Samstag, 2. März 2019
Recht schulde ich anderen, Moral schulde ich mir.
Der Rechtsbegriff ist der Begriff eines Verhältnisses zwischen Vernunftwesen. Er findet daher nur unter der Bedingung statt, dass solche Wesen in Beziehung auf einander gedacht werden. Es ist nichtig, von einem Rechte auf die Natur, auf Grund und Boden, auf die Tiere u.s.f. bloß als solche, und nur die Beziehung zwi- schen ihnen und den Menschen gedacht, zu reden. Die Vernunft hat über diese nur Gewalt, keineswegs ein Recht, denn es entsteht in dieser Beziehung gar nicht die Frage nach dem Rechte.
Ein anderes ist, dass man sich etwa ein Gewissen machen kann, dieses oder jenes zu genießen. Aber dies ist eine Frage vor dem Richterstuhl der Moral und wird nicht aus Bedenklichkeit, dass die Dinge, sondern dass unser eigener Seelenzustand dadurch verletzt werden möge, erhoben. Wir gehen nicht mit den Dingen, son- dern mit uns selbst zu Rate und ins Gericht.
Nur wenn mit mir zugleich ein anderer auf dieselbe Sache bezogen wird, entsteht die Frage vom Rechte auf die Sache als eine abgekürzte Rede, statt der, wie sie eigentlich heißen sollte, vom Rechte auf den anderen, ihn vom Gebrauche dieser Sache auszuschließen.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. III, S. 54
Nota. - Der Absatz hat zuerst einen praktisch-politischen Sinn: Er zielt gegen das Grundeigentum, d. h. gegen dessen historisch-rechtliche Herleitung. Eigentum beruht nach Fichte ursprünglich nicht auf Arbeit - Formation -, sondern auf Besitzergreifung: Okkupation (dies gegen Rousseau). Eigentum ist ein Gewaltverhältnis, das wo- möglich durch dies oder das, aber nicht durch die Vernunft zu rechtfertigen ist.
Philosophisch aktuell ist aber wieder die Unterscheidung von Recht und Moral. Dass die Erhaltung unserer na- türlichen Umwelt so vielen Menschen inzwischen am Herzen liegt, ist selber die Folge einer Zivilisation, die - zwar erst in den Anfängen, aber fortschreitend - von Vernunft geprägt ist. Aber es ist eine Sache moralisch han- delnder Individuen. Rechtlich und gemeinschaftlich bindend ist dagegen die Verpflichtung der einen gegen die andern, die Naturbedingungen, unter denen sich die Gattung H. sapiens ausgebildet hat, so zu erhalten, dass sich H. sapiens weiter ausbilden kann.
Man muss nicht glauben, man stärke das rechtliche Empfinden, indem man ihm moralische Motive beimengt, oder das moralische Gewissen, indem man ihm rechtliche Befugnisse anheftet. Das Gegenteil ist der Fall, beide zu vermischen schwächt ihre jeweilige Geltung und schädigt beide. Je entschiedener im öffentlichen Raum - dort, wo die vernünftigen Wesen einander begegnen - Recht herrscht, umso freier - freier von außermoralischen Motiven - ist das moralische Urteil der Einzelnen. Das Recht muss, um gelten zu können, notfalls vom Gemeinwesen ge- waltsam erzwungen werden; für die Moral wäre ein solcher Versuch tödlich.
JE
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