Samstag, 7. Juli 2018

Das Ich findet sich als sich selbst vorausgesetzt.

schubalu, pixelio.de

Alles Bewusstsein ist begleitet von einem unmittelbaren Selbstbewusstsein, genannt intellektuelle Anschauung, und nur in Voraussetzung dessen denkt man. Das Bewusstsein aber ist Tätigkeit, und das Selbstbewusstsein ins- besondere in sich zurückgehende Tätigkeit der Intelligenz, oder reine Reflexion.

Alles zufolge angestellter Selbstbeobachtung. Diese reine Reflexion als Begriff angesehen wird gedacht durch ich. Ich setze mich sonach schlechthin durch mich selbst, und durch dieses Selbstsetzen ist alles andere Bewusstsein bedingt. S. 34
 

Jene Tätigkeit der Reflexion als solche, durch welche die Intelligenz sich selbst setzt, wird, wenn sie angeschaut wird, angeschaut als eine sich bestimmende Agilität, und diese wird angeschaut als ein Übergehen aus dem Zu- stande der Ruhe und Unbestimmtheit, die jedoch bestimmbar ist, zu dem der Bestimmtheit. Diese Bestimm- barkeit erscheint hier als das Vermögen, Ich oder NichtIch zu denken, und es werden sonach in dem Begriffe der ersten die beiden letzten Begriffe notwendig mitgedacht und einander gegenüber gesetzt. Beide Begriffe erscheinen sonach bei Erregung der selbsttätigen Reflexion als etwas unabhängig von derselben Vorhandenes, und der Charakter des NichIch ist das Sein, eine Negation. S. 43 

Aus der ursprünglichen Anschauung entstehen zwei Reihen, die subjektive oder das Beabsichtigte und das Ob- jektive oder das Gefundene; beide können nicht getrennt werden, weil sonst keine von beiden ist. Beide Ansich- ten desselben, subjektive und objektive, sind beisammen, heißt: Sie sind nicht nur in der Reflexion unzertrenn- lich, sondern sie sind auch als Objekte der Reflexion eins und dasselbe. Die Tätigkeit, die in sich zurückgeht, welche sich selbst bestimmt, ist keine andere als die bestimmbare, es ist dieselbe und unzertrennliche.

Das NichtIch ist also nichts anderes, als bloß eine andere Anschauung des Ich. Das Ich als Tätigkeit betrachtet gibt das Ich, das Ich in Ruhe betrachtet das NichtIch. Die Ansicht des Ich / als tätiges kann nicht stattfinden ohne die Ansicht des Ich als ruhenden, d. h. NichtIch. Daher kommts, dass der Dogmatiker, er das Ich nicht in Tätigkeit denkt, gar kein Ich hat. Sein Ich ist Accidens des NichtIch. Der Idealismus hat kein NichtIch, das Nicht- Ich ist ihm nur eine andre Ansicht des Ich. Im Dogmatismus ist das Ich eine besondre Art vom Dinge, im Idea- lismus das NichtIch eine besondre Weise – das Ich anzusehen. 42f.
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Wissenschaftslehre nova methodo, SS. 34; 43; 42f.  



Nota. - Phänomenal vorausgesetzt ist die Intelligenz - ohne weitere Bestimmung: Das Bestimmen soll in der Reflexion, im Sich-selbst-Setzen der Intelligenz ja erst beginnen. 'Die Intelligenz' ist ein X. Sich setzen=sich bestimmen geschieht, indem die noch-ruhende und eo ipso noch unbestimmte Intelligenz übergeht in den tätigen Zustand des sich-selbst-Bestimmens. Dieses Übergehen geschieht ohne Grund, Ursache oder andere Bedingungen: aus Freiheit.

Durch den primären Akt des sich-selbst-Bestimmens wird der vorangegangene Zustand der Unbestimmtheit als ein solcher erst gesetzt; retrospektiv, als dem primären Akt... vorher gesetzt!

Indes: Dies alles sind keine anschaulichen Fakten, sondern Begriffe, die überhaupt erst in der Reflexion auftau- chen; aber eben als Begriffe, die als solche ruhen - und vorgestellt werden als dem ursprünglichen Akt voraus- gesetzt. Indem die tätige Intelligenz sich durch den Begriff bestimmt, setzt sie sich als zuvor Untätige; indem sie subjektiv wird, wird sie sich zum Objekt. Zu einem Ich wird sie, indem sie sich zum Nichtich wird. Das Ich findet sich vor als sich selbst vorausgesetzt. Freilich nur, sofern es sich finden will, daran sei stets erinnert.

Als Nichtich findet sich das Ich vor als den ersten Gegenstand, das erste Objektive, das ihm begegnet. Das ist die Grundlage aller seiner Bekanntschaft mit der Welt. Aller Gegenstand ist seither eines, das ihm begegnet. Nur so wird ihm eine Welt und nur so ist er in der Welt. Das Ich, das sich findet als sich selbst vorausgesetzt, ist die Paradoxie, in der alle rationelle Dialektik gründet. Es spaltet sein agiles Vermögen in einen realen und einen idealen Anteil und legt den Grundstein für eine intelligible Welt.
JE



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