Montag, 22. September 2014
Absoluter Anfang, Freiheit und Ursache seiner selbst.
Die Freiheit ist, nach Kant, das Vermögen, einen Zustand (Sein und Bestehen) absolut anzufangen.
Dies ist eine vortreffliche Nominal-Erklärung. Doch scheint im allgemeinen die Einsicht dadurch nicht viel gewonnen zu haben; denn es sind über die Freiheit noch immer beinahe lauter falsche Begriffe im Umlaufe. Es war nämlich die noch höhere Frage zu beantworten, wie denn ein Zustand schlechthin angefangen werden könne, oder wie sich das absolute Anfangen eines Zustandes denken lasse, welches einen genetischen Begriff der Freiheit gegeben, - diesen Begriff vor unseren Augen erzeugt hätte.
Dies ist von uns soeben geleistet worden. Der schlechthin angefangene Zustand wird nicht schlechthin an nichts angeknüpft; denn das endliche vernünftige Wesen denkt notwendig nur vermittelnd und anknüpfend so lange fort, bis er das Denken selbst ergreift. Nur wird er nicht an ein anderes Sein, sondern an das Denken angeknüpft.
Um aber den Begriff so aufzustellen, muss man freilich den Weg der Wissenschaftslehre gehen und zu gehen vermögen, von allem Sein als solchem (von der Tatsache) abstrahieren, und von dem, was höher ist denn alles Sein, von dem Anschauen und Denken (von dem Handeln der Intelligenz überhaupt) ausgehen. Derselbe Weg, der in der theoretischen Philosophie allein zum Ziele führt, das Sein (es versteht sich, für uns) zu erklären, macht / auch allein eine praktische Philosophie möglich. Hierdurch wird auch der oben gebrauchte Ausdruck: das Ich stellt sich selbst selbstständig hin, noch klarer.
Die erste Ansicht unseres Satzes: das Ich nimmt alles, was es ursprünglich ist (es ist aber ursprünglich nichts als frei) in die Anschauung, in den Begriff seiner selbst auf, ist schon vollständig erklärt. Es liegt aber in ihm noch mehr. Alles nämlich, was es in der Wirklichkeit sein kann, wo der Begriff Erkenntnisbegriff wird und der Intelligenz nur das Zusehen bleibt, hängt doch ursprünglich vom Begriffe ab. Was es je werden soll, dazu muss es sich selbst durch den Begriff machen, und was es je sein wird, dazu wird es sich durch ihn gemacht haben. Es ist in jeder Hinsicht sein eigener Grund und setzt auch in praktischer Bedeutung sich selbst schlechthin.
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System der Sittenlehre, SW Bd. IV, S. 37f.
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