Dienstag, 23. Juni 2015

Das sich-selbst-Bestimmen ist unbegreiflich.


Polyklet

Was ist dieses Bestimmte* selbst? Willkürlich als bloßer Akt gesehen. Hier mangelt die Sprache. Sagt man: Es ist ein Beschränken unserer selbst, i. e. unserer Reflexion von dem Mannigfaltigen auf ein einzelnes Bestimmte[s], so habe ich ja das Produkt der Einbildungskraft mit in der Definition. Welches auch nicht wegzuschaffen ist. 

Wir können unser Bestimmen nur denken als ein Übergehen oder Schweben zwischen mehreren Entgegen- gesetzten. Nun sollen wir aber diese Tätigkeit ohne Rücksicht auf das beide Entgegengesetzte [sic], zwischen dem sie schwebt, beschreiben. Um dies zu tun, müssten wir ganz andere Denkgesetze haben, oder unser Satz müsste falsch sein. 

Es ist also dieses nicht zu leisten, und wir müssen verfahren, wie wir mit jeder Idee verfahren, wir beschreiben nämlich nur das Gesetz, nach dem dieser Begriff zustande kommen müsste. Wir sagen: Sollte die bloße Bestimmung gedacht werden, so müsste das Bestimmbare weggedacht werden. Dies ist nicht möglich, denn dann müsste die bloße Ichheit oder das sich selbst Fassen und Ergreifen gedacht werden, und schon in den letzteren Ausdrücken ist schon [sic] sinnliche Unterscheidung des Ergreifenden vom Ergriffenen. So spricht man z. B. oft von einem unendlichen Raume, da dieser doch undenkbar ist und man sich bloß die Regel denkt, nach der er beschreiben werden müsste, nämlich das beständig währende Fortziehen.

Dieses sich Bestimmen ist der absolute Anfang alles Lebens und Bewusstseins, eben deshalb ists unbegreiflich, weil unser Bewusstsein immer etwas voraussetzt.

*) [= das durch Selbstbestimmung bestimmte]
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 208












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