Freitag, 4. Dezember 2015

Ein dynamischer Umzug.

Dosso Dossi, Il trionfo di Bacco

Jene Tätigkeit der Reflexion als solche, durch welche die Intelligenz sich selbst setzt, wird, wenn sie angeschaut wird, angeschaut als eine sich bestimmende Agilität, und diese wird angeschaut als ein Übergehen aus dem Zu-stande der Ruhe und Unbestimmtheit, die jedoch bestimmbar ist, zu dem der Bestimmtheit. 

Diese Bestimmbarkeit erscheint hier als das Vermögen, Ich oder NichIch zu denken, und es werden sonach in dem Begriffe der erstern die beiden letztern Begriffe notwendig mitgedacht und einander gegenüber gesetzt. Beide Begriffe erscheinen sonach bei Erregung der selbsttätigen Reflexion als etwas unabhängig von derselben Vorhandenes, und der Charakter des NichtIch ist das Sein, eine Negation.

[Dieser Abschnitt trägt in der Nachschrift Krauses den Vermerk: Diktiert 1798]
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982,  S. 43


Nota. – 'Der erstere': die Bestimmbarkeit; 'die beiden letzteren': Ich und NichtIch. – Ruhe, Bestimmbarkeit, Agilität, Intelligenz, Erregung, Übergehen: Es sind, was Fichte im Vortrag als Begriffe verwendet, im Denken der Vortragenden doch Anschauungen; nicht feste Größen, sondern dynamische Bilder, die selber stets 'im Übergang' vorgestellt werden und die Spuren ihres vorigen Zustandes noch ebenso mit sich führen wie schon die Vorschau auf den nächsten. "Nur aus dem Zusammenhang" könne man seine Sätze verstehen, sagt Fichte immer und immer wieder. Als Begriffssystem lässt sich die Wissenschaftslehre schlechterdings nicht rekonstru-ieren, sie ist ja selber ein ständiges Übergehen, und mein Versuch einer Darstellung durch kommentierte 'Stel-len' ist sachlich nur ein kleines bisschen besser – aber immerhin didaktischer (zu allererst für mich selbst). Ich überlege jedoch, ob ich nicht mehr daraus machen kann.
JE



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