Montag, 27. Juni 2016

Der Wechsel vom praktischen Gesichtspunkt zum idealen verlangt Übung.



Den Gesichtspunkt des Individuums kann man den gemeinen nennen, oder den der Erfahrung. Wird er genetisch angesehen a priori, wenn man auf ihn kommt, so findet sich, dass man durch das Handeln auf ihn komme, er heißt daher der praktische. Alle philosophische Spekulation ist nur möglich, in wie fern abstrahiert wird (im Handeln findet keine Abstraktion statt), und heißt darum der ideale Gesichtspunkt. Der praktische Gesichts-punkt steht unter dem idealen.

Wenn der Philosoph auf dem praktischen Gesichtspunkt steht, so handelt er wie jedes andere Vernunftwesen, und wird nicht durch Zweifel gestört, weil er weiß, wie er auf diesen Standpunkt kommt. Die Spekulation kann nur den stören, der erst angefangen hat zu spekulieren, aber noch nicht im Reinen ist; dem kritischen Philoso-phen kann so etwas nicht einfallen, weil die Resultate der Erfahrung und der Spekulation immer zusammentref-fen.

Es gehört aber Festigkeit dazu, sich von dem einen Gesichtspunkt auf den andern zu setzen; hierin fehlt oft der Anfänger, der durch realistische Zweifel in der Spekulation gestört wird, der wird auch im Handeln durch idea-listische gestört. 


[Ende der II. Einleitung]
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 25



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