Montag, 5. Oktober 2015

Noumen und Erscheinung sind eins, nur von verschiedenen Seiten angesehen.


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Ich erblicke mich als etwas Reelles versinnlicht, und die tiefste Versinnlichung ist mein Produkt; zu diesem liegt ein Bestimmbares außer mir, Materie, aber woher diese? Etwa von mir selbst? Wird mir also nicht einfallen. Ich habe es wohl auch selber gemacht? Nein, denn ich trage auf dasselbe die Selbstständigkeit notwendig über dadurch, dass ich es denke. Es wird ein Sein an und für sich, für sich bestehend. 

Darinne also liegt der Unterschied. Durch diesen beschriebenen Akt wird das Ding ein Noumen, i. e. etwas durch freies Denken Produziertes. Eben das absolute Denken ist ein sich Denken, und dies geht durch unser ganzes Bewusstsein hindurch, kommt bei aller Empirie vor und gibt allem durch die Einbildungskraft Produzierten inneres Festigen. Kant sagt: Wir legen der Erscheinung ein Substrat unter, und dieses ist ein Noumen, aber das hat zu mancherlei Missverständnis Anlass gegeben. Das Produkt der Einbildungskraft und das Produkt des reinen Denkens, die Erscheinung und das Erscheinende ist eins; nur die Philosophie unterscheidet, was im wirklichen Bewusstsein eins ist. 

Es liegt der Erscheinung ein Noumen zu Grunde; bestimmter so: Die ganze Welt ist Erscheinung und auch Noumen, sie ist Produkt meines ganzen Geistes, dieser ist reines Denken und Hinschauen, in dem wirklichen Bewusstsein handelt er als Ganzes. Beides, Noumen und Erscheinung, sind eins, nur von verschiedenen Seiten durch die notwendige Duplizität des Geistes angesehen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 222


Nota. - Nicht zu vergessen aber: diejenigen Noumena, die nicht erscheinen. Etwa das Ich im transzendentalen Gebrauch. Was uns erscheint, sind historische Personen. Das Ich wird ihnen als ihr Vermögen lediglich zuge-rechnet. Und erscheinen wird, ob sie ihr Vermögen in realem Handeln aktualisieren.
JE


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