Dienstag, 14. Februar 2017

Wenn nur die Frage verstanden wurde...


wegwartehof

//181//                                                                      2

Denn so gewiss dieses X Bestimmbarkeit oder Aufforderung nur begriffen wird, so gewiss wird frei gehandelt; selbst durchs Widerstehen äußert sich die Freiheit. Ich finde mich hier notwendig als etwas Bestimmbares, zum Handeln zu Bringendes (Bestimmbarkeit qua forma). - Bestimmbarkeit ist nicht zu denken ohne Bestimmtheit, beide voneinander getrennt sagen nichts. 

Dies ist verständlich, aber nicht einleuchtend; jetzt wollen wir es deutlicher auseinandersetzen.

Ich begreife die Aufforderung, was heißt das, was liegt in der Aufforderung? - Folgendes: Ich fasse den Be- griff, habe die Erkenntnis, dass in einem Begriffe eines anderen Vernunftwesens gerechnet ist auf mein Han- deln, und dass, wenn dieser Begriff Kausalität hätte, ein bestimmtes Handeln durch mich erfolgen würde. Der andere hat einen Begriff, der mein Handeln beabsichtigt, aber doch kann er mich nicht als Sache gebrauchen.

Es enthält dieser Begriff:
A) Ich selbst werde darinne gedacht;
B) ein Akzidens von mir, mein freies Handeln. 

Sonach finde ich durch den bloßen Begriff dieser Aufforderung sowohl mich selbst als mein freies Handeln; letzteres als ein bloß Mögliches und Gedachtes. Ich finde mich durch den andern gedacht als handelnd. Des- wegen handle ich noch nicht wirklich.

Du fragst mich heißt: Du willst von mir eine Antwort; ich verstehe diese Frage heißt: Ich weiß, was für eine Handlung das ist, die du willst, dass ich sie vollziehen soll. Hierdurch bin ich noch nícht zu Ende, denn hier erscheine ich mir immer noch als ein Bestimmbares, noch nicht als ein Bestimmtes. Dies hat keinen Sinn. So gewiss also noch etwas gedacht wird, wird dies das Bestimmte zu dem Bestimmbaren. Aber warum soll etwas dazugedacht werden, warum soll das Bewusstsein nicht geschlossen sein?

Es soll gezeigt werden, warum an ein Bewusstsein ein anderes angeknüpft werde, und wie eine laufende Reihe entstehe. Dies haben wir ganz bestimmt und scharf hier.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 181



Nota. - Worauf soll das hinaus? Wenn die geforderte Handlung aus Freiheit verweigert wurde, dann wurde die Aufforderung ipso facto... befolgt? - 'Dies wäre verständlich, aber nicht einleuchtend.' Denn wenn auch die Verweigerung eine Handlung aus Freiheit war, dann wurde doch nicht etwas getan, sondern etwas - was immer es sei - wurde nicht getan. Mit dem Bestimmen wären wir keinen Schritt weiter.
JE 


Montag, 13. Februar 2017

Auffordern kann nur, wer Autorität hat.


V. Bender, Täufer Johannes
1)

Ich fand in dieser Erkenntnis unter anderem mich selbst als bestimmbar durch Freiheit. Diese Bestimmbarkeit meiner selbst oder Aufforderung zum freien Handeln ist genommen für ganz einerlei. Meine Individualität geht heraus aus der Masse der ganzen Vrnunft; daraus geht wieder hervor eine Tätigkeit in einem Momente, diese Individualität erscheint als Aufforderung zum freien Handeln, die Individualität wird mir gegeben durch diese Aufforderung.

Individualität = der Aufforderung zum freien Handeln.

Ist dies wahr? Was heißt Aufforderung zur Freiheit? Es ist ein Begriff, der, wenn er Kausalität hätte, eine Handlung des freien Wollens hervorbrächte. Es wird ins Verhältnis gesetzt Begriff und Handlung des freien Wesens, in das Verhältnis der Dependenz, so dass Ersterer die Handlung veranlassen soll; dies ist aber möglich, daher haben wir es hypothetisch gestellt.

Sieht man darauf, dass es ein anderes Individuum sei, so ist dies //180// ein Begriff jenes Individuums, gehend auf das Aufgeforderte; es ist ein Begriff, in welchem dieses Letztere mit liegt. Dieser Begriff soll nicht Kausa- lität haben, denn sonst wäre es mechanische Bestimmung; aber hypothetisch wird es gedacht.

(Dergleichen Begriffe, in denen eine Kategorie angewendet wird und auch nicht, werden wir mehrere bekom- men. Die Kategorie wird bloß angewendet, um die Sache denken zu können. So hier: Die Regel, mit einem Gesetzten etwas Entgegengesetztes zu denken, ist kausal, aber das hier Entgegengesetzte ist frei, und in sofern findet der Begriff der Kausalität nicht statt; aber könnte er stattfinden, so würde es so oder so sein. Die Regel eines solchen Denkens wird bloß angegeben.)

Die Aufforderung würde der Realgrund einer freien Entschließung sein, sie würde zwischen dem Bestimmba- ren und dem Bestimmten das zwischeninnenliegende Bestimmende sein; letztere [?] heißt bloße Möglichkeit eines Bestimmens, nicht der Grund, dass sie erfolge oder nicht. Sie ist bloß die allgemeinen  Sphäre, aus der die Bestimmtheit hervorgehen kann - in der Aufforderung soll nicht der entscheidende Grund, sondern bloß der Erklärungsgrund sein. - 

In der Aufforderung wird etwas gesetzt, was in der bloßen Bestimmbarkeit nicht gesetzt wird; sonach bestätigt es sich nicht, dass die Aufforderung und die Bestimmbarkeit eins sei. Aber wir setzen hinzu: Diese Bestimm- barkeit solle nur als Bestimmbarkeit gesetzt werden und als nichts anderes. Und nur unter dieser Bedingung sei es möglich, dass im Bewusstsein weiter gar nichts vorkomme als dieses; dass dadurch das ganze Bewusstsein gefüllt sei. Dass nur unter dieser Bedingung die Bestimmbarkeit mit der Aufforderung eins sei, ergibt sich.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 179f.



Nota. - Das ist ein Eiertanz. Er wird nur notwendig, weil er versucht, eine lebendige Vorstellung in tote Begriffe zu fassen. Was eine Aufforderung ist im Unterschied zu einem Vorschlag, einer Einladung, einem Angebot, einer Wahlmöglichkeit usw., weiß jeder.* Es definitorisch in einen Begriff zu packen wird schwierig, wenn nicht schon das offenbar vorausgesetzte spezifische Verhältnis von Aufforderndem und Aufgefordertem mitgedacht wird, aber das ist nicht logischer, sondern faktischer Natur: 

Der Aufgeforderte hat sich eben als Glied der Reihe entdeckt, aus der die Aufforderung an ihn ergeht. Die Reihe ist ihm vorgegeben (posita); so die Aufforderung. Er kann sie nicht einfach nicht-befolgen, sondern müsste (und könnte) sie aus Freiheit aktiv verneinen; aber dafür bräuchte er einen Begriff = Zweck. Woher dieser?

Fichte hat selber gar nicht so deutlich erkannt, dass er, da er doch die Dynamik des Vorstellens beschreiben will, das nicht mit der Mechanik der Begriffe tun kann. Er beklagt an mancher Stelle, dass "die Sprache fehlt", aber doch versucht er immer wieder, aus Definitionen zu konstruieren, was eigentlich nur im Bild angeschaut werden kann. (Die Begriffe kommen als Werkzeug der Kritik schon auch noch zu ihrem Recht.)
 
*) Aber schon, es in eine andere Sprache zu übersetzen, ist gar nicht leicht.

JE 


Sonntag, 12. Februar 2017

Die zwei Gänge der Wissenschaftslehre.


Aivasovski
§ 17

Unsere Aufgabe ist längst die: die Bedingungen des Bewusstseins nach den schon bekannten Regeln zusammen zu setzen und das Bewusstsein vor unseren Augen gleichsam zu konstruieren, nur nicht wie der Geometer tut, der sich um die Frage, woher die Fähigkeit, Linien zu ziehen und Raum, herkomme, nicht bekümmert, dieser setzt schon Wissenschaftslehre voraus. 

Denn die Wissenschaftslehre muss das, womit sie //179// verfährt, sich selbst erkämpfen, und in dieser Rücksicht hat das System bestimmt zwei Teile. Bis dahin, wo gezeigt wurde, reiner Wille ist das wahre Objekt des Be- wusstseins, wurde ausgemittelt, womit verfahren werden sollte. Von da ging der andere Teil an. Wir konstruie- ren nun wirklich  wir haben nun Feld und Boden gewonnen und nun ein Verfahren zu schildern und anzu- wenden. Wir setzen so zusammen: 

Anfangs hatten wir bloße Erkenntnis als Anfangspunkt des Bewusstseins, dann setzten wir hinzu, dass diese nicht ohne ein Wollen möglich sei, i. e. nicht ohne etwas, das [von] dem Vernunftwesen als Wollen gesetzt wird, das nur Erscheinung sei. So ist demnach an das Erstgeschilderte etwas angeknüpft; wir müssen auch eine immer fortfließende Reihe des Bewusstseins beschreiben. 

Was ist denn nun eigentlich das Objekt, das außer uns angenommen werden soll? Hier ist zuerst die Rede von einen Herausgehen aus uns selbst; hier muss streng deduziert werden; den schon angefallenen Punkt müssen wir da näher bestimmen, was in der beschriebenen Erkenntnis für ein Objekt außer uns enthalten ist?
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 178f.


Nota I. - 'Zuerst' verfährt die Wissenschaftslehre analytisch, sie sucht: Von dem Bewusstsein, das sie (historisch) vorfindet, geht sie zurück auf dessen als notwendig eingesehenen Voraussetzungen. So gelangt sie zur Annah- me eines reinen Wollens als dem An-sich des Bewusstseins. Von da an verfährt sie synthetisch: Sie konstruiert, sie   re konstruiert – nämlich 'wie aus dem Wollen wirkliche Objekte außer uns entstehen'. Aus dem Kreis des Be- wusstseins tritt sie nirgends heraus.

Nota II. - Dies ist die richtige Stelle für eine Zäsur. Der transzendentale Sprung des 'reinen' Ich rückwärts vom vernünftigen Individuum zum Glied einer vernünftigen Reihe ist die entscheidende Klippe, die zu meistern war. Es ist auch die richtige Stelle, um zu erinnern: Es gilt darzustellen, wie das Bewusstsein des Vernunftwe- sens für sich wird, denn nur so wird es. Was in der Rekonstruktion als Voraussetzung erscheint, war in der Analy- se Resultat. Es findet eine ständige Verkehrung der Perspektive statt.
JE










Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog<

Samstag, 11. Februar 2017

Ich finde mich vorbestimmt als Glied in der Reihe vernünftiger Wesen.


§ 16

Diese Aufgabe, sich selbst zu beschränken, ist von einer anderen Seite angesehen Aufforderung zu einer freien Tätigkeit (da sie nicht erscheint als hervorgehend aus dem Individuo, sondern einer Vernunft außer uns); aber es ist keine Bestimmung durch uns selbst, wenn sie nicht durch ein wirkliches Wollen begleitet ist, es schließt sonach das Bewusstsein eines wirklichen Wollens an jene Wahrnehmung einer Aufforderung zur Freiheit sich an. 

Anmerkung: Die Hauptschwierigkeit war: Das Bewusstsein kann weder durch Wollen noch Erkennen allein an- geknüpft werden, sondern von beiden; aber diese sind von einander unabhängig? - Allerdings hebt es von bei- den an, nur ist die Erkenntnis, von der es anhebt - Aufforderung zur freien Tätigkeit -, Kenntnis davon, dass uns ein Zweck gegeben wird; an diese schließt sich in demselben Moment ein Wollen an. In diesem X ist Wol- len und Erkenntnis vereint.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 178
 



Nota. - Es wurde erst langsam deutlich: Bei dem 'ursprünglichen Begriff', der eine Aufforderung zur Selbstbe- schränkung sein sollte, hatte er von Anbeginn die 'Menge vernünftiger Wesen' im Auge, aus der 'ich' mich zu- erst 'herauslösen' muss, um zu erkennen, dass ich 'hineingehöre': um zu erkennen, dass ich, wie sie, 'zu freier Tä- tigkeit bestimmt' bin und ergo 'mich selbst beschränken' soll, indem ich aus der Masse der Möglichkeiten eine Wahl treffe. Mit andern Worten, die 'Aufforderung' besteht bereits in dem Umstand, dass sie eine Menge sind - der ich selber zugehöre. (Ich war zur Vernunft bestimmt, ehe ich mich zum Individuum bestimmt habe.)

Die Herleitung war umständlich und gewunden. Dass sie ins Auge springt, kann man nicht sagen.
JE

Freitag, 10. Februar 2017

Die individuelle Vernunft lässt sich aus sich selbst nicht erklären.



Dies ist eine Erkenntnis, wie wir sie suchten, in welcher das Wollen gleich drinnen läge; mit ihrer Erkenntnis ist ein Wille begleitet. Sinnlich betrachtet ist es so: Entweder ich handle nach dem Willen oder nicht; habe ich die Aufforderung verstanden, so entschließe ich mich doch durch Selbstbestimmung, nicht zu handeln, der Auffor- derung zu widerstreben, und handele durch Nichthandeln.

Freilich muss die Aufforderung verstanden sein, dann muss man aber handeln, auch wenn man ihr nicht gehor- chet; in jedem Falle äußere ich meine Freiheit. So müssten wirs uns jetzt denken. Aber kann man höher fragen: Welches ist der transzendentale Grund für diese Behauptung? Der Zweck wird uns mit der Aufforderung gege- ben, also: Die individuelle Vernunft lässt sich aus sich selbst nicht erklären - ist das wichtigste Resultat, es be- steht nur im Ganzen durchs Ganze und als Teil des Ganzen; denn wie soll sonst Kenntnis eines Vernunftwe- sens außer ihm zu erklären sein, wenn in ihm kein Mangel ist? 

Dies ist so dargetan worden: Wir haben uns Mühe gegeben, den Zweckbegriff zu erklären, da kamen wir in einen Zirkel. Nun aber ist ie beantwortet, denn im Fortlaufe der Vernunft ists damit nicht schwer, es ist nur darum zu tun, den ersten Zweckbegriff dar-//178//zulegen: Den ersten bekommen wir, doch wird uns der Zweck nicht als Bestimmtes, sondern überhaupt der From nach gegeben, etwas, woraus wir wählen können (vide in der Rechtslehre Folgerungen daraus). Kein Idividuum kann sich aus sich selbst erklären. Wenn man also auf eine erstes Individuum kommt, worauf man kommen muss, so muss man auch ein noch höheres unbegreif- liches Wesen annehmen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 175f.
 
  


 
Nota. - Das ist nunmal ein dicker Hund. Lange schwankt er, ob die Vernunft gedachte Summe wirklicher Vernünftigkeit sein soll, oder vielmehr wirkliche Vernünftigkeit nur die Individuation eines unbegreiflichen vorgegebenen Ganzen. An dieser Stelle nun sieht er der Frage direkt ins Auge - und entscheidet sich für die dogmatische Antwort.

Wobei ihm den Obersatz niemand abstreiten kann: Vernunft 'gibt es' nur als die Gesamtheit vernünftiger Wesen. Ein isoliert lebendes Individuum muss nicht nur nicht, sondern kann auch gar nicht vernünftig sein, denn Vernünftigkeit ist kein Verhältnis, das er zu sich selbst, sondern eines, das er zu Anderen hat. Seine Ver- nünftigkeit besteht aber in nichts als der Suche nach den Zwecken, über die er mit Anderen übereinstimmt; Fortschreiten im gemeinsamen Bestimmen des Bestimmbaren. 

Dann mag man immer das Terrain des gemeinsam Bestimmten als (seiende) 'Vernunft' bezeichnen; es bleibt aber das vorläufige Resultat eines aktualen Bestimmens, das anders als unendlich gar nicht vorgestellt werden kann.
JE





Donnerstag, 9. Februar 2017

Ich greife mich selbst heraus aus einer Masse vernünftiger Wesen.


4. 

Wie wird beschriebene Reflexion möglich sein? Nur so, dass die Erkenntnis in Beziehung auf eine Beschrän- kung durch einen Begriff nicht möglich sei ohne ein Wollen, und umgekehrt.  Dies letztere ist deutlich, es gilt durchs ganze Berwusstsein, aber die erste Hälfte, dass Erkenntnis nicht ohne ein Wollen möglich sei, lässst sich nur so denken: In der Erkenntnis müsse das Wollen drinliegen, es würde nur Bestimmbarkeit des Wollens be- griffen, anders könnte es nicht verstanden werden. Dies ist der Begriff der Aufforderung zur freien Tätigkeit.

(Das Intelligible ist das einzig Ursprüngliche, die Sinnenwelt ist eine gewisse Ansicht des ersteren, mit letzterer haben wir es hier nicht zu tun; wie sich Ersteres in Letzteres verwandele vide infra. Aber in wieweit ist das Intel- ligible bestimmt? -

Es soll ein reiner Wille zugrunde liegen, nicht ein empirisches Wollen, oder Vernunft überhaupt oder Absolut- heit des Vernunftreichs, welches bis jetzt noch unverständlich ist. Dieses //177// ist das Bestimmbare zu einem Bestimmten, letzteres bin ich als  Individuum, ich erkenne mich als Individuum, diese Erkenntnis ist oben ein Fortgehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten, ich bin - ein durch sich selbst herausgegriffener Teil aus den Vernunftwesen. 

Jetzt wird stillegestanden beim Hervorgehen der Individualität aus der Vernunft, welche so hervorgeht, dass ich mich finde als etwas nicht könnend oder dürfend, was doch eigentlich ursprünglich für mich sein muss. Der bestimmte Akt hie[r]bei ist Aufforderung zur freien Tätigkeit; diese kommt her und wird so beurteilt von einem andern vernünftigen Wesen meinesgleichen. Das Selbstbewusstsein hebt also an von meinem Herausgreifen aus einer Masse vernünftiger Wesen überhaupt. -

Dieser Begriff der Selbstheit als Person ist nicht möglich ohne Begriff einer Vernunft außer uns, dieser Begriff wird also auch konstruiert durch Herausgreifen aus einer höheren weiten Sphäre. Die erste Vorstellung, die ich haben kann, ist die Aufforferung meiner als Individuum zu einem freinen Wollen.)
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 176f.
  


Nota. - Genetisch geht voraus 'Vernunft oder Absolutheit des Vernunftreichs' (was einstweilen noch unver- ständlich ist) , in ihrer Wirklichkeit ist sie (an sich) eine 'Masse vernünftiger Wesen überhaupt', für mich wird sie durch deren Aufforderung zu freier Tätigkeit, die an micht ergeht. Meine freie Tätigkeit ist eo ipso mein mich-  selbst-Herausgreifen aus dieser Masse, mein Werden-für-mich, Werden zum Individuum = empirische Person, und als eine solche finde ich micht beschränkt; dieses ist Selbstbewusstsein - 

Dieses Schema hier nur, um zu zeigen: Das Prius ist nicht Bewusstsein, sondern Vernunft, sie geht ('an sich') der Bewusstwerdung voraus. Denn dies ist der Gang der Wissenschaftslehre: Sie geht aus von der Tatsache der Vernunft, anders wäre Vernunftkritik nicht möglich; sie besteht - vor allem andern - in der sicheren Annahem, dass den Vorstellungen in unserm Bewusstsein etwas außerhalb unseres Bewusstseins entspricht. Die Wissen- schaftslehre soll demonstrieren, wie das möglich ist; wie Vernunft wirklich wird.

Die Wissenschaftslehre beschreibt nicht, wie ein anfangs bewusstloses Kind Schritt für Schritt (seiner und) der Welt bewusst wird; sie rekonstruiert, wie Vernunft in die Wirklichkeit gekommen ist. Dabei schwankt Fichte lange Zeit zwischen der Auffassung, sie habe sich in der Wirklichkeit überhaupt erst ausgebildet, und der Annahme, es hätte sie außerhalb der Wirklichkeit 'immer schon gegeben'. Letzteres wäre ein Überbleibsel aus dogmatischer Vorzeit.
JE






Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE

Mittwoch, 8. Februar 2017

Wollen ist potenziertes Denken, denken ist latentes Wollen.


Lothar Sauter

Ein wirkliches Wollen erscheint als Übergehen von der Bestimmbarkeit zur Betimmtheit, charakterisiert durch die völlige Kontraktion meines ganzen Wesens auf einen einzigen Punkt, da [=während] das beim Denken nicht ist, da man zwischen Entgegengesetzen schwebt. (Alles empirische Wollen ist etwas Bestimmtes, aber es gibt zweierlei Bestimmtheit: unvollendete und vollendete, erstere erscheint als Denken, letzteres als Wollen; in dem Wollen erscheint noch ein Blick aufs //176// Entgegengesetzte, aber wenn ich will, will ich dies und nichts ande- res; das andere durchs Denken Angeschaute liegt nicht im Wollen.)

Nun erscheint alle Bestimmtheit als Übergehen pp; es gibt also auch zweierlei Bestimmbarkeit: eine fürs Den- ken und eine fürs Wollen, das Denken selbst ist Bestimmbarkeit des Wollens. Wollen ist quasi die zweite Potenz unseres empirischen Vermögens, Denken ist die erste. Uns ist insbesonder um die Unterscheidung des empiri- schen Wollens vom reinen zu tun; alles, worauf die [ideale] Tätigkeit je reflektieren kann, das höchste Bestimm- bare, ist das reine Wollen. Dieses Ganze wird vor allem bestimmt durch das Denken eines mich beschränken- den Begriffs (Individualität). 

Es sind drei Grade: 1) reine Wille, Absolutheit der gesamten Vernunft, des Vernunftreichs, diese ist das höchste Bestimmbare, wird weiter bestimmt [dadurch], dass etwas aufgefasst wird 2) Individualität. Dies ist Bestimmba- res 3) für ein einzelnes Moment des Bewusstseins, für einen bestimmten Willen. Das empirische Wollen ist bloß Reflexion auf das reine Wollen überhaupt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 175f.
 



Nota. - Ich werde nicht müde, es zu wiederholen: In der transzendentalen Auffassung, als Noumenon, ist das reine Wollen als das höchste Bestimmbare aufgefasst, denn es ist von Allem das allererste. Weil es aber reines Wollen ist, wird seine Bestimmbarkeit und das Übergehen zur Bestimmtheit nie zu einem Schluss kommmen, das Bestimmen geht ins Unendliche fort. Den fiktiven Zielpunkt kann oder muss ich sogar mir denken als das Eine Absolute, Zweckbegriff an-sich als Gegen stand des Wollens an-sich; Noumena alle beide.

Nota II. - Der Begriff, der das Ich ursprünglich beschränkt, bestimmt es als Idividualität - und dahin muss die tranzendentale Ableitung schließlich kommen, denn real ist nicht Vernunft-überhaupt, sondern sind die realen vernünftigen Individuen ihr Ausgangspunkt. Der muss in der transzendentalen Rekonstuktion wieder aufgefun- den werden.

Nota III. - In der transzendentalen Analyse ist das Wollen das letzte Aufgefundene, in der synthetischen Rekon- struktion ist es das erste Vorauszusetzende. In der Realität kommt das Denken - "Deliberieren" - vor dem Wollen, empirisch ist das Wollen immer schon bestimmt als das Wollen von diesem oder jenem, erst in der transzendentalen Reflexion scheint auf, dass es dem Denken noumenal immer schon zu Grunde lag.
JE