Montag, 13. Februar 2017

Auffordern kann nur, wer Autorität hat.


V. Bender, Täufer Johannes
1)

Ich fand in dieser Erkenntnis unter anderem mich selbst als bestimmbar durch Freiheit. Diese Bestimmbarkeit meiner selbst oder Aufforderung zum freien Handeln ist genommen für ganz einerlei. Meine Individualität geht heraus aus der Masse der ganzen Vrnunft; daraus geht wieder hervor eine Tätigkeit in einem Momente, diese Individualität erscheint als Aufforderung zum freien Handeln, die Individualität wird mir gegeben durch diese Aufforderung.

Individualität = der Aufforderung zum freien Handeln.

Ist dies wahr? Was heißt Aufforderung zur Freiheit? Es ist ein Begriff, der, wenn er Kausalität hätte, eine Handlung des freien Wollens hervorbrächte. Es wird ins Verhältnis gesetzt Begriff und Handlung des freien Wesens, in das Verhältnis der Dependenz, so dass Ersterer die Handlung veranlassen soll; dies ist aber möglich, daher haben wir es hypothetisch gestellt.

Sieht man darauf, dass es ein anderes Individuum sei, so ist dies //180// ein Begriff jenes Individuums, gehend auf das Aufgeforderte; es ist ein Begriff, in welchem dieses Letztere mit liegt. Dieser Begriff soll nicht Kausa- lität haben, denn sonst wäre es mechanische Bestimmung; aber hypothetisch wird es gedacht.

(Dergleichen Begriffe, in denen eine Kategorie angewendet wird und auch nicht, werden wir mehrere bekom- men. Die Kategorie wird bloß angewendet, um die Sache denken zu können. So hier: Die Regel, mit einem Gesetzten etwas Entgegengesetztes zu denken, ist kausal, aber das hier Entgegengesetzte ist frei, und in sofern findet der Begriff der Kausalität nicht statt; aber könnte er stattfinden, so würde es so oder so sein. Die Regel eines solchen Denkens wird bloß angegeben.)

Die Aufforderung würde der Realgrund einer freien Entschließung sein, sie würde zwischen dem Bestimmba- ren und dem Bestimmten das zwischeninnenliegende Bestimmende sein; letztere [?] heißt bloße Möglichkeit eines Bestimmens, nicht der Grund, dass sie erfolge oder nicht. Sie ist bloß die allgemeinen  Sphäre, aus der die Bestimmtheit hervorgehen kann - in der Aufforderung soll nicht der entscheidende Grund, sondern bloß der Erklärungsgrund sein. - 

In der Aufforderung wird etwas gesetzt, was in der bloßen Bestimmbarkeit nicht gesetzt wird; sonach bestätigt es sich nicht, dass die Aufforderung und die Bestimmbarkeit eins sei. Aber wir setzen hinzu: Diese Bestimm- barkeit solle nur als Bestimmbarkeit gesetzt werden und als nichts anderes. Und nur unter dieser Bedingung sei es möglich, dass im Bewusstsein weiter gar nichts vorkomme als dieses; dass dadurch das ganze Bewusstsein gefüllt sei. Dass nur unter dieser Bedingung die Bestimmbarkeit mit der Aufforderung eins sei, ergibt sich.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 179f.



Nota. - Das ist ein Eiertanz. Er wird nur notwendig, weil er versucht, eine lebendige Vorstellung in tote Begriffe zu fassen. Was eine Aufforderung ist im Unterschied zu einem Vorschlag, einer Einladung, einem Angebot, einer Wahlmöglichkeit usw., weiß jeder.* Es definitorisch in einen Begriff zu packen wird schwierig, wenn nicht schon das offenbar vorausgesetzte spezifische Verhältnis von Aufforderndem und Aufgefordertem mitgedacht wird, aber das ist nicht logischer, sondern faktischer Natur: 

Der Aufgeforderte hat sich eben als Glied der Reihe entdeckt, aus der die Aufforderung an ihn ergeht. Die Reihe ist ihm vorgegeben (posita); so die Aufforderung. Er kann sie nicht einfach nicht-befolgen, sondern müsste (und könnte) sie aus Freiheit aktiv verneinen; aber dafür bräuchte er einen Begriff = Zweck. Woher dieser?

Fichte hat selber gar nicht so deutlich erkannt, dass er, da er doch die Dynamik des Vorstellens beschreiben will, das nicht mit der Mechanik der Begriffe tun kann. Er beklagt an mancher Stelle, dass "die Sprache fehlt", aber doch versucht er immer wieder, aus Definitionen zu konstruieren, was eigentlich nur im Bild angeschaut werden kann. (Die Begriffe kommen als Werkzeug der Kritik schon auch noch zu ihrem Recht.)
 
*) Aber schon, es in eine andere Sprache zu übersetzen, ist gar nicht leicht.

JE 


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