Mittwoch, 30. Januar 2019

Nur vernünftige Wesen können einander auffordern.


Die Einwirkung wurde begriffen als eine Aufforderung des Subjekts zu einmer freinenWirksamkeit und, wor- auf alles ankommz, konnte gar nicht anders begriffen werden, und wurde überhaupt nicht begriffen, wenn sie nicht so begriffen wurde. 

Die Aufforderung ist die Materie des Wirkens und eine freie Wirksamkeit des Vernunftwesens, an welche sie ergeht, sein Endzwck. Das letztere soll durch die Aufforderung keineswegs bestimmt, nezessiiert werden, wie es im Begriffe der Kausalität das Bewirkte durch die Ursache wird, zu handeln; sondern es soll nur zufolge derselben sich selbst dazu bestimmen. Aber soll es dies, so muss es die Aufforderung dazu erst verstehen und begreifen, und es ist auf eine vorhergehende Erkenntnis desselben gerechnet. Die gesetzte Ursache der Auffor- derung außer dem Subjekte muss demnach wenigstens die Möglichkeit voraussetzen, dass das letztere verstehen und begreifen könne, außerdem hat seine Aufforderung gar keinen Zweck. 

Die Zweckmäßichkeit derselben ist durch den Verstand und das Freisein des Wesens, an welches sie ergeht, be- dingt. Diese Ursache muss daher notwendig den Begriff von Vernunft und Freiheit haben, also selbst ein der Begriffe fähiges Wesen, eine Intelligenz, und, daeben erwiesenermaßen dies nicht möglich ist ohne Freiheit, auch ein freies , also überhaupt vernünftiges Wesen sein und als solches gesetzt werden.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, 
SW Bd. III, S. 36  




Nota. - 'Die Vernunft', alias eine intelligible Welt, muss dem einzelnen Vernunftwesen vorausgesetzt sein - als eine schon gegebene Reihe vernünftiger Wesen.

Woher diese kommt, ist die Frage, mit der die Wissenschaftslehre steht und fällt. Logisch - 'genetisch' - lässt sie sich nicht klären, denn wo immer die Untersuchung ansetzen wollte, müsste eine intelligible Welt schon voraus- gesetzt werden. 

Sie könnte dogmatisch behauptet werden. Das sollte für einen Philosophen, der sich für einen kritischen hält, nicht in Betracht kommen. 

Darum weicht Fichte der Frage hier noch aus. 

Sie ließe sich nur historisch beantworten; real historisch. Es müsste die Geschichte davon sein, wie im Prozess des Stoffwechsels mit den Dingen und miteinander sich die Gattung der Menschen zur Vernunft selbst bestimmt hat. Die Erzählung davon, wie das Ich sich selbst gesetzt hat, indem es sich ein/em Nichtich in einem Akt entgegensetzte, wäre die Sinndeutung des wirklichen historischen Prozesses. Einen Prozess darstellen als einen Akt nennen wir ein Modell, ein Schema.

Um zu dieser Konsequenz zu kommen, hätte Fichte seine schwankende Auffassung der Vernunft klären müssen.

Dazu kam er nicht, der Atheismusstreit hat ihn gehindert. Und Jacobi hat ihn kopfscheu gemacht. So hat er sich schließlich zu einer dogmatischen Antwort auf obige Frage entschlossen; nicht allerdings, ohne sie historisch zu tarnen. Die Komik seiner Lösung kann ihm nicht verborgen geblieben sein. Hat er sie beabsichtigt - als Wink für die Nachgeborenen, sich dem Thema in Ruhe noch einmal zuzuwenden?
JE

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