Dienstag, 13. September 2016

Im Selbstgefühl sind Gefühl und Anschauung synthetisch vereinigt.


Fr. Leighton, The Sluggard

5) Dass es so sein müsste, wie beschrieben worden ist, war aus der Beschreibung selbst hervorgegangen. Soll nämlich eine freie Handlung des Ich, praktische Tätigkeit, gesetzt werden, so muss Gefühl sein; das Gefühl hat aber keinen anderen Einfluss in die übrigen Operationen der Vernunft, wenn es nicht gesetzt wird. Aber es kann nicht gesetzt werden außer durch Gegensatz mit der Anschauung. Die Hauptfrage ist nun, wie beide in Gegensatz und in Beziehung gesetzt werden; in welchem Akte des Gemüts sie verglichen werden? (Das Gefühl sei - A, die Anschauung - B, nun muss es ein Drittes - C geben, in welchem Gefühl und Anschauung, A und B vereinigt sind.)

Mit der Anschauung ist selbst ein Gefühl unmittelbar verknüpft, die Beziehung der Anschauung auf mich. Das, wodurch sie meine Anschauung wird, ist selbst ein Gefühl. Warum, könnte man fragen, erscheinen mir meine Gedanken, Anschauungen etc. nicht als Bewegung eines Fremden außer mir? Diese Frage ist wichtig. (Die Kantische Synthesis der reinen Apperzeption erhebt sich dazu nicht.) 

Das Setzen meiner selbst liegt gewissen Dingen zu Grunde, ist mit ihnen vereinigt. Das Setzen meiner selbst bei der Anschauung ist ein Gefühl von mir selbst. Im Gefühl von mir selbst ist offenbar nicht anderes vor-handen, als auch ein Gefühl, ich fühle mich und fühle mich als beschränkt. Ich fühle //81// mich, und indem ich fühle, schaue ich nicht an und denke nicht, ich bin dann nur für mich in [dem] und durch das Gefühl.

Aus dieser Beschränktheit des Gefühls reiße ich mich los durch ideale Tätigkeit, aber das losreißende Ich ist das, was beschränkt ist. Auf die Weise, wie ich beschränkt bin für mich, muss ich auch das Losreißende sein für mich. Also das Selbstbewusstsein ist das C, in welchem beides aneinander gehalten wird. Nur durch das fort-dauernde Gefühl meiner selbst werden Gefühl und Anschauung synthetisch vereinigt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 80f.



Nota. - Das Selbstgefühl ist offenbar noch kein Selbstbewusstsein. Es wird weiterer Anschauung = idealer Tätigkeit bedürfen, um dahin zu kommen; aber es ist seine Bedingung. Das ist nicht psychologisch gemeint, etwa als Grundlage der Persönlichkeit. Sondern in transzendentalem Sinn ist Sinnlichkeit die genetische Vor-aussetzung der Vernunft.
JE




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