dass er zu sehen braucht, erklären muss, was die Farben sind.
Wohl aber lässt sich jedem in seiner von ihm selbst zugestandenen Erfahrung nachweisen, dass diese intellectuelle Anschauung in jedem Moment seines Bewusstseyns vorkommt. Ich kann keinen Schritt tun, weder Hand noch Fuss bewegen, ohne die intellectuelle Anschauung meines Selbstbewusstseyns in diesen Handlungen; nur durch diese Anschauung weiss ich, dass ich es tue, nur durch diese unterscheide ich mein Handeln und in demselben mich, vom vorgefundenen Object des Handelns. Jeder, der sich eine Thätigkeit zuschreibt, beruft sich auf diese Anschauung. In ihr ist die Quelle des Lebens, und ohne sie ist der Tod.
Nun aber kommt diese Anschauung nie allein, als ein vollständiger Act des Bewusstseyn, vor; wie auch die sinnliche Anschauung nicht allein vorkommt, noch das Bewusstseyn vollendet, sondern beide müssen begriffenwerden. / Nicht allein dies aber, sondern die intellectuelle Anschauung ist auch stets mit einer sinnlichenverknüpft. Ich kann mich nicht handelnd finden, ohne ein Object zu finden, auf welches ich handle, in einer sinnlichen Anschauung, welche begriffen wird; ohne ein Bild von dem, was ich hervorbringen will, zu entwerfen, welches gleichfalls begriffen wird. Wie weiss ich denn nun, was ich hervorbringen will, und wie könnte ich das wissen, ausser dass ich mir im Entwerfen des Zweckbegriffs, als einem Handeln, unmittelbar zusehe? - Nur dieser ganze Zustand in Vereinigung des angegebenen Mannigfaltigen vollendet das Bewusstseyn. Nur der Begriffe, des vom Object und des vom Zweck, werde ich mir bewusst; nicht aber der beiden ihnen zugrunde liegenden Anschauungen.
Vielleicht ist es nur das, was die Eiferer gegen die intellectuelle Anschauung einschärfen wollen, dass nämlich dieselbe nur in Verbindung mit einer sinnlichen möglich ist; eine Bemerkung, die allerdings von Wichtigkeit ist, und welche durch die Wissenschaftslehre wahrhaftig nicht bestritten wird. Wenn man sich aber dadurch für berechtigt hält, die intellectuelle Anschauung abzuläugnen, so könnte man mit demselben Recht auch die sinnliche abläugnen, denn auch sie ist nur in Verbindung mit der intellectuellen möglich, da alles, was meineVorstellung werden soll, auf mich bezogen werden muss; das Bewusstseyn (Ich) aber lediglich aus intellectueller Anschauung kommt. (Es ist eine Merkwürdigkeit in der neueren Geschichte der Philosophie, dass man nicht inne geworden ist, dass alles, was gegen die Behauptung einer intellectuellen Anschauung zu sagen ist, auch gegen die Behauptung der sinnlichen Anschauung gilt, und dass dementsprechend die Streiche, die nach dem Gegner getan werden, auf uns selbst mit fallen.)
Aber, wenn zugegeben werden muss, dass es kein unmittelbares, isolirtes Bewusstsein der intellectuellen Anschauung gibt, wie kommt dann der Philosoph zur Kenntniss und zur isolirten Vorstellung derselben? Ich antworte: ohne Zweifel so, wie er zur Kenntniss und zur isolirten Vorstellung der sinnlichen Anschauung kommt, durch einen Schluss aus den offenbaren Ttatsachen des Bewusstseyns.
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Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I, S. 463f.
Absoluter Anfang, Freiheit und Ursache seiner selbst.
Die Freiheit ist, nach Kant, das Vermögen, einen Zustand (Sein und Bestehen) absolut anzufangen.
Dies ist eine vortreffliche Nominal-Erklärung. Doch scheint im allgemeinen die Einsicht dadurch nicht viel gewonnen zu haben; denn es sind über die Freiheit noch immer beinahe lauter falsche Begriffe im Umlaufe. Es war nämlich die noch höhere Frage zu beantworten, wie denn ein Zustand schlechthin angefangen werden könne, oder wie sich das absolute Anfangen eines Zustandes denken lasse, welches einen genetischen Begriff der Freiheit gegeben, - diesen Begriff vor unseren Augen erzeugt hätte.
Dies ist von uns soeben geleistet worden. Der schlechthin angefangene Zustand wird nicht schlechthin an nichts angeknüpft; denn das endliche vernünftige Wesen denkt notwendig nur vermittelnd und anknüpfend so lange fort, bis er das Denken selbst ergreift. Nur wird er nicht an ein anderes Sein, sondern an das Denken angeknüpft.
Um aber den Begriff so aufzustellen, muss man freilich den Weg der Wissenschaftslehre gehen und zu gehen vermögen, von allem Sein als solchem (von der Tatsache) abstrahieren, und von dem, was höher ist denn alles Sein, von dem Anschauen und Denken (von dem Handeln der Intelligenz überhaupt) ausgehen. Derselbe Weg, der in der theoretischen Philosophie allein zum Ziele führt, das Sein (es versteht sich, für uns) zu erklären, macht / auch allein eine praktische Philosophie möglich. Hierdurch wird auch der oben gebrauchte Ausdruck: das Ich stellt sich selbst selbstständig hin, noch klarer.
Die erste Ansicht unseres Satzes: das Ich nimmt alles, was es ursprünglich ist (es ist aber ursprünglich nichts als frei) in die Anschauung, in den Begriff seiner selbst auf, ist schon vollständig erklärt. Es liegt aber in ihm noch mehr. Alles nämlich, was es in der Wirklichkeit sein kann, wo der Begriff Erkenntnisbegriff wird und der Intelligenz nur das Zusehen bleibt, hängt doch ursprünglich vom Begriffe ab. Was es je werden soll, dazu muss es sich selbst durch den Begriff machen, und was es je sein wird, dazu wird es sich durch ihn gemacht haben. Es ist in jeder Hinsicht sein eigener Grund und setzt auch in praktischer Bedeutung sich selbst schlechthin.
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System der Sittenlehre, SW Bd. IV, S. 37f.
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