Dienstag, 14. Juni 2016
Der Dogmatismus ist transzendent, der Idealismus bleibt immanent.
§ 4.
Des Dogmatikers Voraussetzung ist ein bloßes Denken; eine Voraussetzung, die nicht zu rechtfertigen sein wird, weil sie ja nicht erklärt, was erklärt werden soll. Sobald ein andres System auftritt, das alles erklärt, kann sie nicht lange statt haben.
Der Idealist sagt: Denke dich und gib acht., wie du dich denkst; du wirst eine in sich zurückgehende Tätigkeit finden. Der Idealist legt etwas wirklich im Bewusstsein Vorkommendes zu Grunde, der Dogmatiker aber etwas außer allem Bewusstsein zu Denkendes.
Man könnte sagen: Alles, was der Idealist fordert, ist doch nur eine Vorstellung von meiner in mich zurück-gehenden Tätigkeit, aber doch keine zurückgehende Tätigkeit an sich außer der Vorstellung? Respondeo: Von weiter ist auch nichts [sic] Rede! als dass diese Vorstellung vorkomme, eine Unterscheidung zwischen einer in sich zurückgehenden Tätigkeit und einer Vorstellung von ihr wäre nichtig. Denn eine Tätigkeit des Vorstellens außer dem Vorstellen wäre ein Widerspruch. Alle tätige Substanz als Substanz soll abgehandelt werden, die Phi-losophie muss zeigen, woher das Substrat* komme, wo es statt findet; es ist nur die Rede von einem unmittel-baren Setzen des Ich, dieses ist eine Vorstellung.
//17// Das Prinzip des Idealisten kommt im Bewusstsein vor, darum heißt auch seine Philosophie immanent. Er findet sein Prinzip aber nicht von selbst in dem Bewusstsein, sondern zu folge eines freien Handelns. Wenn man den Gang des gewöhnliche Bewusstsein fortgeht, so liegt darin kein Begriff vom Ich, keine in sich zurück-gehende Tätigkeit. Aber man kann sein Ich denken, wenn man vom Philosophen dazu aufgefordert ist; man findet es dann durch ein freies Handeln, aber nicht als etwas Gegebenes.
Jede Philosophie setzt etwas voraus, erweist etwas nicht, und erklärt aus diesem alles andre, auch der Idealis-mus. Dieser setzt die erwähnte freie Tätigkeit voraus als Prinzip, aus welchem alles erklärt werden muss, das aber selbst nicht erklärt werden kann.
*) [hier: das Vorausgesetzte]
_________________________________________________________
Wissenschaftslehre nova methodo, II. Einleitung, Hamburg 1982, S. 16f.
Nota. - Unser Wissen findet in unserm Bewusstsein statt; beides sind Wechselbegriffe. In unserm Bewusstsein kommen nur Vorstellungen vor. Wenn unser Wissen nach seinen Voraussetzungen fragt, fragt es nach sich selbst. Transzendentalphilosophie kann aus diesem Rahmen nie hinaus, sie ist immanent.
JE
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen