Fr. H. Jacobi, 1801
Von Vernunft ist die Wurzel, Vernehmen.
S. 14
Vernehmen setzt ein Vernehmbares; Vernunft das Wahre zum voraus: Sie ist das Vermögen zum Voraussetzen des Wahren. Eine das Wahre nicht voraussetzende Vernunft ist ein Unding.
S. 27
Wo die Weisung auf das Wahre fehlt, da ist keine Vernunft. Dieses Weisung; die Nötigung, das ihr nur in Ahndung vorschwebende Wahre als ihren Gegenstand, als die letzte Begierde aller Erkenntnis zu betrachten, macht das Wesen der Vernunft aus.
S. 28
Weil die Vernunft im Auge die Gottheit, Gott notwendig im Auge hat: deswegen allein halten wir sie für höher als das Selbst im gemein sinnlichen Verstande; und insofern mag es denn auch Sinn haben und für Wahrheit gelten: "dass Vernunft Zweck; Persönlichkeit nur Mittel sei."
S. 31
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Johann Heinrich Jacobi, Jacobi an Fichte, Hamburg, 1799
Nota. - Jacobi hat den springenden Punkt bloßgelegt.
Fichte hatte ein real Absolutes allezeit vorausgesetzt, und nicht einmal stillschweigend, sondern ausdrücklich; und doch, ohne es zu bemerken. Die Vernunft behandelt er als etwas reell Wirkendes; nicht etwa ein Regulativ, sondern ein Konstituens. Sie fällt nicht unter die Gegenstände der Wissenschaftslehre, sondern geht ihr voraus. Fichtes phänomenologisch-kritisches Verfahren war nicht radikal, vor der selbstverständlichsten der Selbstver- ständlichkeiten hat er Halt gemacht. Vernunft besteht nur darin, dass Menschen meinen, es gäbe für ihr
Urteilen ein Maß. Sie ist das allgemeinst-mögliche Vor-Urteil.
Für ihr Urteilen - auf diesen Beisatz kommt es an -, sofern es allgemeines Gelten beansprucht; denn unter andern Umständen ist Vernunft gar nicht am Platz. Ich meine, vernünftig zu denken, wenn ein Anderer, dem ich vor-denke, gar nicht anders kann, als mir nach-zu-denken und mir beizustimmen. Nun gibt es zwei Mög- lichkeiten: Entweder, ich lasse es drauf ankommen; das wäre die pragmatische, die "findende", die problematische Version. Oder ich nehme eine prä-etablierte Übereinstimmung an, die eine andere Möglichkeit gar nicht offen lässt und einen wirklichen Andern gar nicht braucht; das ist die dogmatische Version, es ist die theologische Version, denn irgendwer, irgendwas müsste die Übereinstimmung ja prä-etabliert haben.
Hier hat Jacobi Fichte am Haken. Wenn er sich nicht ermannen kann, Vernunft pragmatisch, problematisch als ein Projekt aufzufassen, dessen glücklicher Ausgang durch nichts und niemand garantiert ist, dann muss er theoretisch, muss als einen Begriff 'Gott' zu Grunde legen. Mit andern Worten, er muss als Ergebnis der Transzendentalphilosophie die Transzendentalphilosophie leugnen.
Eine proiectio per hiatum irrationalem sei es, die Jacobi ihm hier zumute, meint Fichte, und sollte den Rest seines Lebens an den Versuch setzen, aus den Prämissen der Transzendentalphilosophie ein seiendes Absolutes herauszukonstruieren. Mit der Bestimmung des Menschen hat es, wie wir sehen werden, angefangen.
JE
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