Mittwoch, 9. Januar 2019

Freiheit und Erfahrung.

Leonardo

Im Begriffe der Freiheit liegt zuvörderst nur das Vermögen, durch absolute Spotaneität Begriffe von unserer mög-/lichen Wirksamkeit zu entwerfen; und nur dieses bloße Vermögen schreiben vernünftige Wesen einander mit Notwendigkeit zu. Aber dass ein vernünftiges Individuum oder eine Person sich selbst frei finde, dazu ge- hört noch etwas anderes, nämlich dass dem Begriffe von der Wirksamkeit der dadurch gedachte Gegenstand in der Erfahrung entspreche; dass also aus dem Denken seiner Tätigkeit etwas in der Welt außer ihm folge. 

Sollten nun die Wirkungen der vernünftigen Welt in dieselbe Welt fallen, sonach auf einander einfließen und sich gegenseitig stören und hindern können, wie es sich allerdings findet, so würde Freiheit in der letzteren Bedeutung für Personen, die in diesem gegenseitigen Einflusse mit einander stehen, nur unter der Bedingung möglich sein, dass alle ihre Wirksamkeit in gewisse Grenzen einschlössen und die Welt als Sphäre ihrer Frei- heit gleichsam unter sich teilten. Da sie aber als frei gesetzt sind, so könnte eine Grenze nicht außerhalb der Freiheit liegen, als wodurch dieselbe aufgehoben, keineswegs aber als Freiheit beschränkt würde; sondern alle müssten es sich zum Gesetze gemacht haben, die Freiheit derer, mit denen sie in gemeinsamer Wechselwir- kung stehen, nicht zu stören.
___________________________________________________________
Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, 
SW Bd. III, S. 8f.
 



Nota. - Hier geht es schon um die Konstruktion des Rechtsbegriffes. In unserm Zusammenhang geht es aber noch darum, den Begriff der Erfahrung unter den Begriff der Denknotwendigkeit zu bringen. Einem, der nicht weiß, was gemeint ist, kann man 'Erfahrung' nicht erklären: nicht aus Begriffen zusammensetzen. Es ist wie mit der Kausalität: Begreifen kann man vorher/nachher, aber wegen muss man allbereits im Auge haben, um es anschau- en zu können.

Und tatsächlich beruht alles, was wir unter Erfahrung verstehen - die Ableitung von Denkbestimmungen aus physischen Reizen -, auf der Vorstellung von Kausalität. Und zuvor schon galt uns als Prüfstein der Vernünftig- keit, als Grundstein der Vernunft, das Gesetz von Ursache und Wirkung. Das Zeitalter der Vernunft ist dasjenige, in dem ein Jeder danach beurteilt wird, ob und wie weit er in der Welt nach dem Verhältnis von Ursache und Wir- kung fragt.  


Dies hatte die Wissenschaftslehre zu ergründen.

Im wirklichen Bewusstsein des Alltagsmenschen ist Kausalität dasjenige in der Welt, das ihren Sinn ausmacht - nämlich einem gerechtfertigten Zweck dient, der seinerseits als Naturzweck alias Weltgesetz vorgestellt wird.
JE

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen