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Mittwoch, 22. August 2018

Das Gefühl der Gewissheit.


Wahrheit ist Gewißheit: und woher glauben die Philosophen der entgegengesetzten Schule zu wissen, was gewiß ist? Etwa durch die theoretische Einsicht, daß ihr Denken mit den logischen Gesetzen übereinstimmt? Aber wo- her wissen sie denn, daß sie sich in diesem Urteile über die Übereinstimmung nicht wieder irren? Etwa wieder durch theoretische Einsicht? Aber wie denn hier? – Kurz, da werden sie ins Unendliche getrieben, und ein Wis- sen ist schlechthin unmöglich. – Überdies, ist denn Gewißheit ein Objektives, oder ist es ein subjektiver Zustand? Und wie kann ich einen solchen wahrnehmen, außer durch das Gefühl? /

Es ist klar, daß dieses Gefühl nur mein Denken begleitet und nicht eintritt ohne dieses. – Daß das Gefühl eine Wahrheit geben solle, ist unmöglich und würde keinen Sinn haben. Es, dieses Gefühl der Gewißheit und Wahr- heit, begleitet nur ein gewisses Denken. 

Es ist klar, daß, wenn ein solches Denken die Bedingung der Vernünftigkeit selbst ist und das Gefühl der Gewiß- heit unabtrennlich einfaßt, alle Menschen über dieses Gefühl übereinkommen müssen und es jedem anzumuten ist, wenn es ihm auch nicht anzudemonstrieren wäre, welches in Absicht des Unmittelbaren überhaupt nirgends stattfindet. 

Es ist dieses Gefühl ein intellektuelles Gefühl.

Es ist dies der Grund aller Gewißheit, aller Realität, aller Objektivität.

Das Objekt ist ja nicht durch die sinnlichen Gefühle: denn auch diese sind nur Prädikate desselben, die schon ein Objekt, schon eine Erfassung dessen, was eigentlich nur subjective [sic] ist, voraussetzen. Es ist durch das Den- ken. – Drum ist dieses nicht ein bloßes Denken. Woher das in ihm entsprechende [sic]? Aus dem intellektuellen Gefühle.
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Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 146f.]  



Nota I. - Gewiss ist ein Denken, das sich seiner gewiss ist - das ist ja wohl eine Tautologie. Wie auch anders? Ausdrücklich sagt er: Wahrheit verbürgt es nicht. Es bezeugt lediglich die Wahrhaftigkeit dessen, der so oder so meint. Die Gründe für sein Someinen wird er verteidigen müsse gegen jeden andern aus der Reihe vernünftiger Wesen, dessen Gefühl der Gewissheit einer andern Meinung gilt. Und sie werden streiten. Dass sie sich einigen, setzt voraus, dass das Gefühl der Gewissheit des Einen schließlich derselben Meinung gilt wie das Gefühl der Gewissheit des Andern. Doch ob oder ob nicht, steht nirgends geschrieben. 

Wenn es über dem Gefühl meiner Wahrhaftigkeit, d. h. dem Gefühl der Übereinstimmung meines Denkens mit sich selbst, ein Gefühl für die Wahrheit geben sollte, wäre es das Gefühl der Übereinstimmung meines Meinens mit einem Sein-an-sich. Nicht nur ist die Idee eines Gefühls für ein Ansich Unfug; Unfug ist die Vorstellung von einem Ansich.

Mit andern Worten: Durch kein wie immer geartetes Gefühl wird Streit überflüssig. Die geprüften Gründe werden bestehen, die mangelhaften Gründe müssen weichen. Einer mag trotzig auf seiner widerlegten Meinung behar- ren, und wenn er reich nud stark ist, kommt er im Leben damit eine Weile durch. Doch auf die Dauer - und im Kreise der Gelehrten recht bald - werden die bewährten Gründe aufgehoben und die widerlegten verworfen. Es werden mit der Zeit Gesichtspunkte auftreten, die für eine Revision sprechen; dann beginnt derselbe Prozess aufs neue. Mehr Wahrheit gibt es nicht. Und wozu könnte sie gut sein.

Nota II. - Von einer Stimmungslage - "mir ist grad so" - ist natürlich nicht die Rede. Sondern von einer denkprak- tischen Erfahrung: 'Wie immer ich es anstelle - anders geht es nicht.' Wenn ich mich nicht selbst für beschränkt halten wollte - was ich nicht könnte, wenn ich es wäre -, müsste ich annehmen: Ein anderer kann es auch nicht. Wenn er mich eines bessern belehrt, bin ich betreten und sage erstmal ein Weile nichts.
JE




Nota - Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog.  
JE

Dienstag, 13. September 2016

Im Selbstgefühl sind Gefühl und Anschauung synthetisch vereinigt.


Fr. Leighton, The Sluggard

5) Dass es so sein müsste, wie beschrieben worden ist, war aus der Beschreibung selbst hervorgegangen. Soll nämlich eine freie Handlung des Ich, praktische Tätigkeit, gesetzt werden, so muss Gefühl sein; das Gefühl hat aber keinen anderen Einfluss in die übrigen Operationen der Vernunft, wenn es nicht gesetzt wird. Aber es kann nicht gesetzt werden außer durch Gegensatz mit der Anschauung. Die Hauptfrage ist nun, wie beide in Gegensatz und in Beziehung gesetzt werden; in welchem Akte des Gemüts sie verglichen werden? (Das Gefühl sei - A, die Anschauung - B, nun muss es ein Drittes - C geben, in welchem Gefühl und Anschauung, A und B vereinigt sind.)

Mit der Anschauung ist selbst ein Gefühl unmittelbar verknüpft, die Beziehung der Anschauung auf mich. Das, wodurch sie meine Anschauung wird, ist selbst ein Gefühl. Warum, könnte man fragen, erscheinen mir meine Gedanken, Anschauungen etc. nicht als Bewegung eines Fremden außer mir? Diese Frage ist wichtig. (Die Kantische Synthesis der reinen Apperzeption erhebt sich dazu nicht.) 

Das Setzen meiner selbst liegt gewissen Dingen zu Grunde, ist mit ihnen vereinigt. Das Setzen meiner selbst bei der Anschauung ist ein Gefühl von mir selbst. Im Gefühl von mir selbst ist offenbar nicht anderes vor-handen, als auch ein Gefühl, ich fühle mich und fühle mich als beschränkt. Ich fühle //81// mich, und indem ich fühle, schaue ich nicht an und denke nicht, ich bin dann nur für mich in [dem] und durch das Gefühl.

Aus dieser Beschränktheit des Gefühls reiße ich mich los durch ideale Tätigkeit, aber das losreißende Ich ist das, was beschränkt ist. Auf die Weise, wie ich beschränkt bin für mich, muss ich auch das Losreißende sein für mich. Also das Selbstbewusstsein ist das C, in welchem beides aneinander gehalten wird. Nur durch das fort-dauernde Gefühl meiner selbst werden Gefühl und Anschauung synthetisch vereinigt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 80f.



Nota. - Das Selbstgefühl ist offenbar noch kein Selbstbewusstsein. Es wird weiterer Anschauung = idealer Tätigkeit bedürfen, um dahin zu kommen; aber es ist seine Bedingung. Das ist nicht psychologisch gemeint, etwa als Grundlage der Persönlichkeit. Sondern in transzendentalem Sinn ist Sinnlichkeit die genetische Vor-aussetzung der Vernunft.
JE




Samstag, 19. April 2014

Ein intellektuelles Gefühl.


Sabine Nüsch, pixelio.de

Zuförderst über den Doppelsinn des Wortes Gefühl, der auch Herrn E. an meiner Meinung irrig gemacht. Das Gefühl ist entweder sinnlich und das des Bittern, Roten, Harten, Kalten usw., oder intellektuell. Herr E. und mit ihm alle Philosophen seiner Schule scheint die letztere Art gänzlich zu ignorieren, nicht zu beachten, daß auch eine solche Gattung angenommen werden müsse, um das Bewußtsein begreiflich zu machen.

Ich habe es hier mit dem ersten nicht zu tun, sondern mit dem letztern. Es ist das unmittelbare Gefühl der Gewißheit und Notwendigkeit eines Denkens. – Wahrheit ist Gewißheit: und woher glauben die Philosophen der entgegengesetzten Schule zu wissen, was gewiß ist? Etwa durch die theoretische Einsicht, daß ihr Denken mit den logischen Gesetzen übereinstimmt? Aber woher wissen sie denn, daß sie sich in diesem Urteile über die Übereinstimmung nicht wieder irren? Etwa wieder durch theoretische Einsicht? Aber wie denn hier? – Kurz, da werden sie ins Unendliche getrieben, und ein Wissen ist schlechthin unmöglich. – Überdies, ist denn Gewißheit ein Objektives, oder ist es ein subjektiver Zustand? Und wie kann ich einen solchen wahrnehmen, außer durch das Gefühl? 

/ Es ist klar, daß dieses Gefühl nur mein Denken begleitet und nicht eintritt ohne dieses. – Daß das Gefühl eine Wahrheit geben solle, ist unmöglich und würde keinen Sinn haben. Es, dieses Gefühl der Gewißheit und Wahrheit, begleitet nur ein gewisses Denken.

Es ist klar, daß, wenn ein solches Denken die Bedingung der Vernünftigkeit selbst ist und das Gefühl der Gewißheit unabtrennlich einfaßt, alle Menschen über dieses Gefühl übereinkommen müssen und es jedem anzumuten ist, wenn es ihm auch nicht anzudemonstrieren wäre, welches in Absicht des Unmittelbaren überhaupt nirgends stattfindet.
 

Es ist dieses Gefühl ein intellektuelles Gefühl.

Es ist dies der Grund aller Gewißheit, aller Realität, aller Objektivität.
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Rückerinnerungen, Antworten, Fragen, [S. 147f.]






Mittwoch, 31. August 2016

Das Gefühl ist faktisch das erste Ursprüngliche.



5.) Was ist das nun für eine Bewusstsein, das mit dem Triebe ver-//68//knüpft werden soll? Mit dem Bewusst- sein, das wir bisher kennen, mit der Anschauung verhält es sich so: Wir erblicken in ihr Reales und Ideales getrennt; das erstere hat sein vom Idealen unabhängiges Sein, das letzte sieht nur zu. Bei dem Bewusstsein, von dem wir hier reden, kann dies der Fall nicht sein, es gibt hier kein reales Sein, es wird nicht gehandelt, sonach müsste hier Ideales und Reales zusammenfallen; das Ideale wäre hier sein eigner Gegenstand, kein unmittelba- res Bewusstsein, und dieses ist ein Gefühl. Man fühlt kein Objekt, das Objekt wird angeschaut.

Jedes Objekt, sogar ein Handeln, soll etwas sein, ohne dass ich mir desselben bewusst würde. Der transzenden-tale Philosoph erinnert freilich, dass etwas ohne Bewusstsein nicht sein könne, aber der gemeine Menschenver- stand sieht dies nicht so an. Man unterscheidet Handeln und Bewusstsein. Ein Gefühl ist aber gar nicht, ohne dass gefühlt werde, die Reflexion ist mit dem Gefühl notwendig und unzertrennlich verbunden. Das Gefühl ist ein bloßes Setzen der Bestimmtheit des Ich.

Wir haben nun ein mittelbares Bewusstsein eines unmittelbar Materialen, welches wir bedurften. Oben suchten wir das formale [Bewusstsein], wir kamen auf ein Subjekt-Objekt, auf ein sich-selbst-Setzen. In diesem Gefühle, wie sich weiter unten zeigen wird, kommen Ich und NichtIch zusammen vor, und zwar nicht lediglich zufolge der Selbstbestimmung, sondern in einem Gefühle.

Im Gefühle ist Tätigkeit und und Leiden vereinigt; in wiefern das erste vorkommt, hat es Beziehung auf das Ich; in wiefern aber das zweite vorkommt, auf ein NichtIch, aber im Ich wird es gefunden, das Gefühl ist faktisch das erste Ursprüngliche. - 

Man sieht hier schon, wie alles im Ich vorkommen kann und dass man nicht aus dem Ich herauszugehen braucht. Man brauche nur eine Mannigfaltigkeit von Gefühlen anzunehmen, und es würde sich leicht zeigen lassen, wie man die Vorstellungen von der Welt davon ableiten könnte.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 67f.




Nota. - Ich bin nicht sicher, dass ich das richtig verstehe: '...und dieses ist ein Gefühl'? - 

Zwar erscheint dem Transzendentalphilosophen das reale Objekt nur vermittelt: als Widerstand gegen die Tätigkeit des Ich; aber überhaupt erst so erscheint es dem Ich selber: "Man fühlt kein Objekt, das Objekt wird angeschaut." Das Unmittelbare für das Ich ist ein mehrfach Vermitteltes für den ('objektiven') Betrachter: die Anschauung einer Anschauung; der Widerstand ist mit der idealen Tätigkeit synthetisch vereinigt, und es ist diese Synthesis, die wiederum zum Objekt idealer Tätigkeit wird: Hier sind "Tätigkeit und Leiden vereinigt", "und dieses ist ein Gefühl". Was vorher ein Ideales war, wird hier zum Realen, Ich und NichtIch "kommen zusammen vor", das Ideale wird sich selbst zum Gegenstand.

Das erweist sich beim näheren Hinsehen alles als weniger schwierig, als es zunächst scheint. Wirklich verwir- rend ist aber dies: als Gefühl tritt dieses mehrfach Vermittelte in intime Nachbarschaft zu 'Rot, Blau, Süß und Sauer'. Das war es, was uns bislang als "unmittelbares Bewusstsein eines unmittelbar Materialen"* vorgestellt wurde: als die Grenze des Ich. Hier aber ist es eine ideale Tätigkeit, wie sie von der idealen Tätigkeit angeschaut wird.

An dieser Stelle muss ich mich wohl erinnern, dass in den Rückerinnerungen...** - aber sonst nirgends - von einem intellektuellen Gefühl die Rede war: "Es ist das unmittelbare Gefühl der Gewissheit und Notwendigkeit eines Denkens". Nur ein Denken, das von diesem Gefühl begleitet ist, kommt uns wahr vor. Insofern erscheint es allerdings als das 'faktisch erste Ursprüngliche', nämlich uns selbst. Aus der Sicht der Transzendentalphiloso- phie erscheint es aber als eine höchst verzwickte Angelegenheit. - Merkwürdig bleibt, dass F. seinen Sprachge- brauch an dieser Stelle nicht erläutert.

**) Die Rückerinnerungen stammen aus derselben Zeit wie die(se) WL nova methodo.


*) Das war ein Lesefehler (spät am Abend, als die Augen müde waren)! Es heißt vielmehr: "ein mittelbares Bewusstsein", und so muss es ja auch sein. Das klärt ein bisschen was auf. Aber an der Zweideutigkeit des 'Gefühls' ändert es nichts. 1. 9. 2016
JE





Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Donnerstag, 26. Januar 2017

Keine Reflexion ohne Gefühl et vice versa.



 //165// Kant hat die Frage, wie unsere Wirksamkeit möglich sei, auch beantwortet: "Das Begehrungsvermögen ist das Vermögen, durch einen Begriff Ursache von einem Objekte zu werden." Er hat aber nicht gesagt, woher es kommt.

Dozent nimmt Begehren in einem andren Sinne und setzt es dem Wollen entgegen als das bloß ideale Denken des Wollens. Bei Kant aber ist das Begehrungsvermögen der genetische Begriff des Wollens und der Willkür.

4) Ich, das Reflektierende, beschreibe innerlich, was ich äußerlich nicht kann, und danach wird erst für mich eine Wahrnehmung. Wie erhalte ich nun diese Erkenntnis des Nichtkönnens? Dies weiß ich durch Gefühl. Aber woher kommt denn das Gefühl? Gefühl ist Affektion meiner selbst, aber nicht in der Zeit. Es sind nicht Dinge, die in diesem Momente so und in einem andern wieder anders einwirken; dies wäre transzendent. Das Gefühl oder das Gefühlsvermögen ist die unmittelbare Beziehung der Beschränktheit unseres Willens auf die Reflexion. 

Der Wille ist ursprünglich beschränkt, und dadurch wird er ein Wille. Diese Beschränktheit ist aber nicht für das Ich, und das Ich ist nicht für sich, das Ganze Idee [sic].  Jetzt aber tritt Reflexion ein, und zwar die absolut freie Reflecxion, diese strebt, auf den Willen in der Totalität in beiden oben angegebenen Richtungen zu reflektieren. Dies kann sie aber nur in der einen Rücksicht, im inneren Organ, beschreiben. Die Reflexion ist das in der Zeit Beschränkte, und die unmittelbare Äußerung dieser Beschränktheit ist das Gefühl.

Ich fühle, in wiefern ich empirisch bin. Das, was nur empirisch sein kann, ist das Reflexionsvermögen, das in der Zeit beschränkt ist. Das ursprünglich Beschränkte ist der Wille, folglich müsste die Reflexion auf den Willen beschränkt sein.

Keine Reflexion ohne Gefühl et vice versa, denn durch das Gefühl gibt das Ich der Beschränktheit Etwas hin.


Der Satz war schon oben da in einem anderen Sinne, im Verhältnis der Dependenz, hier im Verhältnis der Wechselwirkung.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 165
 



Nota. - Hier haben wir es endlich, das oben so schmerzlich vermisste "intellektuelle Gefühl"! Das heißt - wir haben das; was er meint. Einsichtig wird es mir jedenfals dadurch noch nicht. Zwar kann ich verstehen, dass meine Tätigkeit durch die Reflexion in die Zeit fällt und dadurch empirisch wird. Aber dass sich ipso facto daraus ein 'Gefühl' ergäbe, das mit hören, riechen, sehen und schmecken vergleichbar wäre oder gar mit dem Schmerz, wird mir dabei kein bisschen plausibler.


Nota II. - Ich glaube fast, unter 'Gefühl' versteht er bloß das Bemerken der Willensanstrengung in dem Moment, wo ich meine Aufmksamkeit auf etwas richte.  
JE



Freitag, 9. September 2016

Der Punkt, wo ideale und reale Tätigkeit sich trennen (=der Ursprung der Dialektik).



Unmittelbar ist das Gefühl Gegenstand der Anschauung nicht, auch kann das Gefühl nicht willkürlich erneuert werden, wie die Vorstellung eines Objekts erneuert werden kann: Ein Gefühl ist kein Ding, kein zu Konstruierendes, das beschrieben werden kann. Es ist ein Zustand; es ist kein Substanzielles, sondern ein Akzidens einer Substanz. Aber das Gefühl scheint mit dem Objekt ganz verknüpft zu sein, es kann nicht gefühlt werden, ohne es auf ein Objekt zu beziehen. Dies muss einen Grund haben, und wir werden den Zusammenhang zwischen Gefühl und Objekt aufsuchen.

3. Auf dem Punkt, auf welchem wir gestanden haben, bin ich beschränkt, d. h. es ist keine Anschauung meiner Tätigkeit möglich. Mit dieser Beschränkung ist nun Gefühl unmittelbar verknüpft. Was ist denn nun beschränkt? Ich bin bloß beschränkt, in wiefern ich gehe auf reale Tätigkeit, also bloß die reale Tätigkeit ist beschränkt, aber nicht die ideale. Sollte also noch etwas Weiteres folgen, so müsste es durch die ideale Tätigkeit geschehen.

Hier ist der Punkt, wo ideale und reale Tätigkeit sich trennen und wo eine nur beschrieben werden kann, indem man sie auf die andere bezieht, denn beide stehen im Wechsel. - Im Gefühle kommt das ganze unzerteilte Ich vor; sehen können wir das Ich nicht, aber fühlen.

Die ideale Tätigkeit kann sich weiter ausdehnen, wurde eben gesagt, dies heißt mit Freiheit und mit Selbsttätigkeit, welches der Charakter des Ich ist. So äußert sich die Tätigkeit des Ich im Gefühl nicht, denn das Gefühl soll erst durch die Beschränkung zum Gefühl geworden sein.

//79// Die Intelligenz geht auf etwas von ihr Unabhängiges; sie soll sich äußern; wie und aus welchem Grunde? Aus keinem, sie ist absoluten Tätigkeit des Ich, sie muss sich äußern, sobald die Bedingung ihrer Möglichkeit eintritt, und dies ist der Fall, wo die reale Tätigkeit gehemmt ist.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 78f.




Nota I. - Es kann nicht gefühlt werden, ohne das Gefühl auf ein Objekt zu beziehen. - Sehen können wir das Ich nicht, aber fühlen. Andersrum: Weil das Ich fühlen, müssen wir dieses Gefühl auf ein Objekt beziehen. Nur so und nicht anders wissen wir von unserm Ich.

Nota II. - Erst hier fällt es auf: In der bisherigen Darstellung war die Unterscheidung zwischen realer und idealer Tätigkeit nur als faktisch gegeben vorausgesetzt; hier erst wird gezeigt, wie es zu der Scheidung kommt. - Zur Terminologie noch dies: Intelligenz in specie ist die ideale Tätigkeit - sofern angeschaut und reflektiert wird; die reale Tätigkeit ist praktisch: tatsächlich einbildend. 
JE


Samstag, 24. September 2016

Das Gefühl ist das erste Objekt unsrer Reflexion; daraus ergibt sich viererlei.


Eberlein, Vom Skorpion gestochen

Wir haben als Grundzustand abgeleitet ein Gefühl, an welches alles übrige geknüpft wird. Das Gefühl ist das erste un-//87//mittelbare Objekt unsrer Reflexion. Das Ich fühlt sich, und zwar ganz. Aber das Ich ist, wie wir wissen, praktisch und ideal, welches beides jetzt erst geteilt wird vermittelst des Gefühls. Das Ich fühlt sich zuvörderst praktisch, dies ist eigentlich das unmittelbare Gefühl, in welchem Gefühl der Beschränktheit und des Strebens vereinigt ist. 

Aber das Ich fühlt sich ganz, also auch ideal und insofern anschauend, in welcher Anschauung nun abermals Beschränktheit und Streben vereinigt sein muss. Sonach finden sich da abermals vier Stücke: Gefühl der Be- schränktheit, Gefühl des Strebens, Anschauung des bestimmten Objekts, Anschauung des Ideals. Diese vier Stück sind notwendig vereinigt, eins kann ohne das andere nicht sein. 

In der Zukunft werden wir sehen, dass noch mehr hinzu kommen muss. 
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 86f.  



Nota. - Zuerst ist da ein Gefühl, und weil das Ich strebend ist, ist es zugleich ein Gefühl der Beschränktheit und eins der Freiheit. Erst durch das Gefühl teilt sich das Ich in eine 'reale', praktische Tätigkeit und eine ideale Tä- tigkeit: Anschauung. Die Anschauung der praktischen Tätigkeit wird zur Anschauung eines je bestimmten Ob- jekts, die Anschauung der idealen Tätigkeit (=der Anschauung) wird zur Anschauung der Idee, d. h. eines Su- chens.
JE




Donnerstag, 19. Juli 2018

Wahrheit ist Gewissheit.

polyneuropathie

Zuförderst über den Doppelsinn des Wortes Gefühl, der auch Herrn E. an meiner Meinung irrig gemacht. Das Gefühl ist entweder sinnlich und das des Bittern, Roten, Harten, Kalten usw., oder intellektuell. Herr E. und mit ihm alle Philosophen seiner Schule scheint die letztere Art gänzlich zu ignorieren, nicht zu beachten, daß auch eine solche Gattung angenommen werden müsse, um das Bewußtsein begreiflich zu machen.

Ich habe es hier mit dem ersten nicht zu tun, sondern mit dem letztern. Es ist das unmittelbare Gefühl der Ge- wißheit und Notwendigkeit eines Denkens. – Wahrheit ist Gewißheit: und woher glauben die Philosophen der entgegengesetzten Schule zu wissen, was gewiß ist? Etwa durch die theoretische Einsicht, daß ihr Denken mit den logischen Gesetzen übereinstimmt? Aber woher wissen sie denn, daß sie sich in diesem Urteile über die Übereinstimmung nicht wieder irren? Etwa wieder durch theoretische Einsicht? Aber wie denn hier? – Kurz, da werden sie ins Unendliche getrieben, und ein Wissen ist schlechthin unmöglich. – Überdies, ist denn Gewißheit ein Objektives, oder ist es ein subjektiver Zustand? Und wie kann ich einen solchen wahrnehmen, außer durch das Gefühl?
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Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 146]



Nota. - Das ist der wundeste Punkt der gesamten Wissenschaftslehrre. Sie will prüfen, mit welchem Recht wir annehmen, dass gewissen unserer Vorstellungen Wirklichkeit außerhalb unseres Bewusstseins zukommt. Es läuft hinaus auf die Frage: Was schafft Gewissheit? Die ganze Erzählung vom an-sich seienden Wollen, vom Ich, das sich selbst setzt, vom Nichtich und der Aufspaltunge der Einbildungskraft in ein reelles und ein ideelles Quan- tum und alles andere - führt uns zum allerletzten Schluss zu einem Gefühl der Gewissheit; so wie unterwegs in der Erzählung immer wieder der Denkzwang auftrat, der im ideellen Bereich denselben Dienst leisten soll wie das sinnliche Gefühl "des Bittern, Roten, Harten, Kalten usw." im reellen Bereich.

Es wird wohl so sein, dass wir alle, die wir uns für vernünftig halten, beim Denken immer wieder mal das Gefühl haben, "dass es anders nicht geht". Oder dass, wenn wir es 'anders' versuchen wollten, wir nur wissentlich eine Wahnvorstellung hervorbringen könnten, deren Falschheit wir vorab eingesehen haben. Aber davon könnten wir einander nur erzählen, mitteilen könnten wir das Gefühl nicht; geschweige denn, es überprüfen. Mit anderen Wor- ten, für unser Wissen ist nichts gewonnen. 

Hätte er sich also den ganzen deduktiven, rekonstruktiven Aufwand nicht sparen können und sagen: Was wahr ist, ist evident? 

Das wäre gerade nicht das Ergebnis der Wissenschaftslehre. Als wahr müssen wir annehmen, was auf dem Wege der Vernunft, den uns die Wissenschaftslehre beschreibt, zustande gekommen ist. Sie ist der Prüf stein. Was uns das sinnliche Gefühl verbürgt, kann in Raum und Zeit gemessen werden. Doch nicht, was uns der Denkzwang ok- troyiert. Das lässt sich nur im vernünftigen Verkehr selbst ermitteln, actu, nicht vorab theoretisch. Vernünftig sein heißt, den Denkzwang fühlen. Das Gefühl des Denkzwangs ist die Stimme der Vernunft.

Ist er nicht vielmehr das Ende der Rationalität? Aber nein. Das Mysterium des Denkzwangs wird auseinanderge- legt und einsehbar gemacht durch die - mythische, das ist wahr - Erzählung der Wissenschaftslehre. Die in ihr aufgezeigten Denkzwänge sind eingeschlossen in die beiden Termini der Erzählung. A quo: Bevor ein Ich sich setzen konnte, muss es sich - irgendwie irgendwo - vorgeschwebt haben. Zwar kann man dabei nichts denken, aber ohne es kann man schon gar nichts denken. Ad quem: Ein Ende ist nicht absehbar. Wessen Ende nicht absehbar ist, das ist unendlich. Das Unendliche ist nicht das Vollkommene. Es ist vielmehr der Weg der Vervollkomm- nung. Das ist die einzige Weise, auf die wir uns das Absolute denken können.
JE




Dienstag, 11. Oktober 2016

Es ist kein Gefühl, wenn nicht mit Freiheit darauf reflektiert wird.


wikipedia

Es ist auch gesprochen worden von einem Gefühle. Seine [des praktischen Ichs] Beschränktheit wird mit Freiheit gesetzt, es wird auf sie reflektiert. Diese Beschränktheit ist das Gefühl. Denn wenn ein Ich beschränkt wird, so entsteht ein Gefühl, sonach hängt das Gefühl selbst mit ab von der Freiheit; es ist kein Gefühl, wenn nicht mit Freiheit darauf reflektiert wird. Ich muss dem Gefühle mich hingeben, sonst fühle ich nicht. Aus dem Gefühle folgt freilich alles von selbst, aber dass nur ein Gefühl entstehe, dazu gehört, dass das Ich sich gleichsam dem Gefühle entgegnsetzen müsse, wenn ein Gefühl und ein Resultat desselben für das Ich vorhanden sein soll.

Die ideale Tätigkeit, die dem Ich zugeschrieben wird, die mit dem Bewusstsein der Freiheit gesetzt wird, ist ein Begriff; sonach ist das, was wir bisher bloß als Anschauung charakterisiert haben, ein Begriff, die Anschauung. Der Charakter des Begriffs von der Anschauung wäre der: dass in der Anschauung das Ich gesetzt werde als gebunden, im Begriff aber als frei. Daher die Anschauung an sich nichts, oder, wie Kant sagt, //100// blind ist, der Begriff aber leer an sich, wenn sich das Ich nicht beschränkt findet durch die Anschauung.
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Wissenschaftslehre nova methodo,
 Hamburg 1982, S. 99f.
 



Nota. - Dass kein Gefühl da ist, wenn ich nicht mit Freiheit darauf reflektiere, muss er aber noch ein wenig erläutern! Wenn ich unterließe, mit Freiheit darauf zu reflektieren, bräuchte ich bei der Blinddarmoperation keine Betäubung; ich muss mich dem Gefühl hingeben, sonst fühle ich nicht? Der Fakir muss auf etwas ganz anderes reflektieren - sich 'ihm hingeben'? - als das Gefühl, um sich eine Nadel durch die Zunge stechen zu können. 

Es hilft mal nichts: Wo von Gefühlen die Rede ist, kann ich mir etwas anderes als ein grob Sinnliches nicht vorstellen.
JE 




Dienstag, 15. November 2016

Der unteilbare Zustand des Ich ist zweierlei.



3. Diejeinige Vorstellung hat Realität, welche aus dem Gefühl notwendig erfolgte, wenn dies Kausalität hätte (nach dem Obigen). Nun soll hier eine Ortsbestimmung im Raume objektive Gültigkeit haben (sie soll so be- stimmt sein, weil ich so bestimmt bin), ich müsste sonach mich im Raume fühlen, aber der Raum wird nicht gefühlt, er ist Form der Anschauung; und doch soll es so sein. Demnach müsste beides vereinigt sein, //119// es müsste ein Drittes geben, welches zwischen beiden in der Mitte läge. 

So etwas kennen wir schon. In dem besondren Gefühle wird nach dem Obigen ein System der Sensibilität überhaupt vorausgesetzt, durch die Beziehung auf welches das besondre Gefühl erst ein besonderes wird. Das System ist das Bestimmbare zum Besondren, welches in dieser Rücksicht das Bestimmte ist. Aber ein solches Gefühl ist das Gefühl der Begrenztheit, und jenes System [ist] das System der Begrenzbarkeit. Begrenztheit ist aber nichts ohne das Streben, und das Gefühl der Begrenzbarkeit ist auch nichts ohne Gefühl des Strebens überhaupt. So etwas muss gesetzt werden, wenn ein objektives Vorstellen zustande kommen soll, alles dies aber ist nur fürs Gefühl. So gewiss Anschauung sein soll, muss Gefühl sein.

Das fühlende und das anschauende Ich ist eins und dasselbe, beide Zustände sind notwendig vereinigt. Aber in wiefern das Ich sich als anschauend setzt, setzt es sich ganz als anschauend, und wiefern es sich als fühlend setzt, setzt es sich ganz als fühlend. Der unteilbare Zustand des Ich ist zweierlei, und darum kommt er in dop- pelter Rücksicht vor. Fühlen des Fühlens und Anschauen des Anschauens sind vereinigt. Darauf kommt alles an. Der Vereinigungspunkt liegt im Wesen der Tätigkeit des Ich.
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Wissenschaftslehre nova methodo,
 Hamburg 1982, S. 118f.
 



Nota. - Da steht es ja: Der Zustand des Ich ist die Vereinigung von Gefühl und Anschauung; Anschauung ist Reflexion, und in der Reflexion ist es, dass ein Denkzwang 'gemerkt' wird. Der Versuch, den Denkzwang vorab noch einmal extra ins Gefühl einzugemeinden, war ganz überflüssig.
JE


Freitag, 27. Januar 2017

Wie kann das Gefühl sinnlich sein, wenn es aus der Reflexion stammt?



Wir haben jetzt das Gefühl selbst erklärt und abgeleitet, haben wieder das Gefühl postuliert als Bedingung des Bewusstseins. Es wäre ein unerklärliches Erstes, aber dadurch könnte ein Dogmatismus veranlasst werden, denn man könnte über diese Grenze noch denken, und dann würde man das Gefühl erklären //166// wollen durch Dinge, die das Gefühl affizieren sollen, und dadurch würde das Ich selbst Ding. 

§ 14.

Der reine Wille ist unmittelbares Objekt alles Bewusstseins und aller Reflexion (§ 13); aber die Reflexion ist diskursiv; er, der reine Wille, müsste sonach ein Mannigfaltiges sein. Dies ist er ursprünglich nicht, sondern wird es erst durch Beziehung auf seine Beschränktheit, wodurch er Wille wird, in der Reflexion selbst, welche absolut frei ist, und deren Freiheit und ganzes Wesen überhaupt in dieser Beziehung besteht, teils dass sie überhaupt geschehe, teils dass sie so oder anders geschehe. Diese Reflexion erscheint als ein Wollen, in wiefern sie selbst bloß gedacht, und als ein Tun, in wiefern sie angeschaut wird. Und sie ist der Grund alles empirischen Bewusstseins.

Im einzelnen Akte derselben erblickt das Vernunftwesen sich in doppelter Rücksicht, teils als beschränkt, teils als handelnd in der Beschreibung der Beschränkung; das erste äußerlich, das letzte innerlich, und dadurch schreibt es sich zu ein Organ überhaupt, und dieses als innerliches und äußerliches. Die Beziehung der Beschränktheit auf die Reflexion ist das Gefühl. Das Beschränkende ist nur für die ideale Tätigkeit im Denken der realen, und so ist die unmittelbare Vereinigung der Erkenntnis des Objekts mit dem Willen erklärt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 165f.
 



Nota. - Das ist wahr: Bisher erschien das Gefühl als ein "unerklärliches Erstes"; wahr ist aber auch, dass nichts mich daran hindert, nach seiner Ursache dennoch zu fragen: Die Unerklärlichkeit wäre bloße Behauptung, so dogmatisch wie die Rückführung des Gefühls auf  'Dinge', wodurch unter der Hand das fühlende Ich selber zu einem Ding unter anderen würde.

Löst die folgenden Zusammenfassung des § 14 diese Schwierigkeit auf? 

Die Aufgabe ist: Wenn das Gefühl etwas Wirkliches sein soll, muss es durch ein Wirkliches veranlasst sein: etwas, das in Raum und Zeit vorkommt; etwas, das wir gewöhnlich ein 'Ding' nennen; es soll aber nicht aus einer Wirkung des Dinges hervorgehen, sondern aus einer Tätigkeit des Ich; einer realen, auf welche die ideale reflektiert. Dann ist das Ich, das da real und ideal tätig war, die Substanz, das Ding bleibt Akzidens. Und das Gefühl ist erst 'es selbst' durch die ideale Tätigkeit = Reflexion. Der Vermittlungspunkt wäre die Vorstellung von einem Organ.

Ist es das, was man aus der Zusammenfassung von § 14 herauslesen kann? Oder müsste man es gewaltsam hineinlesen?
JE



 

Freitag, 12. Oktober 2018

Das Anfangskapitel der Wissenschaftslehre.


Der Inhalt der gesamten Wissenschaftslehre lässt sich kurz in folgenden Worten vortragen: 

Dass ich mir überhaupt etwas' bewusst werden kann, davon liegt der Grund in mir, nicht in den Dingen. Ich bin mir Etwas' bewusst; das einzige Unmittelbare, dessen ich mir bewusst bin, bin ich selbst; alles andre macht die Bedingungen meines Selbstbewusstseins aus. Vermittelst des Selbstbewusstseins mache ich mir die Welt bewusst. - 

Ich bin mir Objekt des Bewusstseins nur im Handeln. Wie ist die Erfahrung möglich? heißt: Wie kann ich mir meines Handelns bewusst werden? Auf die Beantwortung dieser Frage geht alles aus, und wenn sie beantwortet ist, so ist unser System geschlossen.   

Bis jetzt haben wir dies gefunden: Ich muss, wenn ich mich als handelnd setzen soll, mir irgend eines Zweckbe- griffs bewusst werden. Mit der Beantwortung der Frage: Wie ist ein Zweckbegriff möglich? beschäftigen wir uns noch. Bisher haben wir gesehen, wie ein Begriff überhaupt möglich sei. Eigentlich ist von allem, was wir bisher aufgestellt haben, nichts ganz möglich, bis wir zu Ende sind, denn wir haben noch immer Bedingungen der Möglichkeit aufzustellen. Die Möglichkeit des Einzelnen lässt sich nur aufzeigen, wenn die Möglichkeit des Ganzen dargetan ist. 

Die Möglichkeit des Begriffs wurde nur gezeigt unter ge-/wissen Voraussetzungen, die wir stillschweigend machen mussten und konnten.

Wir sind so verfahren: Ich bin ursprünglich praktisch beschränkt; daraus entsteht ein Gefühl; ich bin aber nicht bloß praktisch, sondern auch ideal. Die ideale Tätigkeit ist nicht beschränkt, folglich bleibt Anschauung übrig. Gefühl und Anschauung sind miteinander verknüpft. Im Gefühle muss eine Veränderung stattfinden, dies ist Bedingung des Bewusstseins. Ich bin in der Beschränktheit beschränkt, werde also auch in der Anschauung Y beschränkt. Aus jeder Beschränkung entsteht ein Gefühl, mithin müsste auch hier ein Gefühl entstehen, das Gefühl des Denkzwangs, und mit diesem [die] Anschauung meiner selbst. Eine Anschauung, in der das Anschau- ende selbst gesetzt wird, die auf das Anschauende bezogen wird, heißt ein Begriff vom Dinge, hier von Y.

Es war schon im vorigen Paragraphen die Frage nach dem Vereinigungsgrund des Begriffs mit dem Ich; oder: Wie komme ich dazu zu sagen: Alles ist mein Begriff? 

Das Ich war bisher ein Fühlendes, es müsste auch das Begreifende sein; der Begriff müsste mit dem Fühlen notwendig vereinigt sein, so dass eins ohne das andere kein Ganzes ausmachte. Im Selbstgefühl ist Gefühl und Begriff vereinigt. Ich bin gezwungen, die Dinge so anzusehen, wie ich sie ansehe; wie ich mich selbst fühle, so fühle ich diesen Zwang mit.

So ist bisher das Ich als das Begreifende selbst begriffen worden. Wir wollen jetzt weiter gehen: Ich kann mich als Ich nur setzen, in wiefern ich mich tätig setze. - Da das Gefühl nur Beschränkung sein soll, so kann ich mich als Ich nicht fühlen, wenn nicht noch eine andere Tätigkeit hinzukommt. Mithin lässt sich aus dem Gefühl al- lein das Bewusstsein nicht erklären, also müsste ich mich in dem Begriffe des Y setzen als tätig. Das Ideale gibt sich dem Gefühle hin; wie / dies zugehe, ist besonders Gegenstand unserer gegenwärtigen Untersuchung. 

Ich setze mich als Ich heißt: ich setze mich als tätig. Das Materiale der Tätigkeit (was dabei angeschaut wird) ist ein Übergehen von der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. (Das Formale ist die Selbstaffektion, das gehört nicht hie[r]her.) Das Ich soll hier im Begriffe tätig gesetzt werden, als von einer gewissen Unbestimmtheit zu einer gewissen Bestimmheit übergehend.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 101f.


Nota. - Nur weil der Mensch schlechterdings in der Welt, und weil er dort handelnd ist, fühlt er, denn in der Welt wird sein Handeln schlechthin beschränkt durch den Widerstand der Dinge, auf die es trifft. Er fühlt in der Be- schränkung seines Handelns den Gegenstand und sich selbst

Dieses Fühlen ist der Stoff allen Bewusstsein.

Aber es ist nicht das Bewusstsein. Dafür muss das Vorstellen des Gefühls hinzukommen: das Bestimmen dessen, was es (mir) bedeutet. Das setzt voraus, dass im Treffen auf den Widerstand mein Handeln noch nicht erschöpft war; es muss also ein Quantum Tätigkeit angenommen werden, das übriggeblieben ist und nun auf das Gefühl selber als seinen Gegenstand gewendet wird. 

Die als der Tätigkeit zugrundeliegend angenommene 'prädikative Qualität' muss also als Einbildungskraft aufge- fasst werden, sie selber unbegrenzt und daher quantifizierbar ist. Sie fasst die Bestimmtheit des aus der Tätigkeit re- sultierenden Gefühls in ein - ruhendes - Bild.

Die als Ruhe angeschaute Tätigkeit ist der Begriff.

JE






Nota - Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog.  JE

Samstag, 20. Juni 2015

Überschießende Einbildung.


Die Möglichkeit des Begriffs wurde nur gezeigt unter ge/wissen Voraussetzungen, die wir stillschweigend machen mussten und konnten.

Wir sind so verfahren: Ich bin ursprünglich praktisch beschränkt; daraus entsteht ein Gefühl; ich bin aber nicht bloß praktisch, sondern auch ideal. Die ideale Tätigkeit ist nicht beschränkt, folglich bleibt Anschauung übrig. Gefühl und Anschauung sind miteinander verknüpft. Im Gefühl muss eine Veränderung stattfinden, das ist die Bedingung des Bewusstseins. Ich bin in der Beschränktheit beschränkt,* werde also auch in der Anschauung Y beschränkt; aus jeder Beschränktheit entsteht ein Gefühl, also müsste auch hier ein Gefühl entstehen, das Gefühl eines Denkzwangs, und mit diesem Anschauung meiner selbst. Eine Anschauung, in der das Anschauende selbst gesetzt wird, die auf das Anschauende bezogen wird, heißt ein Begriff vom Ding, hier von Y.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 101f.

*) [indem die an sich unbeschränkte ideale Tätigkeit auf die Beschränktheit der realen Tätigkeit notwendig reflektiert. JE]


Nota. - Im Gefühl, nämlich wenn sie auf Sinnliches stößt, ist die Einbildungskraft beschränkt; sie muss sich an das halten, was sie vorfindet. In der Reflexion - Anschauung ist die allererste Reflexionsstufe - ist die Einbil- dungskraft nicht beschränkt, sie kann über das Angetroffene hinausgehen. Es entsteht ein Überschuss.

Was nun hat es mit dem 'Denkzwang' auf sich? Wo die Anschauung an die Stelle stößt, die der realen Tätigkeit ein Gefühl mitteilt - also an den Gegenstand Y -, da entsteht auch ihr ein Gefühl ("Selbstaffektion"), nämlich ein Denkzwang, sie muss sich den Gegenstand so vorstellen und nicht anders; aber sie muss dort nicht stehenbleiben und schießt darüber hinaus.

Die so sehr abstrakte Diktion Fichtes ist, wenn man es ernstlich ausprobiert, bildhafter und 'anschaulicher', als ihr nachgesagt wird
JE