Mittwoch, 31. August 2016

Das Gefühl ist faktisch das erste Ursprüngliche.



5.) Was ist das nun für eine Bewusstsein, das mit dem Triebe ver-//68//knüpft werden soll? Mit dem Bewusst- sein, das wir bisher kennen, mit der Anschauung verhält es sich so: Wir erblicken in ihr Reales und Ideales getrennt; das erstere hat sein vom Idealen unabhängiges Sein, das letzte sieht nur zu. Bei dem Bewusstsein, von dem wir hier reden, kann dies der Fall nicht sein, es gibt hier kein reales Sein, es wird nicht gehandelt, sonach müsste hier Ideales und Reales zusammenfallen; das Ideale wäre hier sein eigner Gegenstand, kein unmittelba- res Bewusstsein, und dieses ist ein Gefühl. Man fühlt kein Objekt, das Objekt wird angeschaut.

Jedes Objekt, sogar ein Handeln, soll etwas sein, ohne dass ich mir desselben bewusst würde. Der transzenden-tale Philosoph erinnert freilich, dass etwas ohne Bewusstsein nicht sein könne, aber der gemeine Menschenver- stand sieht dies nicht so an. Man unterscheidet Handeln und Bewusstsein. Ein Gefühl ist aber gar nicht, ohne dass gefühlt werde, die Reflexion ist mit dem Gefühl notwendig und unzertrennlich verbunden. Das Gefühl ist ein bloßes Setzen der Bestimmtheit des Ich.

Wir haben nun ein mittelbares Bewusstsein eines unmittelbar Materialen, welches wir bedurften. Oben suchten wir das formale [Bewusstsein], wir kamen auf ein Subjekt-Objekt, auf ein sich-selbst-Setzen. In diesem Gefühle, wie sich weiter unten zeigen wird, kommen Ich und NichtIch zusammen vor, und zwar nicht lediglich zufolge der Selbstbestimmung, sondern in einem Gefühle.

Im Gefühle ist Tätigkeit und und Leiden vereinigt; in wiefern das erste vorkommt, hat es Beziehung auf das Ich; in wiefern aber das zweite vorkommt, auf ein NichtIch, aber im Ich wird es gefunden, das Gefühl ist faktisch das erste Ursprüngliche. - 

Man sieht hier schon, wie alles im Ich vorkommen kann und dass man nicht aus dem Ich herauszugehen braucht. Man brauche nur eine Mannigfaltigkeit von Gefühlen anzunehmen, und es würde sich leicht zeigen lassen, wie man die Vorstellungen von der Welt davon ableiten könnte.
________________________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 67f.




Nota. - Ich bin nicht sicher, dass ich das richtig verstehe: '...und dieses ist ein Gefühl'? - 

Zwar erscheint dem Transzendentalphilosophen das reale Objekt nur vermittelt: als Widerstand gegen die Tätigkeit des Ich; aber überhaupt erst so erscheint es dem Ich selber: "Man fühlt kein Objekt, das Objekt wird angeschaut." Das Unmittelbare für das Ich ist ein mehrfach Vermitteltes für den ('objektiven') Betrachter: die Anschauung einer Anschauung; der Widerstand ist mit der idealen Tätigkeit synthetisch vereinigt, und es ist diese Synthesis, die wiederum zum Objekt idealer Tätigkeit wird: Hier sind "Tätigkeit und Leiden vereinigt", "und dieses ist ein Gefühl". Was vorher ein Ideales war, wird hier zum Realen, Ich und NichtIch "kommen zusammen vor", das Ideale wird sich selbst zum Gegenstand.

Das erweist sich beim näheren Hinsehen alles als weniger schwierig, als es zunächst scheint. Wirklich verwir- rend ist aber dies: als Gefühl tritt dieses mehrfach Vermittelte in intime Nachbarschaft zu 'Rot, Blau, Süß und Sauer'. Das war es, was uns bislang als "unmittelbares Bewusstsein eines unmittelbar Materialen"* vorgestellt wurde: als die Grenze des Ich. Hier aber ist es eine ideale Tätigkeit, wie sie von der idealen Tätigkeit angeschaut wird.

An dieser Stelle muss ich mich wohl erinnern, dass in den Rückerinnerungen...** - aber sonst nirgends - von einem intellektuellen Gefühl die Rede war: "Es ist das unmittelbare Gefühl der Gewissheit und Notwendigkeit eines Denkens". Nur ein Denken, das von diesem Gefühl begleitet ist, kommt uns wahr vor. Insofern erscheint es allerdings als das 'faktisch erste Ursprüngliche', nämlich uns selbst. Aus der Sicht der Transzendentalphiloso- phie erscheint es aber als eine höchst verzwickte Angelegenheit. - Merkwürdig bleibt, dass F. seinen Sprachge- brauch an dieser Stelle nicht erläutert.

**) Die Rückerinnerungen stammen aus derselben Zeit wie die(se) WL nova methodo.


*) Das war ein Lesefehler (spät am Abend, als die Augen müde waren)! Es heißt vielmehr: "ein mittelbares Bewusstsein", und so muss es ja auch sein. Das klärt ein bisschen was auf. Aber an der Zweideutigkeit des 'Gefühls' ändert es nichts. 1. 9. 2016
JE





Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen