Donnerstag, 28. Februar 2019

Recht stammt nicht aus der Moral.


Der deduzierte Satz hat mit dem Sittengesetz nichts zu tun, ist ohne dasselbe deduziert, und schon darin liegt, da nicht mehr als eine Deduktion desselben Begriffes möglich ist, der faktische Beweis, dass er nicht aus dem Sittengesetze zu deduzieren sei.Auch sind alle Versuche eine solchen Deduktion gänzlich misslungen. 

Der Begriff der Pflicht, der aus jenem Gesetze hervorgeht, ist dem des Rechtes in den meisten Merkmalen gera- dezu entgegengesetzt. Das Sittengesetz gebietet kategorisch, das Rechtsgesetz erlaubt nur, aber gebietet nie, dass man sein Recht ausübe. Ja, das Sittengesetetz verbietet sehr oft die Ausübungn eines Rechts, das dann doch nach dem Geständnis aller Welt darum nicht aufhört, ein Recht zu sein. Das Recht hatte er wohl, urteilt man dann, aber er hätte sich desselben hier nicht bedienen sollen.

Ist denn dann das Sittengesetz, ein und ebendasselbe Prinzip, nicht mit sich selbst uneins und gibt zugleich in dem selben Falle dasselbe Recht, das es zugleich in demselben Falle aufhebt? Es ist mir keine Ausrede bekannt, die diesem Einwurfe etwas scheinbares [sic] entgegengesetzt hätte.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S.
54



Nota. - Das ist der politische Kerngedanke der Wissenschaftslehre: Recht stammt aus der Vernunft und Ver- nunft stammt aus der Freiheit. Recht zieht die Grenze, innerhalb derer ein Jeder seine Freiheit ausüben kann; und diese Grenze ist die Stelle, wo die Freiheit der andern beginnt.

Moral dagegen gebietet positiv. Jedoch nie, wie sich finden wird, überhaupt und im Begriff, sondern stets spe- zifisch und konkret. Das einzige allgemeine Gesetz, das man ihr nachsagen kann, lautet: Tue jederzeit, was dir dein Gewissen gebietet. Und das ist ganz eigentlich Freiheit: niemandem verantwortlich sein, als dem eigenen forum internum.
JE






Nota.
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Mittwoch, 27. Februar 2019

Recht und gemeiner Menschenverstand.


Es ist dargetan worden, dass ein gewisser Begriff, d. i. eine gewisse Modifikation des Denkens, eine gewisse Weise, die Dinge zu beurteilen, dem vernünftigen Wesenen als solchem notwendig sei. Nenne man diese Be- griffe vorläufig X. Wirken muss dieses X, wo nur Menschen beieinander leben und sich äußern und eine Be- nennung in ihrer Sprache haben, von selbst, ohne alles Zutun des Philosophen, der es erst mühsam deduziert. 

Ob nun dieses X gerade das sei, was der Sprachgebrauch das Recht nennt, ist eine Frage, über die der gemeine Menschenverstand, aber - wohl zu merken - nur der gemeine, sich selbst überlassene, keinesweges der durch die willkürlichen Erklärungen und Deutungen der Philosophen betäubte und irre gemachte Menschenverstand zu entscheiden hat. 

Vorläufig erklären wir mit unserem eigenen vollkommenen Rechte, dass der deduzierte Begriff X, dessen Reali- tät eben durch die Deduktion erwiesen ist, uns in dieser Untersuchung der Rechtsbegriff heißen solle, und kein möglicher anderer - / auf unsere eigene Verantwortung, ob wir alle die Fragen, welche der gemeine Menschen- verstand über das Recht erheben kann, aus ihm beantworten können oder nicht.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S.
53f.



Nota. - Ein Rechtsbegriff, der nicht zugleich der des gemeinen Menschenverstandes ist, kann in einer Gesellschaft freier Wesen nicht gelten. Es ist nichts anderes als die Frage, wie vernünftig ein gemeiner, nämlich ein herrschender Menschenverstand ist. Vernunft zur Herrschaft bringen ist allerdings kein theoretisches Problem, sondern ein praktisches. Soll es jedoch praktisch gelöst werden, müssen Leute es sich praktisch stellen. Dazu brauchen sie the- oretische Einsicht.
JE


Dienstag, 26. Februar 2019

Der Rechtsbegriff liegt im Wesen der Vernunft.


Es wird sonach zufolge der geleisteten Deduktion behauptet, dass der Rechtsbegriff im Wesen der Vernunft liege und dass kein endliches vernünftiges Wesen möglich sei, in welchem derselbe nicht - keinesweges zufolge der Erfahrung, des Unterrichts, willkürlicher Anordnungen unter den Menschen u.s.f., sondern zufolge seiner vernünftigen Natur - vorkomme. 

Dass die Äußerung desselben im wirklichen Bewusstsein bedingt sei dadurch, dass ein Fall seiner Anwendung gegeben werde und dieser nicht etwa ursprünglich wie eine leere Form in der Seele liege und warte, dass die Erfahrung etwas hineinlege, wie einige Philosophen über die Begriffe a priori zu denken scheinen, versteht sich von selbst. Dass der Fall seiner Anwendung aber notwendig eintreten müsse, weil kein Mensch isoliert sein kann, ist gleichfalls erwiesen. 
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S.
53



Nota. - Die "Natur" des vernünftigen Wesens ist freilich, dass es einer Reihe vernünftiger Wesen angehört, weil nämlich "kein Mensch isoliert sein kann" - und außerhalb derer Vernunft nicht möglich ist. Nicht vom Begriff des vernünftigen Wesens ist hier die Rede, sondern von den wirklichen historischen bürgerlichen Subjekten.
JE


Montag, 25. Februar 2019

Das Rechtsverhältnis.



Die Schlussfolgerung hat sich schon ergeben. - Ich muss das freie Wesen außer mir in allen Fällen anerkennen als ein solches, d. h. meine Freiheit durch den Begriff der Möglichkeit seiner Freiheit beschränken.

Das deduzierte Verhältnis zwischen vernünftigen Wesen, das jedes seine Freiheit durch den Begriff der Mög- lichkeit der Freiheit des Anderen beschränkte unter der Bedingung, dass das erstere die seine gleichfalls durch die des anderen beschränke, heißt Rechtsverhältnis, und die jetzt aufgestellte Formel ist der Rechtssatz.

Dieses Verhältnis ist aus dem Begriffe des Individuums deduziert. Es ist sonach erwiesen, was zu erweisen war.

Ferner ist vorher der Begriff des Individuums erwiesen worden als Bedingung des Selbstbewusstseins; mithin ist der / Begriff des Rechts selbst Bedingung des Selbstbewussteins. Folglich ist dieser Begriff gehörig a priori, d. h. aus der reinen Form der Vernunft, aus dem Ich, deduziert.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S.
52f.   


Nota. - Es ist seinerzeit gespottet worden über Fichtes Deduziermanie. Anlass zum Spott wäre sie aber nur, wenn er Begriffe aus Begriffen deduzierte. Das wäre ein Papierverfahren ohne Gehalt. Hier aber zeigt er, dass die Vor- stellung einer rechtlichen Gesellschaftsverfassung nicht möglich ist ohne die Vorstellung von der gegenseitigen An- erkennung freier Wesen, und diese nicht möglich ist, ohne die Vorstellung des Rechtsverhältnisses; nicht ohne die Vorstellung, dass beide zusammengehören und nicht ohne die Vorstellung, dass diese Zusammengehörig- keit Vernunft ausmacht. Denn während Begriffe zwischen Buchdeckel passen, die nie geöffnet wurden, gibt es Vorstellungen nur als Bedingungen wirklichen Handelns. Im wirklichen Leben müssen sie gelten, anders gibt es sie nicht. 
JE




Nota.
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Sonntag, 24. Februar 2019

Bedingtheit der Konsequenz.


Nun aber ist meine Freiheit nur dadurch möglich, dass der andere innerhalb seiner Sphäre bleibe. Ich fordere sonach, so wie ich die erstere auf alle Zukunft fordere, auch seine Beschränkung, und da er frei sein soll, seine Beschränkung durch sich selbst auf alle Zukunft: und dies Alles unmittelbar, so wie ich mich als Individuum setze. 

Diese Anforderung an ihn ist in dem Setzen meiner als Individuum enthalten.

Er kann aber nur zufolge eines Begriffes von mir als einem freien Wesen sich beschränken. Doch fordere ich diese Beschränkung absolut, ich fordere von ihm sonach Konsequenz, d. h. dass alle seine künftigen Begriffe durch einen gewissen vorhergegangenen, [nämlich] die Erkenntnis von mir als einem vernünftigen Wesen, be- stimmt seien.

Nun aber kann er mich für ein vernünftiges Wesen anerkennen nur unter der Bedingung, dass ich ihn selbst als ein solches behandele zufolge dieses Begriffes von ihm. Ich lege mir also die gleiche Konsequenz auf, und sein Handeln ist bedingt durch das meinige. Wir stehen in Wechselwirkung der Konsequenz unseres Denkens und unseres Handelns mit sich selbst und gegenseitig unter einander.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 52



Nota. - Warum all dieser dialektische Aufwand, wo es doch nur um die Selbstverständlichkeit geht, dass Ver- nunft auf gedanklicher Konsquenz beruht? Eben weil es eine Selbstverständlichkeit ist. Dass darunter ein Pro- blem versteckt liegt, muss stets erst herausgearbeitet werden. Ein Vertrag beruht darauf, dass die abschließen- den Parteien sich an die Vertragsbedingungen halten. 'Das versteht sich von selbst'? Aber nur in einem gesell- schaftlichen Zusammenhang, in dem der eine den andern als seinesgleichen voraussetzt und sich beide als ein- ander verpflichtet ansehen: Um diese Voraussetzung dreht sich der ganze Text.
JE




Nota.
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Samstag, 23. Februar 2019

Deine Freiheit liegt in der Zukunft.

Carpeuax, La Marseillaise

Ich setze mich als Individuum im Gegensatze mit einem andern Individuum, indem ich mir eine Sphäre für meine Freiheit zuschreibe, von welcher ich den anderen -, und  dem anderen eine zuschreibe, von welcher ich mich ausschließe - es versteht sich, lediglich im Denken eines Faktums und zufolge dieses Faktums.

Ich habe mich also frei gesetzt; neben ihm und unbeschadet der Möglichkeit seiner Freiheit. Durch dieses Setzen meiner Freheit habe ich mich bestimmt; das Freisein macht meinen wesentlichen Charakter aus. 


Aber was heißt das: freisein? Offenbar, die gefassten Begriffe seiner Handlung ausführen können. Aber die Ausführung folgt immer dem Begriffe, und die Wahrnehmung des entworfenen Produkts der Wirksamkeit ist immer, in Beziehung auf die Entwerfung des Begriffes davon, zukünftig; und wenn sie den Charakter des We- sens ausmachen soll, für alle Zukunft des Individuums. Sie wird in / der Zukunft gesetzt, soweit das Individu- um selbst in ihr gesetzt wird.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 51f.
  
  



Nota. - Freiheit ist ein Sache der Zukunft nicht so, dass ich sie abwarten soll, sondern so, dass ich sie erst selber realisieren muss. Will sagen: Mit dem Entwefen des Zweckbegriffs fängt Freiheit allenfalls an. Sie verwirklicht sich immer erst in der Ausführung des Zwecks.
JE

Freitag, 22. Februar 2019

Das Setzen meiner ist ein Postulat an andere.

R. Doisneau

Vielleicht ist es nicht überflüssig, die in der Menge der Glieder zerstreute Schärfe des soeben geführten Bewei- ses unter einen einzigen Gesichtspunkt zu versammeln. - Der zu erweisende Satz war: So gewiss ich mich als Individuum setze, so gewiss mute ich allen mit bekannten vernünftigen Wesen in allen Fällen gegenseitigen Handelns an, mich selbst für ein vernünftiges Wesen anzuerkennen. Es soll sonach in einem gewissen Setzen meiner selbst ein Postulat an andere, und zwar ein auf alle möglichen Fälle seiner Anwendung sich erstrecken- des Postulat liegen und durch eine bloße Analyse darin sich auffinden lassen.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 51



Nota bene. - Die Rede ist hier offenkundig vom gesellschaftlichen Verkehr der vernünftigen Wesen miteinander, nämlich einem solchen, dem - wie im Tauschverhältnis - die Vorstellung von einer Gleichheit der Verkehren- den zu Grunde liegt, die sie zu möglichen Vertrags parteien bestimmt. Vernünftiges Handeln ist Vertragschlie- ßen. Das ist Fichtes elementare Bestimmung des Rechtsverhältnisses. Es ist zugleich, aber er bemerkt es nicht, die Unterscheidung zwischen einem öffentlichen Raum im Leben und einem privaten. Es ist ebenso die Unter- scheidung zwischen gemeinschaftlichen Verkehrsformen und der Gesellschaft in specie, der Verkehrs form im engeren Sinn.
JE

Donnerstag, 21. Februar 2019

Identität ist eine Tat-Sache.

Apoxyomenos

Was zwischen mir und C gilt, gilt zwischen mir und jedem vernünftigen Idividuum, mit welchem ich in Wechselwirkung komme. 

1) Nur gerade auf dieselbe Art und unter denselben Bedingungen kann jedes andere vernünftige Wesen mir gegeben werden, wie C mir gegeben wurde; denn nur unter diesen Bedingungen ist das Setzen eines vernünf- tigen Wesens außer mir möglich.

2) Das neue Individuum D ist ein anderes denn C, inwiefern seine freie Handlung ihren sinnlichen Prädikaten nach (denn in Absicht der Folgen aus der notwendig geschehenen Anerkenung meiner sind votwendig alle Handlungen aller freier Wesen gleich) nicht zu beziehen ist auf die / sinnlichen Prädikate der Handlungen anderer durch mich gesetzter Individuen.

Die Bedingung der Erkenntnis der Identität des Handelnden war die Möglichkeit der Verknüpfung der charak- teristischen Merkmale seiner gegenwärtigen Handlungen mit den vorhergegangenen. Wo diese nicht stattfindet, kann ich die Handlung auf keines der mir bekannten Vernunftwesen beziehen; da ich nun aber doch ein Vernunft- wesen setzen muss, so setze ich ein neues.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 50f.
  



Nota. - Ein drittes Individuum tritt hinzu, wie könnte es anders sein, durch eine Reihe freier Handlungen, die ich den mir bereits bekannten Vernunftwesen nicht zuschreiben kann, und zwar in ihrer sinnlichen Verkettung nicht zuschreiben kann. Ich muss die Kette freier Handlungen folglich einem weiteren Vernunftwesen zu- schreiben.

Das klingt banal, ist es aber nicht, jedenfalls nicht für den heutigen Leser. Identität ist nicht Ausdruck einer an-sich-seienden Substanz, die Respekt heischt, sondern das Resultat von freien Willensakten in der Sinnenwelt. Dass Absicht da war, ist Voraussetzung; es sind aber die effektiven Taten, die zählen.
JE

Mittwoch, 20. Februar 2019

Das Recht ist positiv.


Meine Behauptung in dem angegebenen Falle wird die sein: Seine Handlung X widerspreche seiner eigenen Voraussetzung, dass ich ein vernünftiges Wesen sei; er sei inkon-/sequent verfahren. Ich dagegen sei vor [dem Moment] X in der Regel gewesen, und sei zufolge seiner Inkonsquenz gleichfalls in der Regel, wenn ich ihn so behandle als ein bloßes Sinnenwesen. Ich stelle mich daher auf den höheren Gesichtspunkt zwischen uns bei- den, gehen aus meiner Individualität heraus, berufe mich auf ein Gesetz, das für uns beide gilt, und wende das- selbe an auf den gegebenen Fall. Ich setze mich daher als Richter, d. i. als seinen Oberen. Daher die Superiorität, die sich jeder zuschreibt, der Recht zu haben meint, über den, gegen welchen er Recht hat. -

Aber indem ich mich gegen ihn auf jenes gemeinschaftliche Gesetz berufe, lade ich ihn ein, mit mir zugleich zu richten, und fordere, dass er in diesem Falle mein Vertrauen gegen ihn selbst konsquent finden und billigen müs- se, durch die Denkgesetze gedrungen. Die Gemeinschaft des Bewusstseins dauert immer fort. Ich richte ihn nach dem Begriffe, den er meiner Aufforderung nach selbst haben muss. (Daher das Positive, das im Begriffe des Rechts liegt, wodurch wir dem andern eine Verbindlichkeit aufzulegen glauben, unserer Behandlung sich nicht zu widersetzen, sondern sie selbst gut zu heißen. Dieses Verbindende ist keineswegs das Sittengesetz, sondern das Denkgesetz, und es tritt hier ein eine praktische Gültigkeit des Syllogismus.) 
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 49f.
  



Nota. -  Was ist nun das Positive des Rechts? Es ist die Superiorität desjenigen, der im Recht ist, gegen den, der im Unrecht ist. Hier wird nicht verhandelt, sondern gerichtet. Ob 'alle gleich' sind, entscheidet sich an ihrem Handeln. Hieraus entsteht die einzige Ungleichheit, die rechtens ist - weil sie nämlich aus der Prämissse der Gleichheit er- wächst.
JE 

 


Nota.
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Dienstag, 19. Februar 2019

Nur zufällig und bedingt vernünftig.

bild.de

Gesetzt, er handelte so, dass seine Handlung zwar durch die sinnlichen Prädikate der vorhergehenden be- stimmt sei - und das ist schon zufolge des Naturmechanismus der Natur notwendig -, nicht aber durch die geschehene Anerkennung meiner als eines freien Wesens, d. i. er raubt mir durch sein Handeln die mir zukom- mende Freiheit und behandelt mich insoweit als Objekt: so bin ich immer genötigt, die Handlung ihm, dem gleichen Sinnenwesen C zuzuschreiben. (Es ist z. B. die gleiche Sprache, der gleiche Gang u.s.f.)

Nun ist der Begriff dieses Sinnenwesens C durch die Anerkennung und vielleicht durch eine Folge von Hand- lungen, die dadurch bestimmt sind, in meinem Bewusstsein vereinigt mit dem Begriffe der Vernünftigkeit, und was ich einmal vereinigt habe, kann ich nicht trennen. Aber jene Begriffe sind gesetzt als notwendig und wesent- lich vereinigt; ich habe Sinnlichkeit und Vernunft in Vereinigung als das Wesen von C gesetzt. Jetzt in der Hand- lung X muss ich sie notwendig trennen und kann ihm die Vernünftigkeit nur noch zufällig zuschreiben.

Meine Behandlung seiner als ein vernünftiges Wesen wird nun selbst auch zufällig und bedingt und findet nur für den Fall statt, dass er selbst mich so behandele.  Ich kann demnach mit vollkommener Konsequenz, die hier mein einziges Gesetz ist, ihn für diesen Fall behandeln als bloßes Sinnenwesen; so lange, bis beides, Sinnlichkeit und Vernünftigkeit in dem Begriffe von seiner Handlung wieder vereinigt ist.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 49



Nota. - Ich muss vorderhand davon ausgehen - und das heißt: danach handeln -, dass C ein vernünftiges Sinnen- wesen ist. Handelt er dieser Voraussetzung entgegen, indem er die Späre meiner Freiheit verletzt, so darf ich ihn in diesem Fall als bloßes Sinnenwesen behandeln; bleibt aber übrig, dass ich selbst als Vernunftwesen gesetzt bleibe und meine Grenze nicht überschreiten darf.

Zum Beispiel holt er aus, um mir eine Keule auf den Kopf zu schlagen. Diese Freiheit darf ich ihm verwehren. Doch wenn ich ihn zu Boden gestreckt habe, muss ich ihn am Leben lassen: Die Freiheit, ihn umzubringen, muss ich mir verwehren.

Mit andern Worten, ich muss zwar allezeit so handeln, nämlich positiv: "kategorisch", als ob der andere ein freies und vernünftiges Wesen sei; in meinem Bewusstsein bleibt es indes stets eine problematische Voraussetzung: Es muss sich in seinen Handlungen erweisen. Nämlich im jeweiligen Fall. 

Ob der Andere frei und vernünftig ist, kann ich nicht wissen; indes werde ich so handeln müssen, als ob, denn das ist die Bedingung, dass auch er so handeln kann, als ob er frei und vernünftig sei.
JE

Montag, 18. Februar 2019

Bürgerliche Dieselbigkeit.

dreamstime

Ich muss auf jene geschehene Anerkennung in jedem Verhältnisse, in das ich mit dem Individuum C komme, mich berufen und ihn nach derselben beurteilen.

1) Es ist vorausgesetzt, ich komme mit ihm, einem und demselben C, in mehrere Verhältnisse, Berührungspunkte, Fälle des gegenseitigen Behandelns. Ich muss daher die gegebenen Wirkungen auf ihn beziehen [und] an die schon als die seinigen berurteilten anknüpfen können.


2) Aber er ist, so wie er gesetzt ist, gesetzt als bestimmtes Sinnenwesen und Vernunftwesen zugleich; beide Merk-/male sind in ihm synthetisch vereinigt. Das erste zufolge der sinnlichen Prädikate seiner Einwirkung auf mich; das letztere lediglich zufolge der geschehenen Anerkennung meiner. Erst in der Vereinigung beider Prädi- kate ist er durch mich überhaupt gesetzt [und] mir erst ein Objekt der Erkenntnis geworden. Ich kann demnach auf ihn lediglich isofern eine Handlung beziehen, inwiefern sie teils mit den sinnlichen Prädikaten der vorherge- henden, teils mit der durch ihn geschehenen Anerkennung meiner zusammenhängt und durch sie bestimmt ist.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 48f.
 



Nota. - Das Thema ist die Identität des andern als Individuum. Wir befinden uns offenbar schon in einer bürger- lich verfassten Gesellschaft, das Individuum C ist nicht 'für mich' als Vertreter eines Standes, einer Zunft, einer organischen Gemeinde, sondern es ist für mich nur als Subjekt einer Reihe von Handlungen. Und zwar einer zufälligen Reihe: Der Charakter der bürgerlichen Gesellschaft ist Öffentlichkeit, dort kann jederzeit und bei jeder Gelegenheit ein Anderer an mich herantreten, dem ich nie zuvor begegnet bin und vielleicht nie wieder begeg- nen werde - doch vielleicht auch fortan alle Tage. Alles kann immer anders sein, doch er bliebe immer auch der- selbe. Seine Dieselbigkeit ist nicht gesetzt durch dasjenige (Gegebene), dem ich ihn zurechnen muss, sondern dasjenige (Getane), das ich ihm zurechne.
JE

Sonntag, 17. Februar 2019

Charakter der Vernünftigkeit ist Konsequenz.

 
Durch jeden meiner Begriffe wird der folgende in meinem Bewusstsein bestimmt. Durch den [hier] gegebenen Begriff ist eine Gemeinschaft bestimmt, und die weiteren Folgerungen hängen nich bloß von mir, sondern auch von dem ab, der mit mir dadurch in Gemeinschaft getreten ist. Nun ist der Begriff notwendig, und diese Not- wendigkeit nötigt uns beide, über ihn und seine notwendigen Folgen zu halten [sic]: Wir sind beide durch unsere Existenz aneinander gebunden und einander verbunden.

Es muss ein uns gemeinschaftliches und von uns gemeinschaftlich notwendig anzuerkennenedes Gesetz geben, nach welchem wir gegenseitig über die Folgerungen halten; und dieses Gesetz muss in demselben Charakter lie- gen, nach welchem wir eben jene Gemeinschaft eingegangen [sind]: dies aber ist der Charakter der Vernünftig- keit, und ihr Gesetz über die Folgerungen heißt Einstimmigkeit mit sich selbst oder Konsequenz, und wird wissen- schaftlich aufgestellt in der gemeinen Logik.

Die ganze beschriebene Vereinigung der Begriffe war nur möglich in und durch Handlungen. Die fortgesetzte Konsequenz ist daher auch nur in Handlungen: kann gefordert werden und wird nur gefordert in Handlungen. Die Handlungen gelten hier statt der Begriffe, und von Begriffen an sich, ohne Handlungen, ist nicht die Rede, weil von ihnen nicht die Rede sein kann.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 48



Nota. - Die so begründete Gemeinschaft ist ein Vertrag. Aus ihm kann man nur ganz oder gar nicht austreten. Wer nachträglich einzelne Artikel desselben leugnet und ipso facto die Konsequenz aufkündigt, gibt die 'Einstim- migkeit mit sich selbst' auf und ist nicht länger der Kontrahent, mit dem der Vertrag geschlossen worden war.

So wie ihm zuzumuten ist, sich an die getroffene Wechselbestimmung zu 'halten', ist ihm auch zuzumuten, sich an alle folgerichtig daraus ergebenden Schlüsse zu halten. 

Die formale Kodifizierung der vorausgesetzten und der noch zu ziehenden Schlüsse ist die Logik. Und sie ist nichts als das. Sie ist notwendig nur unter einer (beständigen) Voraussetzung: der wechselseitigen Anerkennung in der Reihe vernünftiger Wesen.
JE






Nota.
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Samstag, 16. Februar 2019

Individualität ist ein Wechselbegriff.


Der Begriff der Individualität ist aufgezeigtermaßen ein Wechselbegriff, d. i. ein solcher, der nur in Beziehung auf ein anderes Denken gedacht werden kann und durch dasselbe, und zwar durch das gleiche Denken der Form nach bedingt ist. Er ist jedem Vernunftwesen nur insofern möglich, inwiefern er als durch ein anderes vollendet gesetzt wird. Er ist demnach nie mein; sondern meinem eigenen Geständnis und dem Geständnis des Anderen nach mein und sein; /sein und mein; ein gemeinschaftlicher Begriff, in welchem zwei Bewusstsein vereinigt werden in Eines.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 47f.  



Nota. - Der 'Wechselbegriff' geistert immer wieder durch F.'s Texte; hier spezifiziert er einmal, was er damit meint.

Das wirkliche Denken geschieht nicht durch das logische Verknüpfen von Begriffen - das geschieht nur in der notwendig diskursiven Darstellung des Denkens. Wirklich heißt denken das Hervorbringen einer Vorstellung aus einer vorangegangenen Vorstellung. Anders als in den Begriffen kann in der einen Vorstellung nicht "im Grunde schon dasselbe enthalten" sein wie in der andern. Diese produktive Darstellung des Denkens nennt F. im Gegen- satz zur diskursiven, logischen Darstellung die genetische.

Die genetische Vostellungskette des Einen ist, obwohl sie formal einander Schritt für Schritt entsprechen, ma- terial ohne jeden Bezug auf die des Andern: Das Ich, als das sich A einem Nichtich entgegensetzt, ist materia- liter ein anderes als -, und hat nichts zu tun mit dem Ich, als das sich B einem Nichtich entgegengesetzt hat: Sie sind einander nicht einmal Nichtiche.

Im Wechselbegriff geschieht es nun, dass sich die beiden Vorstellungsketten schneiden und das Glied X mate- rialiter in beiden vorkommt; nämlich hier: die wirkliche, tätige und gegenseitige Anerkennung der Beiden, vor- gestellt im Begriff des freien Wesens. So und nicht anders wird ein Ich zum Individuum in der Reihe vernünf- tiger Wesen.
JE




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Freitag, 15. Februar 2019

Der reale Vereinigungspunkt ist ein Akt.


So gewiss ich ihn nun anerkenne, d. i. behandle, so gewiss ist er durch seine erst problematische Anerkennung gebunden oder verbunden, durch theoretische Konsequenz genötigt, mich kategorisch anzuerkennen, und zwar ge- meingültig, d. h. mich zu behandeln wie ein freies Wesen. 

Es geschieht hier eine Vereinigung Entgegengesetzter in Eins. Unter der gegenwärtigen Vorausssetzung liegt der Vereinigungspunkt in mir, in meinem Bewusstsein: und die Vereinigung ist bedingt dadurch, dass ich des Be- wusstsein fähig bin. - Er, an seinem Teil, erfüllt die Bedingung, unter der ich ihn anerkenne, und schreibt mir sie von meiner Seite vor. Ich tue von der meinigen die Bedingung hinzu - anerkenne ihn wirklich, und verbinde dadurch ihn, zufolge der durch ihn selbst aufgestellten Bedingung, mich kategorisch anzuerkennen: verbinde mich, zufolge der Anerkennung seiner, ihn gleichfalls so zu behandeln. 
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 47 



Nota. - Meine Anerkennung seiner war, wie seine Anerkennung meiner, erst problematisch: nämlich unter der Bedingung der Anerkennung durch den jeweils Anderen. Im Handeln wurde die Bedingung als gegeben gesetzt. Was im Begriff - im Bewusstsein - wie zwei gegenseitige Anerkennungen erscheint, erweist sich im Akt als eine.
JE





Nota.
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Donnerstag, 14. Februar 2019

Anerkennung ist eine Erfahrungstatsache - oder keine.


A.

1) Ich setze mich im Gegensatze von C als Individuum lediglich dadurch, dass ich mir ausschließend eine Sphä- re für meine freie Wahl zuschreibe, die ich ihm abspreche nach dem Begriffe der Individualität überhaupt. 

2) Ich setze mich als vernünftiges und freies Wesen im Gegensatze zu C lediglich dadurch, dass ich auch ihm Vernunft und Freiheit zuschreibe; mithin annehme, dass er in einer von der meinigen unterscheidenen Sphäre gleichfalls frei gewählt habe.

3) Ich nehme das alles aber nur demzufolge an, dass er meiner eigenen Annahme nach in seiner Wahl, in der Sphäre seiner Freiheit, auf meine freie Wahl Bedacht genommen [und] eine Sphäre für mich und meine Wahl offen gelassen [hat]; laut der vorhergehenden Beweise. (Erst demzufolge, dass ich ihn gesetzt [habe] als ein mich als vernünftiges Wesen Behandelndes, setze ich ihn überhaupt als vernünftiges Wesen. Von mir und meiner Be- handlung geht mein ganzes Urteil über ihn aus, wie es in einem Systeme, das das Ich zur Grundlage hat, nicht anders sein konnte. Aus dieser bestimmten Äußerung seiner Vernunft: und aus dieser allein schließe ich erst auf seine Vernünftigkeit überhaupt.)

4) Aber das Individuum C kann nicht auf die beschriebenen Weise auf mich gehandelt haben, ohne wenigstens problematisch mich anerkannt zu haben; und ich kann es nichtnals so handelnd setzen, ohne dies ( dass es mich wenigstens problematisch anerkenn) zu setzen.

5) Alles Problematische wird kategorisch, wenn die Bedingung hinzukommt. Es ist teils überhaupt kategorisch als / Satz; eine Bemerkung, die wichig ist und dennoch oft übergangen wird; die Verbindung zwischen zwei Sätzen wird kategorisch behauptet; wird die Bedingung gegeben, so ist notwendig das Bedingte anzunehmen. Die Bedingung war, dass ich den Anderen als vernünftiges Wesen (für ihn und mich gültig) anerkenne, d. i. dass ich ihn als ein solches behandelte - denn nur Handeln ist ein solches gemeingültiges Anerkennen. Dies nun muss ich notwen- dig, so gewiss ich mich als vernünftiges Individuum ihm entgegensetze - es versteht sich, inwiefern ich vernünf- tig, d. i. in meinen Erkenntnissen konsequent verfahre.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 46f.  



Nota. - Es geht bei der gegenseitigen Anerkennung keineswegs um die logische Einsicht in den Begriff des ver- nünftigen Wesens. Es geht um die Erfahrung, dass der Andere sich praktisch als ein solches gesetzt hat, als er mich als ein ebensolches behandelte. Zumindest problematisch: auf Probe. Und die Probe liegt nicht in der Re- flexion, sonden in der anschaulichen Erfahrung.
JE



Mittwoch, 13. Februar 2019

Allgemeine gegenseitige Anerkennung ist Bedingung des Bewusstseins der Individualität.

W. Homer
 
II. Aber ich muss allen vernünftigen Wesen außer mir in allen möglichen Fällen anmuten, mich für ein vernünftgiges Wesen anzuerkennen. /

Die Notwendigkeit dieser allgemeinen und durchgängigen Anmutung  muss dargetan werden als Bedingung der Möglichkeit des Selbstbewusstseins. Aber es ist kein Selbstbewusstsein ohne Selbstbewusstsein der Individuen, wie erwiesen worden. Es wäre jetzt nur noch zu erweisen, dass kein Bewusstsein der Individualität möglich sei ohne jene Anmutung, dass die letztere notwendig aus der ersteren folge: so wäre erwiesen, was erwiesen werden soll.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 45f.  



Nota. - Ein Verkehr vernünftiger Wesen miteinander ist nur als Rechtsverhältnis möglich und ein Rechtsver- hältnis ist nur möglich zwischen vernünftigen Wesen - darauf läuft alles hinaus. Indes hängt von der gegenseiti- gen Anerkennung auch das Bewusstsein der Individualität ab. Als Vernunftwesen, nämlich als ein frei Wollender, ist der Mensch eo ipso Individuum. Aber als Individuum ist er nicht eo ipso Vernunft-, sondern auch Sinnen- wesen. Er berührt nicht jederzeit und allenthalben die Wirkungssphäre eines andern Sinnenwesens und muss sich nicht allezeit vor ihm verantworten. Er hat eine Sphäre, in der er keiner Anerkennung bedarf.

Eine Trennung von öffentlichem und privatem Leben kommt bei Fichte noch nicht vor. Das muss Folgen für die Rechtsphilosophie haben, gewiss. Und es macht eine Scheidung von Recht und Moral nötig, wie Fichte sie postuliert; doch nicht radikal genug. Das muss Folgen für seine Sittenlehre haben.
JE