Real und ideal.



Der Ur-Sprung der Fichte'schen Dialektik ist die Scheidung der Einbildungskraft in eine reale und eine ideale Seite, und zwar schon, wo es um das bloße Vorstellen geht: Real ist das gegenständliche Vorstellen, das, welches etwas Reales vorstellt; ideal ist das Reflektieren darauf  –  nämlich sowohl auf den Gegenstand selbst als auf das Vorstellen des Gegenstands.

Merke: Da es für den Transzendentalphilosophen Fichte ein An-sich nicht geben kann, ist zu allererst festzu- halten: Real und ideal beziehen sich immer nur auf die vorstellende Tätigkeit eines Ich, und wo es einmal um einen Gegenstand geht, so ist er das Produkt einer Vorstellungstätigkeit.

JE



*


Real oder ideal?


Fichtes Gebrauch von 'real' und 'ideal' ist nur scheinbar verwirrend.  Ein An sich gibt es bei ihm nicht, das wissen wir doch schon, also ist nichts an sich real und nichts an sich ideal, sondern Eins immer nur in Hinblick auf das Andre. Es ist einfach die Unterscheidung von erster und zweiter semantischer Ebene; zwischen Objektebene und Metaebene:

"Die Begriffe Reales und Ideales gelten nur relativ, in den Zwischenräumen liegen Mittelglieder, die ideal und real sind, je nachdem man sie vorwärts oder rückwärts bezieht."
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 200










Die reale Tätigkeit des Ich gibt es nur als ideale; und umgekehrt.

Vertigo

4) Die ideale und reale Tätigkeit sollen hier gegeneinander noch schärfer bestimmt werden.

A) Keine reale Tätigkeit des Ich ohne ideale. Denn das Wesen des Ich besteht in dem sich selbst Setzen; soll die Tätigkeit des Ich real sein, so muss sie durch das Ich sein; das aber, wodurch sie gesetzt wird, ist die ideale.

Dem Naturobjekte schreiben wir Kraft zu, aber nicht Kraft für sich, weil es kein Bewusstsein hat. Nur das Ich hat Kraft für sich. 

B) Umgekehrt keine ideale Tätigkeit des Ich ohne reale. Eine ideale Tätigkeit ist eine durch das Ich gesetzte, die wieder Objekt der Reflexion geworden ist und wieder durch ideale Tätigkeit vorgestellt wird. Sonst wäre das Ich wie ein Spiegel, der wohl vorstellt, aber sich selbst nicht wieder vorstellt. – 

Dies wieder-Objekt-Sein der idealen Tätigkeit ist mit dem Ich postuliert. Aber dies Objektmachen geschieht durch reale Tätigkeit. Ist letztere nicht, so ist kein Selbstanschauen der idealen Tätigkeit möglich. Die ideale Tätigkeit hätte nichts ohne die reale, und sie wäre nichts, wenn ihr nicht durch reale [Tätigkeit] etwas hingestellt würde.
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 48


 
Nota. - Wir sind hier noch beim sich-Setzen des Ich; von Nicht-Ich(en) war noch nicht die Rede. Die Unter- scheidung von realer und idealer Tätigkeit gehört darum zu den Grundlagen der Wissenschaftslehre, ohne die nichts verständlich wäre. 

Das Ich wird zunächst angenommen als eine an sich selbst unbestimmte prädikative Qualität; eine Qualität, deren einziges Quale dies ist, schlechterdings zu 'prädizieren'. Sie ist unbestimmt und also unendlich; sie ist an sich nicht geteilt und daher teilbar: Indem sie auf etwas trifft, wird sie gehemmt, beschränkt an dem Teil von ihr, der auf das Etwas traf, der bleibt sozusagen 'hängen'. Er wird zum realen Teil der Tätigkeit. Nicht so der über das Etwas überschießende Teil, der treibt weiter: die ideale Tätigkeit. Die ideale Tätigkeit bleibt an sich unendlich und unendlich teilbar

In der Wahl des Etwas, auf das sie stieß, war die Tätigkeit frei, denn sie war unbestimmt. Im Widerstand des Etwas erfährt sie - 'an sich' - eine Bestimmung. Soll aber ein Ich werden - und dass es werden soll, ist der Aus- gangspunkt der Wissenschaftslehre -, dann muss die Bestimmung für es werden; sie muss angeschaut werden von einem weiteren Teil. Dieser Teil der idealen Tätigkeit ist nicht frei, denn ihm ist sein Objekt vorgegeben, er kann nicht wählen. 

Summa: Die reale Tätigkeit gibt es - nämlich für ein Bewusstsein, außer dem gibt es gar nichts -  nur als ideale, doch die idele Tätigkeit gibt es - für dasselbe Bewsusstsein - nur als reale.

* 

So umständlich es scheint - das seien doch alles keine Begriffe, sondern nur Bilder? Genau. Bei den Begriffen sind wir noch gar nicht. Die sind erst das Rohprodukt der Reflexion, aber hier stehen wir noch an ihrem Anfang: Die Wissenschaftslehre konstruiert nicht - logisch - aus Begriffen, sondern entwickelt - genetisch - Vorstellungen aus Vorstellungen. Das darf sie: Denn die prädikative Qualität des vorausgesetzten Unbestimmten - auch produkti- ve Einbildungskraft genannt - ist nichts anderes als... Vorstellen.
JE







Reale und ideale Tätigkeit.


Das Wollen - Streben, Trieb, Einbildungskraft - ist ursprünglich eines und dasselbe. Das Quantum Energie, das im Fühlen am Objekt hängenbleibt, werden wir ipso facto als reale Tätigkeit bezeichnen, den überschießenden freien Teil nennen wir die ideale. (Wenn sie sich reflektierend selber dem Gefühl zuwendet, geschieht dies aus Freiheit.) 

- Die Wissenschaftslehre schaut dem gemeinen Bewusstsein zu und beschreibt, wie es tatsächlich verfährt; allerdings nicht in Zeit und Raum, sondern in einem idealen Modell, wo alles zugleich geschieht, wenn auch Eines als genetisch bedingt durch das Andere. Es ist daher ganz in der Ordnung, wenn uns die eine oder andere Etappe in dieser Darstellung aus unserer eigenen Erfahrung bekannt vorkommt - sobald wir nämlich Raum und Zeit wieder hinzudenken. 

An dieser Stelle erinnern wir uns an das, was Schiller den "ästhetischen Zustand" nannte: Im ästhetischen Zu- stand sei der Mensch "gleich Null". Die ästhetischen Qualitäten, die wir wahrnehmen, sind unmittelbar im 'Ge- fühl' - soweit die 'reale' Tätigkeit, die sich hier 'begrenzt' vorkommt. Hinzu tritt die 'ideale' Tätigkeit, die das Ge- fühl anschaut; doch an der Stelle hält sie inne - aus Freiheit: Die ideale Tätigkeit hält sich selbst zurück, mit ande- ren Worten: der ästhetische Zustand tritt nur ein, wenn er beabsichtigt wird.

Doch im Normalfall unserer tätglichen Geschäfte fährt die ideale Tätigkeit fort.








Die Aufgabe der Transzendentalphilosophie.


Es ist, wie Kant sagt, ein Vorteil für die Wissenschaft, wenn man das, was sie zu leisten hat, auf eine Formel bringt. Kant bringt das, was die Philosophie zu leisten hat, auf die Aufgabe zurück: "Wie sind synthetische Urteile a priori möglich?" Dozent [=Fichte] drückt die Frage so aus: Wie kommen wir dazu anzunehmen, dass den Vorstellungen in uns etwas außer uns entspreche? Beide Fragen heißen dasselbe. [S. 11]

Kant hat die Frage: Wie kommen wir dazu, gewissen Vorstellungen objektive Gültigkeit beizumessen, nicht beantwortet. Die Wissenschaftslehre leistet dies. Wir schreiben einer Vorstellung objektive Gültigkeit zu, wenn wir behaupten, dass unabhängig von der Vorstellung noch ein Ding da sei, das der Vorstellung entspreche; beide sind so verschieden: Die Vorstellung habe ich hervorgebracht, das Ding aber nicht. Nun behauptet die Wissenschaftslehre: Mit Vorstellungen, welche notwendig in uns sein sollen, verhält es sich so, dass wir anneh- men müssen, dass ihnen etwas Äußeres entspreche; und dies zeigt sie genetisch. [S. 9]
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 11; 9.











Nur Handeln ist wirklich.

Petra Bork  / pixelio.de


Anschauung des Wirklichen ist nur möglich durch Anschauung eines wirklichen Handelns des Ich, also alle Erfahrung geht aus vom Handeln, es ist nur durch sie möglich [sic]. Ist kein Handeln, so ist keine Erfahrung, und ist diese nicht, so ist kein Bewusstsein. … Nur meiner Tätigkeit kann ich mir bewusst werden, aber ich kann mir derselben nur bewusst werden als einer beschränkten. …Die Erfahrung bezieht sich auf Handeln, die Begriffe entstehen aus Handeln und sind nur um des Handelns willen da, nur das Handeln ist absolut. … Im Handeln erst komme ich auf Objekte. …Der Urgrund alles Wirklichen ist daher die Wechselwirkung oder Vereinigung des Ich und NichtIch.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Nachschrift K. Chr. Fr. Krause, Hamburg 1982, S. 60f.





Zwei Arten zu denken.

daniel stricker, pixelio.de

Es gibt zwei sehr verschiedene Standpunkte des Denkens; den des natürlichen und gemeinen, da man unmittelbar Objekte denkt, und den des vorzugsweise so zu nennenden künstlichen, da man, mit Absicht und Bewußtsein, sein Denken selbst denkt. Auf dem ersten steht das gemeine Leben, und die Wissenschaft; auf dem zweiten die Transzendentalphilosophie, die ich eben deshalb Wissenschaftslehre genannt habe, Theorie und Wissenschaft alles Wissens, keineswegs aber selber ein reelles und objektives Wissen.
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Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 111.] 




Realgrund und Idealgrund zugleich, je nachdem.

Rubber Richie 

Ohnerachtet ihres Realismus aber ist diese Wissenschaft nicht transcendent, sondern bleibt in ihren innersten Tiefen transcendental. Sie erklärt allerdings alles Bewusstseyn aus einem unabhängig von allem Bewusstseyn vorhandenen; aber sie vergisst nicht, dass sie auch in dieser Erklärung sich nach ihren eigenen Gesetzen richte, und so wie sie hierauf reflectirt, wird jenes Unabhängige abermals ein Product ihrer eigenen Denkkraft, mithin etwas vom Ich abhängiges, insofern es für das Ich (im Begriff davon) da seyn soll. 

Aber für die Möglichkeit dieser neuen Erklärung jener ersten Erklärung wird ja abermals schon das wirkliche Bewusstseyn, und für dessen Möglichkeit abermals jenes Etwas, von welchem das Ich abhängt, vorausgesetzt: und wenn jetzt gleich dasjenige, was fürs erste als ein Unabhängiges gesetzt wurde, vom Denken des Ich abhängig geworden, so ist doch dadurch das Unabhängige nicht gehoben 31, sondern nur weiter hinausgesetzt, und so könnte man in das unbegrenzte hinaus verfahren, ohne dass dasselbe je aufgehoben würde. – 

Alles ist seiner Idealität nach abhängig vom Ich, in Ansehung der Realität aber ist das Ich selbst abhängig; aber es ist nichts real für das Ich ohne auch ideal zu seyn; mithin ist in ihm Ideal- und Realgrund Eins und ebendasselbe, und jene Wechselwirkung zwischen dem Ich und Nicht-Ich ist zugleich eine Wechselwirkung des/ Ich mit sich selbst. Dasselbe kann sich setzen, als beschränkt durch das Nicht-Ich, indem es nicht darauf reflectirt, dass es jenes beschränkende Nicht-Ich doch selbst setze; es kann sich setzen, als selbst beschränkend das Nicht-Ich, indem es darauf reflectirt.
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Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre
SW Bd. I,
 S. 280f.





Zuerst ist Sinnlichkeit.

Thommy Weiss, pixelio.de  

...das Gefühl ist eins, es ist Bestimmtheit, Beschränktheit des ganzen Ich, über die es nicht hinauskann; es ist die letzte Grenze, es kann sonach nicht weiter zergliedert und zusammengesetzt werden, das Gefühl ist schlechthin, was es ist und weil es ist. Das durch das Gefühl Gegebene ist die Bedingung alles Handelns des Ich, die Sphäre, aber nicht das Objekt.

Die Darstellung des Gefühls in der Sinnenwelt ist das Fühlbare und wird gesetzt als Materie. Ich kann keine Materie hervorbringen oder vernichten, ich kann nicht machen, dass sie mich anders affiziert, als sie ihrer Natur nach tut. Entfernen oder annähern kann ich sie wohl. 

Das Positive soll Mannigfaltigkeit sein, weil es Gegenstand der Wahl für die Freiheit sein soll. Es müsste also mannigfaltige Gefühle geben, oder der Trieb müsste auf mannigfaltige Art affizierbar sein; welches man auch so ausdrücken könnte: Es gibt mehrere Triebe im Ich. Diese Mannigfltigkeit der Triebe ist nicht zu deduzierenoder aus einem Höheren abzuleiten, denn wir stehen hier an der Grenze. Dieses Mannigfaltige ist mit dem Postulate der Freiheit postuliert; hinterher wohl wird dieses Mannigfaltige im Trieb sich zeigen als Naturtrieb und wird aus der Natur erklärt werden; aber die Natur wird erst selbst zufolge des Gefühls gesetzt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Nachschrift K. Chr. Fr. Krause, Hamburg 1982, S. 69 

[Rechtschreibung angepasst]



Nota.

"Soll": Die Wissenschaftslehre verfährt phämonenologisch; sie konstatiert, was (im wirklichen Bewusstsein der Menschen) ist, und will erklären, wie es dazu kommen kann. Es wird keineswegs 'aus einem Höheren abgeleitet'. 

Hier: Das Positive ist uns gegeben als Gegenstand der Freiheit - als Raum, in dem es auf meine Wahl ankommt.Um Gegenstand der Freiheit werden zu können, muss, "soll" es mannigfaltig sein, denn anders hätte ich keine Wahl; usw.

 

 

Nur in der Anschauung gibt es etwas.


[§ 5]
Etwas ist, das anschaubar ist. Etwas und Anschauung sind Wechselbegriffe. Das, wozu sich die Selbsttätigkeit bestimmt, ist Etwas: Was ist es denn? Dies soll unsere Untersuchung sein.
1) Das bis jetzt Reflektierte war ein Zustand der Intelligenz. Es [unleserlich] war Bestimmbarkeit, Übergehen und Bestimmtheit, dies lag im einfachen Faktum. Wie kommt es nun, dass bestimmbar und bestimmt anschaubar ist? Im vorigen Zustand konnte diese Frage nicht aufgeworfen werden, es ist da anschaubar. Wenn ich nun nach der Möglichkeit frage, so gehe ich aus dem Faktum heraus, erhebe mich über dasselbe und mache das zum Objekt, was vorher Reflexion war, einer neuen Reflexion. [das, was vorher..., zum Objekt einer neuen...]
Hier bleiben noch die Fragen liegen: Wie ist es möglich, sich über die erste Reflexion zu erheben? Wir nehmen hier die Reflexion mit Freiheit vor; es wird uns dadurch mancherlei entstehen. Wenn nur das, was entsteht, notwendige Bestimmungen des Bewusstseins sind: Wie kommen wir dazu?
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 55

Nota. - Nur was durch die Anschauung gegeben hat, ist etwas, und wo keine Anschauung ist, ist nichts. Doch etwas ist nicht Sein und nichts ist nicht das Nichts. Etwas ist all das, was in der Schulsprache Phänomen oder Erscheinung heißt. Die einzige Bestimmung daran ist, dass es anschaubar ist; darüberhinaus ist es unbestimmt=bestimmbar.
JE




Ein Widerstand ist nichts ohne Tätigkeit.

Mattheuer, Sisyphus

Die Freiheit ist absolute Selbstaffektion und weiter nichts, sie ist aber kein Mannigfaltiges, also auch nicht anschaubar. Hier soll aber ein Produkt derselben anschaubar sein, sie soll also mittelbar anschaubar sein. Dies ist nur unter der Bedingung möglich, dass mehrere Selbstaffektionen gesezt werden, die als mehrere nur unterscheidbar wären durch das Mannigfaltige des Widerstandes, der ihnen entgegengesetzt würde; aber ein Widerstand ist nichts ohne Tätigkeit, und inwiedern er überwunden wird, kommt er ins Ich. Das Ich sieht nur sich selbst, nun sieht es sich aber nur im Handeln, aber im Handeln ist es frei, also überwindend den Widerstand: Die Freiheit wirkt ununterbrochen fort, der Widerstand gibt ununterbrochen nach, [so] dass doch immer ein Widerstand bleibt. (Ein Bild davon ist das Fortschieben eines beweglichen Körpers im Raume.) 


In jedem Momente liegt Handeln und Widerstand zugleich. Dieses Handeln geht nicht rückwärts, sondern in einem fort, es ist immer ein und dieselbe Selbstaffektion, die sich immer weiter ausdehnt durch die Anschauung. Der einfache Punkt der Selbstaffektion wird ausgedehnt durch die Anschauung der Selbstaffektion zu einer Linie. In Verfolgung dieser Linie erhalten wir [eine] Folge bestimmter Teile. Dass es Teile sind und als solche aufgefasst werden, dafür liegt der Grund in der Reflexion, dass nämlich in diese Linie A, B, C, D pp. gesetzt wird; aber dass in dieser Ordnung aufgefasst wird, davon liegt der Grund nicht in der Reflexion, denn diese kann nur dem realiter Tätigen folgen, auch liegt der Grund nicht in der realen Tätigkeit, denn die Mannigfaltige ist ja ein die reale Tätigkeit Verhinderndes, ihr Entgegengesetztes; mithin ist die reale Tätigkeit in Rücksicht der Folgen gebungen, und die ist der Unterschied zwischen dem Charakter des Bestimmbaren und [des] Bestimmten.
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 59

Nota. - Die (reine) reale Tätigkeit ist nicht anschaubar, weil sie nicht mannigfaltig (='quantifizierbar') ist, sondern 'eins', nämlich Noumenon. Sie folgt einem Zweckbegriff, nach dessen Maßgabe sie aus dem Mannigfaltigen des Bestimmbaren eine bestimmte Anzahl Objekte wählt. An diesen Objekten, nämlich an den Widerständen, sie sie ihnen leisten, erlegt sie sich selbst in die Mannigfaltigkeit, jetzt wird sie anschaubar, wird sie Handlung, wird sie Etwas.
JE JE 





Das Intelligible ist lediglich Erklärungsgrund.Blechen, Bau der Teufelsbrücke, Ausschnitt, 1833

Das Reale bedeutet mir das Objektive, das Ideale nur das Subjektive im Bewusstsein. Beides wird nun besonders betrachtet als bestimmbar, und dieses Denken gibt uns das bloß Intelligible. Das Intelligible ist sonach nichts an sich, sondern etwas für die Möglichkeit unserer Erklärung Vorauszusetzendes. So behandelt es auch Kant, und jede andere Ansicht wäre transzendent. 
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 167


 

 

Die ideale Tätigkeit.



Die Natur des Ich ist ein Trieb, wir können also die ideale Tätigkeit erklären aus einem Triebe zur Reflexion, auch Trieb nach einem Objekte, oder Sachtrieb, welcher vorausgesetzt werden muss, um die ideale Tätigkeit zu erklären. Ein solcher Trieb kann nicht gefühlt werden; denn ein Trieb kann nur gefühlt werden, inwiefern er nicht befriedigt wird; aber der Reflexionstrieb wird allenthalben befriedigt. Man muss ihn sorgfältig unter- scheiden von dem Triebe nach reeller Tätigkeit, welcher oft nicht befriedigt wird.

Es wird also angeschaut, weil angeschaut wird.

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Wissenschaftslehre nova methodo, Nachschrift K. Chr. Fr. Krause, Hamburg 1982, S. 79
[Rechtschreibung angepasst]



Nota. - Das Ich der Wissenschaftslehre ist Intelligenz, nicht Stoffwechsel plus Fortpflanzung. Trieb heißt bei Fichte so ziemlich das Gegenteil von dem, was seit Siegmund Freud - eigentlich seit Schopenhauer - so genannt wird. Denn nicht "das Leben selbst" hat die Wissenschaftslehre zu erklären; dessen bedarf es ja gar nicht. Die Intelligenz hat sie zu erklären, wie sie sich aus Freiheit Regeln gibt, und wie all unsere Zweifel, Gewissensnot und Abenteuer des Denkens erst daraus hervorgehen. Mit andern Worten, ein Menschenbild hat sie sich allbereits vorausgesetzt, bevor sie mit ihren Untersuchungen überhaupt anfing.
JE 

 











In der Reflexion vereinigen sich das Sinnliche und das Übersinnliche, weil sie frei ist.


Die Reflexion ist schlechthin frei in der Wahl des Mannigfaltigen, auf welches sie geht, es ist kein absoluter Grund da, weshalb sie dies oder jenes wähle. ... /

Das Reflektierende ist Ich, und zwar ideales Vermögen, welches durch die oben aufgezeigte Bestimmung desrealen Ich nicht bestimmt ist. Aber es ist Charakter der Ichheit, sich schlechterdings selbst zu bestimmen, absolut erstes, nie zweites zu sein; die Reflexion ist also absolut frei. Diese absolute Freiheit der Reflexion ist selbst etwas Übersinnliches. In der Gebundenheit, nur auf Teile und nur auf solche Teile reflektieren zu können, tritt erst das Sinnliche ein. Hier ist der Vereinigungspunkt der sinnlichen und der übersinnlichen Welt angegeben.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 156f.


Nota. - Die reale Tätigkeit, das wirkliche, lebendige Vorstellen, ist nur 'an sich' frei, nämlich insofern es vonnichts Fremdem bestimmt ist; aber nicht 'für sich' frei, insofern es noch gar nicht bestimmt ist. Indem es sich reflektierend selbst-bestimmt, wird es ideale Tätigkeit, denn erst hierin wird es für sich frei. Erst hier wird es ein Ich.

Merke: Die Wissenschaftslehre schafft kein neues Wissen, sondern macht lediglich das Mysterium unserer Freiheit verständlich.
JE






In der Anschauung fühlt das Ich sich nur als tätig.


In der Anschauung fühlt das Ich sich nur als tätig; das Leiden des Ich wird ausgeschlossen, und so wird ein Objekt möglich.

Ich fühle mich beschränkt; von dieser Beschränktheit reiße ich mich nun los. Das Fühlen und Losreißen geschieht in demselben ungeteilten Moment. Die ideale Tätigkeit kann nicht beschränkt werden; wenn nun die reale beschränkt wird, so  bleibt die ideale allein; dieses isolierte Handeln ist Anschauung.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 82

 

 

Überschießende Einbildung.


Die Möglichkeit des Begriffs wurde nur gezeigt unter ge-/wissen Voraussetzungen, die wir stillschweigend machen mussten und konnten.

Wir sind so verfahren: Ich bin ursprünglich praktisch beschränkt; daraus entsteht ein Gefühl; ich bin aber nicht bloß praktisch, sondern auch ideal. Die ideale Tätigkeit ist nicht beschränkt, folglich bleibt Anschauung übrig. Gefühl und Anschauung sind miteinander verknüpft. Im Gefühl muss eine Veränderung stattfinden, das ist die Bedingung des Bewusstseins. Ich bin in der Beschränktheit beschränkt,* werde also auch in der Anschauung Y beschränkt; aus jeder Beschränktheit entsteht ein Gefühl, also müsste auch hier ein Gefühl entstehen, das Ge- fühl eines Denkzwangs, und mit diesem Anschauung meiner selbst. Eine Anschauung, in der das Anschauende selbst gesetzt wird, die auf das Anschauende bezogen wird, heißt ein Begriff vom Ding, hier von Y.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 101f.

*) [indem die an sich unbeschränkte ideale Tätigkeit auf die Beschränktheit der realen Tätigkeit notwendig reflektiert. JE]


Nota. - Im Gefühl, nämlich wenn sie auf Sinnliches stößt, ist die Einbildungskraft beschränkt; sie muss sich an das halten, was sie vorfindet. In der Reflexion - Anschauung ist die allererste Reflexionsstufe - ist die Einbil- dungskraft nicht beschränkt, sie kann über das Angetroffene hinausgehen. Es entsteht ein Überschuss.

Was nun hat es mit dem 'Denkzwang' auf sich? Wo die Anschauung an die Stelle stößt, die der realen Tätigkeit ein Gefühl mitteilt - also an den Gegenstand Y -, da entsteht auch ihr ein Gefühl ("Selbstaffektion"), nämlich ein Denkzwang, sie muss sich den Gegenstand so vorstellen und nicht anders; aber sie muss dort nicht stehen- bleiben und schießt darüber hinaus.

Die so sehr abstrakte Diktion Fichtes ist, wenn man es ernstlich ausprobiert, bildhafter und 'anschaulicher', als ihr nachgesagt wird
JE

 

 

 

Das Intelligible und das Empirische sind ganz dasselbe.



...also das Intelligible und das Empirische oder A priori im Kantischen Sinn und A posteriori, beides sind ganz dasselbe, bloß angesehen von verschiedenen Seiten.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 192 


Nota. - Auf der ersten semantischen Ebene ("Objektsprache") gibt es nur 'Gegenstände': Dieses, Das, Jenes. Erst auf der zweiten semantischen Ebene (Reflexion, "Metasprache") scheiden sich die Dinge, Sachen, Ereignisse von ihren BedeutungenJede folgende Ebne kann jeweils als die erste und die zweite angesehen werden. 
JE




So und nicht anders.

archives.gov

Ein bestimmtes Quantum jener Beschränktheit gibt ein bestimmtes Quantum Anschauung. Wird der Grund be-/schränkt, so wird es auch das Begründete. (Ich bin in der Anschauung beschränkt heißt: Ich bin in der Vorstellung Y gebunden, das Mannigfaltige darin so zu ordnen und nicht anders; jede Beschränktheit erregt ein Gefühl, sonach auch die Beschränktheit der idealen Tätigkeit in Y).
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 94f.


Nota. - An diesem Punkt wird die sinnliche, gegenständliche, "reale" Welt objektiv, und nur weil sie es ist, näm- lich ideal, kann sie zu einem gemeinsamen Gegenstand für mich und die 'vernünftigen Wesen außer mir' wer- den. Es ist die materielle Welt, die die ideelle Mitteilung über sie möglich macht, nicht umgekehrt. Das ist der Standpunkt des transzendentalen Idealismus.
JE




Wechsel des Gefühls ist die Bedingung des Selbstbewusstseins.

Frère, L'Amour piqué par une abeille

Zuförderst ist nur von der Beschränkung des praktischen Vermögens als Grund der Beschränkung gesprochen, denn es scheint sonderbar, dass die als unbeschränkt aufgestellte [ideale] Tätigkeitbeschränkt werde und aus ihr ein Gefühl entstehen sollte. 

Auf die Erfahrung kann man sich nicht berufen. In der Erfahrung findet Denkzwang statt, die Objekte soaufzufassen. Es müsste etwa so sein, dass die ideale Tätigkeit praktisch würde und mit Freiheit hervorbrächte und insofern beschränkt würde - dies wird sich weiter unten zeigen, sonst fiele alles System zusammen. Aus der Beschränktheit der idealen Tätigkeit wird entstehen ein neues Gefühl, aber aus dem Gefühl entsteht notwendig eine Anschauung.

Zuförderst als ein Objekt der Anschauung hat das Ich ein Sein, es ist etwas. Die Begrenztheit des Ich ist im Zustande A. Das Ich ist in ihr sich selbst gegeben, es wird gefunden als Objekt. Das Anschauende in X ist die ideale Tätigkeit, welche auf dieses Sein geht. ... Zufolge des bestimmten Gefüls entsteht eine bestimmte Anschauung, und mit der Anschauung entsteht das Objekt derselben und ist nicht mehr von ihm zu trennen, dies ist das Band.

Ich fühle und schaue an. Ich bin in beidem dasselbe Ich; aber was ich anschaue, soll ich auch sein. Mit dieser bestimmten Anschauung X ist die Objekt Ich verbunden, ich fühle mich beschränkt durch mein eigenes Sein. Nun das Y Anschauende allerdings nicht Objekt der Anschauung X, sondern das Sein des Ich ist Objekt dieser Anschauung. Aber das An-/schauen ist damit notwendig und unzertrennlich verknüpft, und dies ist das Band, woran das Ich notwendig weiter fortgeleitet wird.

Da das angeschaute Objekt Ich sein soll, so folgt daraus, dass sein Sein notwendig bestimmt ist im Setzen, durch ideale Tätigkeit eines Dinges Y, nur unter dieser Bedingung wird es angeschaut.

Das Resultat wäre dies: Aus der Veränderung erfolgt ein Gefühl derselben als eine Beschränkung der idealen Tätigkeit des Ich, aus diesem Gefühle erfolgt eine Anschauung des beschränkten Ich als eines solchen, in welcher das Ich als Objekt überhaupt, und die Anschauung Y als ein notwendiges Akzidens des Ich vorkommt.

Ist kein Ich für das Ich, so ist kein NichtIch und kein Bewusstsein. Aber die Anschauung und der Begriff des Ich sind nicht möglich ohne Veränderung eines Gefühls: Wechsel des Gefühls ist sonach die Bedingung des Selbstbewusstseins und talis qualis schlechthin zu postulieren. Ein solcher Wechsel des Gefühls , den wir oben problematisch annahmen, muss also als notwendig angenommen werden.

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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 95f.







Realität ist das unmittelbar Bestimmte, wovon sich weiter kein Grund angeben lässt.

Aber bin ich gezwungen, die Dinge so zu denken?

Ich kann von ihnen abstrahieren oder ich kann sie auch anders denken, also findet kein Denkzwang statt. Aber dann stelle ich das Ding nicht der Wahrheit gemäß dar, aber soll meine Vorstellung dem Dinge gemäß sein, so findet Denkzwang statt. 

Aber was ist das für eine Wahrheit, an die meine Vorstellung gehalten werden soll? Es ist die Frage der Realität, die wir der Vorstellung zu Grunde legen; unser eigenes Sein in praktischer Hinsicht ist diese Wahrheit, es ist das unmittelbar Bestimmte, wovon sich weiter kein Grund angeben lässt. Dieses unser eigenes Sin deuten wir durch ein Ding außer uns; dieses Ding außer uns ist seiner Wahrheit gemäß dargestellt, wenn es auf ein inneres Sein deutet. Aus einem Quantum Beschränktheit in mir folgt dieses oder jenes Quantum Beschränktheit außer mir.

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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 97










Das Losreißen ist nicht möglich ohne etwas, wovon gerissen wird.
ipernity

Das Ich soll gesetzt sein als das Anschauende, aber das Ich ist nur das Tätige und nichts anderes; sonach muss die Anschauung als Produkt der freien Tätigkeit gesetzt werden, und nur dadurch wird sie es. 

Aber Tätigkeit lässt sich nach den allgemeinen Gesetzen der Anschauung nur Setzen als ein Übergehen von Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. Ich soll mich tätig setzen heißt, ich soll meiner Tätigkeit zusehen; dies ist aber ein Übergehen vom Unbestimmten zum Bestimmten. Soll die Anschauung daher als frei gedacht werden, so muss sie auch in demselben Moment als gebunden gesetzt werden, et vice versa

Das Losreißen ist nicht möglich ohne etwas, wovon gerissen wird. Nur durch Gegensatz entsteht Bestimmtheit des Gesetzten.

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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 98










Freiheit des Ob, Gebundenheit des Wie.


Wie kann nun Freiheit und Beschränktheit der idealen Tätigkeit beisammen sein? So: Wird auf die Bestimmt- heit des praktischen (realen) Ich [=X] reflektiert, so muss auch Y notwendig so gesetzt werden, also nur die Synthesis ist notwendig; oder soll die Vorstellung wahr sein, so muss ich den Gegenstand so vorstellen, ob aber diese Synthesis vorgenommen werde, dies hängt von der Freiheit des Vorstellenden ab, welches [sic] insofern keinem Zwange unterworfen ist.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 98








Real und ideal, kurzgefasst.


Real ist, was Gegenstand der Reflexion wurde, ideal ist das Reflektieren selbst. Reflektiert wird auf eine Tätigkeit der Einbildungskraft, sofern sie auf eine Begrenzung stößt (Handlung wird). Ihre erste Begrenzung findet die Einbildungskraft im Fühlen, in der Reflexion darauf entsteht Anschauung. Da die Einbildungskraft selber unendlich ist, wird sie immer nur 'zu einem Teil', 'in einer Hinsicht' begrenzt, zum andern Teil, in anderer Hinsicht geht sie über die Begrenzung hinaus. 

Zum Reflektieren muss sie sich aus Freiheit selbst bestimmen, und auch darüber geht sie 'zu einem Teil' hinaus. Es kann daher unendlich reflektiert werden, und was auf einer gegebenen Reflexions- bzw. Abstraktionsstufe (Standpunkt oder Gesichtspunkt bei Fichte) ideale Tätigkeit war, wird auf der nächsthöheren Stufe zur realen: nämlich selber Gegenstand der Reflexion.









Die Begriffe Reales und Ideales gelten nur relativ.


Die Begriffe Reales und Ideales gelten nur relativ, in den Zwischenräumen liegen Mittelglieder, die ideal und real sind, je nachdem man sie vorwärts oder rückwärts bezieht.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 200






 

In der Vereinigung wird es getrennt und in der Trennung vereinigt...



Das Ich ist nichts aus einem Mannigfaltigen der Vorstellungen Zusammengestoppeltes. Aber doch von einer Seite ist es wahr, der Fehler dieser Behauptung liegt lediglich in der Einseitigkeit. Denn das ideale und realeDenken wird im synthetischen vereinigt, also muss es doch ein solches verschiedenes Denken geben (darauf stützt sich jene Behauptung), aber beides ist einerlei Denken. 

Dieser scheinbare Widerspruch führt uns zu dem wichtigen Resultat: Beides, das verschiedene und vereinigende Denken sind selbst eins und voneinander unzertrennlich, das verschiedene [Denken] wird durchs synthetische [Denken] nicht bloß vereinigt, sondern erst getrennt, ohne vereinigt werden zu können. 

Aber wie soll es getrennt sein? Zweierlei Denken an sich kanns nicht geben! In der Vereinigung wird es getrennt und in der Trennung vereinigt, beides ist nicht zu trennen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 184 


Nota. - Hegel meinte abfällig, die Wissenschaftslehre sei 'nichts als Reflexionsphilosphie'. Doch nur durch die Doppeltheit unseres Vorstellens, das einerseits Bilder setzt und in der Anschauung zugleich darauf reflektiert, ist eine dialektische Darstellung der Bewusstseinstätigkeit überhaupt nötig; und möglich.
JE





Was heißt denn 'wirklich', was heißt Realität?

The Truman Show

Verhältnis dieses Systems zur Erfahrung. 

In der Erfahrung, welche durch dieses System deduziert werden soll, findet man die Objekte und ihre Beschaffenheiten; in dem System selbst die Handlungen des Vernunftwesens und die Weisen desselben, inwiefern Objekte durch sie hervorgebracht werden, denn der Idealismus zeigt, dass alle andre Art, zu den Objekten zu kommen, keinen Sinn habe.

Der Philosoph fragt, wie entstehen Vorstellungen von den Dingen, die außer uns sein sollen? Dann die Vorstellungen von Pflicht, Gott und Unsterblichkeit. Diese Frage heißt soviel: Wie kommen wir zu den Objekten, die diesen Vorstellungen entsprechen? Man könnte die notwendigen Vorstellungen objektive Vorstellungen nennen, weil sie auf ein Objekt bezogen werden. –

Dies gilt auch von den Vorstellungen der Pflicht, Gottheit und Unsterblichkeit. Man kann daher fragen: Woher das Objekt für uns? Die Philosophie enthielte sonach ein System solcher Handlungen, wodurch Objekte für uns zu Stande kommen. Aber gibt es denn nun wirklich solche Handlungen, wie im Idealismus vorgetragen werden? Hat das darin Vorgetragene Realität, oder ist es nur von der Philosophie erdichtet?

Zuvörderst, der Idealismus stellt auf eine Reihe von ursprünglichen Handlungen. Dass es eine Reihe gibt, wird nicht behauptet, dies wäre gegen das System, denn darin heißt es: Das Erste kann nicht sein ohne eine Zweites usw. Die Handlungen kommen also nicht einzeln vor, da ja die eine nicht ohne die andere sein soll.

Mit einem Schlage bin ich und //23// ist die Welt für mich. Aber im System müssen wir, was eigentlich nur eins ist, als eine Reihe von Handlungen betrachten, weil wir nur Teile, und zwar bestimmte, auffassen können. Wenn das Vernunftwesen nach gewissen Gesetzen in der Erfahrung verfährt und so verfahren muss, so muss es auch im Gebiete der Philosophie verfahren. Ein Gedanke muss an den andren angeknüpft werden.

Dann muss man den, der so fragt, bitten zu bedenken, was er denn eigentlich frage. Was heißt denn wirklich, was heißt Realität? Nach dem Idealismus: das, was notwendig im Bewusstsein vorkommt. Kommen denn diese Handlungen vor, wo und wie? Auf dem Gebiete der Erfahrung nicht, kämen sie da vor, so wären sie selbst Erfahrung und gehörten nicht in die Philosophie, welche den Grund der Erfahrung angeben soll. Also eine solche Wirklichkeit wie die der Erfahrung haben diese Handlungen nicht, auch kann man nicht sagen, diese Handlungen geschähen in der Zeit, weil die Erscheinungen nur [=nur die Erscheinungen] Realität in der Zeit haben.

Herr Prof. Beck, der die Kritik der reinen Vernunft gefasst [=richtig aufgefasst] hat, will nicht über die Erfahrung hinausgehen. Dadurch wird alle, auch seine, Philosophie abgeschnitten. Auch ist es nicht Kants Meinung, denn [d]er fragt, wie ist Erfahrung möglich. Er erhebt sich also über sie.

Aber das, was nicht im Gebiete der Erfahrung liegt, hat keine Wirklichkeit im eigentlichen Sinn, es darf nicht in Raum und Zeit betrachtet werden, es muss betrachtet werden als etwas notwendig Denkbares, als etwas Ideales. Z. B. das reine Ich ist in diesem Sinn nichts Wirkliches; das Ich, das in der Erfahrung vorkommt, ist die Person. Wenn jemand das reine Ich als philosophischen Begriff darum tadelt, weil es nicht in der Erfahrung vorkommt, so weiß er nicht, was er will.

Wer sich zur Philosophie erhebt, für den haben diese Handlungen Realität, nämlich die des notwendigen Denkens, und für dieses ist Realität [sic]. Diese Realität hat auch die Erfahrung. So gewiss wir sind und leben, so gewiss muss die Erfahrung sein, und so gewiss wir philosophieren, so gewiss müssen wir //24// diese Handlungen denken. Im Bewusstsein des Philosophen kommt etwas vor, was im gemeinen Menschenverstand als solchen [sic] nicht vorkommt, das Bewusstsein des Philosophen erweitert sich, und dadurch wird es ein vollständiges, vollendetes. Sein Denken erstreckt sich so weit, wie es nur gehen kann. 

Über die Erfahrung hinaus kann gefragt werden, und dies geschieht; aber über die Philosophie kann mit Vernunft nicht hinaus gefragt werden; z. B. was der Grund der Beschränktheit an sich sei, dies widerspricht sich selbst und wäre eine Absurdität. Es wäre eine Anwendung der Vernunft, die von aller Vernunft abstrahiert wäre.

Das Fortschreiten von Realität zu Realität, von einer Stufe des Bewusstseins zur anderen, ist der Gang des natürlichen Menschen, und wir können da drei Stufen annehmen:

1) Er verknüpft die Objekte der Erfahrung nach Gesetzen, aber ohne dessen sich bewusst zu sein. - Jedes Kind, jeder Wilde sucht zu dem Zufälligen einen Grund, urteilt also nach den Gesetzen der Kausalität, ist sich aber dessen nicht bewusst.

2) Der, der über sich reflektiert, bemerkt, dass er nach diesen Gesetzen verfährt; dem entsteht ein Bewusstsein dieser Begriffe. In dieser zweiten Region kann es wohl kommen, dass man die Resultate dieser Begriffe für Eigenschaften der Dinge hält; dass man sagt, die Dinge an sich sind in Raum und Zeit. 

3) Der Idealist bemerkt, dass die ganze Erfahrung nichts sei als ein Handeln des Vernunftwesens.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 22ff.


Nota. - Was wirklich ist, kommt in meinem Bewusstsein vor; das nenne ich Erfahrung, und was gar nicht in mein Bewusstsein tritt, ist für mich nicht wirklich. Das ist nach dem Bisherigen klar. Aber nicht alles, was in mein Bewusstsein tritt, ist darum schon wirklich, es könnte auch lediglich Erdachtes darunter sein. Es ist auch lediglich Erdachtes darunter; nämlich solches, was ich notwendig denken muss - notwendig unter der Bedingung,dass ich denke, weil ich denken will

Wenn die Intelligenz handeln will, kann sie es nur auf bestimmte Weise tun - 'notwendig', nach 'Gesetzen'. Die 'Weise' tritt nun zwar selber nicht ins Bewusstsein, doch da sie die Erfahrung erst möglich macht, ist sie so 'wirklich' wie sie.

Und dann gibt es nur-Gedachtes, das in meinem Bewusstsein vorkommt, das ich aber notwendig denken musste - Ursache und Wirkung, Möglichkeit und Notwendigkeit, aber auch Raum und Zeit... Sie sind zwar bloß Hand-lungen meiner Intelligenz, aber ich stelle sie vor, als ob sie aus meiner Erfahrung stammten; weil sie auf ihnen beruht.

(Und wenn er mir zeigen könnte, dass Gott und Unsterblichkeit zu den notwendigen Handlungen meiner Intelligenz gehören, würde ich auch daran glauben; ich meine: dann täte ich es längst.)
JE

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