Montag, 26. Dezember 2016

[Unsicherheit bei Kant.]



(Dieser Gedanke ist in der kritischen Philosophie nicht neu; es ist der Gedanke von Kants praktischem Postu- late "Ich soll, drum muss das, was ich soll, möglich sein". Dieser Gedanke ist mit dem Fichtischen: "Ich denke mein Sollen, und so gewiss ich es denke, denke ich mein Übergehen vom Bestimmbaren zur Bestimmtheit, ich muss also zum Sollen das Bestimmbare hinzudenken" einerlei. 

Aber wie aus dem Sollen das Können folgt, hat Kant nur analytisch gezeigt. Das Objekt der Philosophie ist aber ein synthetisches Denken; ich muss mich als sollend denken, aber so gewiss ich das muss, muss ich auch das Bestimmbare hinzudenken. Dies ist synthetisch. Dann ist der Umfang von Kants praktischen Postulaten zu enge, indem er ihn ihn bloß auf den Glauben an Gott und Unsterblichkeit beschränkt; es wird sich aber zeigen, dass das ganze Bewusstsein drinnen liegt.  

//147// Kant war beim Entwerfen der Kritik der reinen Vernunft nicht ganz im Reinen. Es ist darin nur von sinnlich objektivem Denken die Rede, und das Ich erscheint daselbst nicht für sich, sondern nur als Akzidenz; in der Kritik der Urteilskraft aber und  der praktischen Vernunft ist das Ich für sich aufgestellt.)
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 146
f. 



Nota. - 'Ich soll, also muss das, was ich soll, möglich sein' - wie das ohne spekulative Metaphysik behauptet werden kann, ist mir unverständlich. 'Ich kann, was ich soll, und wenn einer sagt, er kann nicht, dann will er nicht' - das ist plausibel. Aber mit der Möglichkeit dessen, was er soll, dem Erfolg, hat das nicht zu tun. 

Das musste einmal gesagt werden: In der Kritik der reinen Vernunft wird das Ich nie zum Thema. Es tritt immer nur an den Grenzen der Darlegung als Randbedingung auf, aber 'was es selbst ist', wird nicht erörtert. Was es 'ist', wird auch nicht zum Thema der andern Kritiken; aber was es leistet, und das kann dem Transzendetalphi- losophen genügen.
JE

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