Donnerstag, 30. August 2018

Wissen ist ein Zirkel.

lichtkunst.73, pixelio.de
 
Der Faden der Betrachtung wird an dem hier durchgängig als Regulativ herrschenden Grundsatze: nichts kommt dem Ich zu, als das, was es in sich setzt, fortgeführt. Wir legen das oben abgeleitete Factum zum Grunde, und sehen, wie das Ich dasselbe in sich setzen möge. 

Dieses Setzen ist gleichfalls ein Factum, und muss durch das Ich gleichfalls in sich gesetzt werden; und so be- ständig fort, bis wir bei dem höchsten theoretischen Factum ankommen; bei demjenigen, durch welches das Ich (mit Bewusstseyn) sich setzt, als bestimmt durch das Nicht-Ich. 

So endet die theoretische Wissenschaftslehre mit ihrem Grundsatze, geht in sich selbst zurück, und wird demnach durch sich selbst vollkommen beschlossen.
______________________________________________________________________________
Grundriss des Eigenthümlichen der Wissenschaftslehre, in Rücksicht auf das theoretische Vermögen, SW I, S. 333.



Nota. - Zirkulär verfahren muss die Wissenschaftslehre allenthalben - denn das Wissen ist ein Zirkel. Sein gesam- ter Umkreis ist das Bewusstsein, in dem verfährt es ständig im Kreis und kommt nirgends aus ihm hinaus. "Hat" es einen Anfang? Im Kreis lässt sich keiner finden. 

Der Geometer konstruiert den Umfang des Kreises, indem er irgendeinen Mittelpunkt setzt. Einen ausgezeichne- ten Ort im Kreis, an dem er anfangen dürfte, kann der Philosoph nicht finden. Auch er muss ihn willkürlich setzen - aber doch so, dass sein Fortschreiten immer wieder nur auf ihn hin führt.

Der Ausgangspunkt ist ein schlechthin Unbestimmtes; 'bestimmt' allerdings als ein Ausgangs punkt, sonst 'gäbe es' nicht einmal eine Aufgabe. Bestimmen ist sein 'Trieb', es 'findet sich vor' in einem Unbestimmten - indem es sich ihm entgegensetzt und es 'als Raum bestimmt'. So geht es mit dem Bestimmen immer fort - ins Unendliche nämlich: ins schlechterdings Unbestimmte, das ewig zu bestimmen sein wird. Der hypothetische Ausgangspunkt, den er hinter sich gelassen hat, ist sein Ziel, das virtuell vor ihm liegt.  Er kommt von nichts zu nichts? Wenn ein Endgültiges gemeint ist, ja. Aber zwischen den äußeren Unbestimmten lagen und werden liegen unendlich viele Durchgänge, unendlich viele "vorübergehende" Bestimmungen, und die bilden uns eine Welt.

Es war durchaus kein Missverständnis, dass die Jenaer Romantiker Fichte als einen der Ihren zählten - bis zur Jahrhundertwende. Danach gingen sie unteschiedliche Wege.
JE

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen