Samstag, 3. Mai 2014

Tour de passe-passe.


H. Bosch

Ich soll schlechthin Etwas thun, damit es geschehe, etwas unterlassen, damit es unterbleibe. – Aber kann ich handeln, ohne einen Zweck ausser dem Handeln im Auge zu haben; ohne auf Etwas, das durch mein Handeln, und allein dadurch, erst möglich werden kann und soll, meine Absicht zu richten! Kann ich wollen, ohne Etwas zu wollen? Nimmermehr! dies widerspräche gänzlich der Natur meines Geistes. An jede Handlung knüpft in meinem Denken unmittelbar und nach den blossen Gesetzen des Denkens sich an, ein in der Zukunft liegendes Seyn, ein Zustand, zu dem das Handeln sich verhält wie das Wirkende zu dem Bewirkten.

...sondern ich soll schlechthin auf eine gewisse Weise handeln, weil ich es einmal soll; dies ist das erste. Aus dieser Handelsweise erfolgt Etwas, sagt mir die Stimme in meinem Innern. Dieses Etwas wird mir nun nothwendig Zweck, weil ich die Handlung vollziehen soll, die dazu, und nur dazu das Mittel ist. Ich will, dass Etwas wirklich werde, weil ich handeln soll, dass es wirklich werde; – gleichwie ich nicht hungere weil Speise für mich vorhanden ist, sondern etwas mir zur Speise wird, weil ich hungere; ebenso handle ich nicht so, wie ich handle, weil mir Etwas Zweck ist, sondern es wird mir Etwas Zweck, weil ich so handeln soll. Ich habe den Punct, nach welchem hin ich meine Linie ziehen will, nicht schon vorher im Auge, und lasse nun durch seine Lage die Richtung der Linie, und den Winkel, welchen sie machen wird, bestimmen; sondern ich ziehe meine Linie schlechthin in einen rechten Winkel, und dadurch werden die Puncte bestimmt, in welche meine Linie treffen muss. Der Zweck bestimmt nicht den Inhalt des Gebotes, sondern umgekehrt, der unmittelbar gegebene Inhalt des Gebotes bestimmt den Zweck.

Ich sage, das Gebot des Handelns selbst ist es, welches durch sich selbst mir einen Zweck setzt: dasselbe in mir, was mich nöthigt; zu denken, dass ich so bandeln solle, nöthigt mich, zu glauben, dass aus diesem Handeln Etwas erfolgen werde; es eröffnet dem Auge meines Geistes die Aussicht auf eine andere Welt; die da allerdings Welt ist, ein Zustand ist, und kein Handeln, aber eine andere und bessere Welt, als die für mein sinnliches Auge vorhandene; es macht, dass ich diese bessere Welt begehre, sie mit allen meinen Trieben umfasse und ersehne, nur in ihr lebe, und nur an ihr mich befriedige. Jenes Gebot bürgt mir durch sich selbst für die sichere Erreichung dieses Zweckes. Dieselbe Gesinnung, mit der ich mein ganzes Denken und Leben auf dieses Gebot richte und hefte, und nichts sehe ausser ihm, führt zugleich die unerschütterliche Ueberzeugung bei sich, dass die Verheissung desselben wahr und gewiss sey, und hebt die Möglichkeit auf, das Gegentheil auch nur zu denken. Wie ich im Gehorsam lebe, lebe ich zugleich in der Anschauung seines Zweckes; lebe ich in der besseren Welt, die er mir verheisset.
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Die Bestimmung des Menschen, SW II, S. 264f.


Nota.

Er ist nun Jacobi auf den Leim gegangen. Aber mit einem Fuß stand er schon vorher darauf: Denn mit ebendieser Logik hatte er zuvor im Grund unseres Glaubens... eine "moralische Weltordnung" erkünstelt. In den Rückerinnerungen... war er davon wieder abgekommen, das intellktuelle Gefühl musste den Glauben an die Wahrheit des Wahren verbürgen, sofern es nämlich unmittelbar ist; was man von der Kunstruktion eine moralischen Weltordnung durchaus nicht sagen kann. Sie ist, mit Verlaub, an den Haaren herbeigezogen, und dem gesunden Menschenverstand schwinden sie Sinne.
JE

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