Montag, 15. Oktober 2018

Das NichtIch ist nur eine andere Ansicht des Ich.


Wir haben oben gesehen: Auf der Notwendigkeit des Entgegensetzens beruht der ganze Mechanismus des menschlichen Geistes; die Entgegengesetzten sind ein und dasselbe, nur angesehen von verschiedenen Seiten. Das Ich, welches in dem Beabsichtigten liegt, und das NichtIch, welches in dem Gegebenen liegt, sind ein und dasselbe. Es sind nur zwei unzertrennliche Ansichten darum, weil das Ich Subjekt-Objekt sein muss. Aus letz- tem Satze geht alles hervor.


Aus der ursprünglichen Anschauung entstehen zwei Reihen, die subjektive oder das Beabsichtigte und das Objektive oder das Gefundene; beide können nicht getrennt werden, weil sonst keine von beiden ist. Beide Ansichten desselben, subjektive und objektive, sind beisammen, heißt: Sie sind nicht nur in der Reflexion un- zertrennlich, sondern sie sind auch als Objekte der Reflexion eins und dasselbe. Die Tätigkeit, die in sich zu- rückgeht, welche sich selbst bestimmt, ist keine andere als die bestimmbare, es ist dieselbe und unzertrennliche.


Das NichtIch ist also nichts anderes, als bloß eine andere Ansicht des Ich. Das Ich als Tätigkeit betrachtet gibt das Ich, das Ich als Ruhe betrachtet das NichIch. Die Ansicht des Ich / als Tätiges kann nicht stattfinden ohne die Ansicht des Ich als [einem] Ruhenden, d. h. NichtIch. Daher kommts, dass der Dogmatismus, der das Ich nicht in Tätigkeit denkt, gar kein Ich hat. Sein Ich ist Akzidens des NichtIch. Der Idealismus hat kein NichtIch, das NichtIch ist ihm nur eine andere Ansicht des Ich. Im Dogmatismus ist das Ich eine besondere Art vom Dinge, im Idealismus das Nichtich eine besondre Weise – das Ich anzuschauen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982,  S. 42f.



Nota. - Gegeben ist das Unbestimmte, bestimmen ist beabsichtigen. Ohne Absicht würde ein Gegebenes gar nicht erst vorgefunden. Wie man es auch anfängt - 'im Grunde' muss eine ursprüngliche prädikative Qualität angenommen werden, ohne die nicht nur nichts als seiend gälte, sondern nicht einmal wäre. Von ihr geht alles aus, der Erkennbarkeit halber nennen wir sie Ich, denn sie ist die Subjektität, die allein Objekte setzt und prädi- ziert, uno actu, indem sie schlechterdings tätig ist. Sie setzt sich als Ich, indem sie ein Anderes sich entgegen setzt. Es ist immer nur die eine und selbe Tätigkeit; anschauen kann man sie von zwei Seiten.
JE


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