Dienstag, 11. Dezember 2018
Schweben und übergehen.
Die Einbildungskraft setzt überhaupt keine feste Grenze; denn sie hat selbst keinen festen Standpunkt; nur die Vernunft setzt etwas Festes, dadurch, daß sie erst selbst die Einbildungskraft fixiert. Die Einbildungskraft ist ein Vermögen, das zwischen Bestimmung und Nicht-Bestimmung, zwischen Endlichem und Unendlichem in der Mitte schwebt. ... Jenes Schweben eben bezeichnet die Einbildungskraft durch ihr Produkt: sie bringt dasselbe gleichsam während ihres Schwebens, und durch dieses Schweben hervor.
Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW I, S. 217
Man werde ferner finden, wird behauptet, dass man sich im Entwerfen des Begriffs vom Ich nicht tätig setzen könne, ohne diese Tätigkeit als eine durch sich selbst bestimmte, und diese nicht ohne ein Übergehen von der Unbestimmtheit oder Bestimmbarkeit zu setzen, welches Übergehen eben die bemerkte Tätigkeit ist.
Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 43
Die Wissenschaftslehre inventarisiert nicht - man kann es nicht oft genug wiederholen - das fertige Reich der Vernunft mit all seinen Begriffen und erwiesenen Schlussregeln, um sie einer nachträglichen Kritik zu unterzie- hen; sondern will erhellen, wie es zu Stande gekommen ist. Zu Stande gekommen ist es aus dem aktiven Vorstellen, welches eine Agilität ist, die sich als Einbildungs- und Urteilkraft zugleich erweist. Den einbildenden Teil nennt Fichte die reale, den urteilenden Teil die ideale Tätigkeit. Die charakteristische Bewegungweise der einen ist das Übergehen, die charakteristische Bewegungsweise der andern ist das Schweben.
Schweben und Übergehen sind sozusagen die Meta-Vorstellungen, die der Wissenschaftslehre zu Grunde liegen. Sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich; so dass man sich gar nicht entscheiden mag, welche zu welcher gehört.
Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.
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