Dienstag, 22. Mai 2018

Dogmatische Vernunft oder problematische Vernünftigkeit?


Es soll ein reiner Wille zu Grunde liegen, nicht ein empirisches Wollen, oder Vernunft überhaupt, oder Abso- lutheit des Vernunftreichs, welches bis jetzt noch unverständlich ist; dieses / ist das Bestimmbare zu einem Bestimmten, letzteres bin ich als Individuum, ich erkenne mich als Individuum, diese Erkenntnis ist oben ein Fortgehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten, ich bin - ein durch sich selbst herausgegriffener Teil aus dem Vernunftwesen; jetzt wird stillegestanden beim Hervorgehen der Individualität aus der Vernunft, welche so hervorgeht, dass ich mich finde als etwas nicht könnend oder dürfend,* was doch eigentlich für mich sein muss. 

Der bestimmte Akt ist hierbei ist Aufforderung zur freien Tätigkeit, diese kommt her und wird so beurteilt von einem anderen vernünftigen Wesen meinesgleichen. Das Selbstbewusstsein hebt also an von einem Herausgrei- fen aus einer Masse vernünftiger Wesen überhaupt. 
*) [= 'beschränkt']
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 176f. 


Nota. - Es ist zweierlei, ob ich die Vernunft - 'real' - als ein sich selber bestimmendes Subjekt zur Voraussetzung mache, oder - 'ideal' - die Vernünftigkeit als ein Bestimmbares an  wirklich daseienden Individuen. Letzteres wäre eine problematische Bestimmung, die sich im Weiteren zu bewähren hätte; ersteres wäre ein dogmatischer Glaubenssatz. Ist die Undeutlichkeit an dieser Stelle bloße Fahrlässigkeit (womöglich des Protokollanten Krause), oder gehört sie in das Kapitel "seine schwankende Vernunft"?

Nachtrag. Als menschliche Wesen, die bestimmt sind, sich als Ich zu setzen, sind sie vorausgesetzt als an-sich wollend. Die Vernünftigkeit kommt hinzu, sofern und indem sich alle gegenseitig (im selben Raum) als wollend anerkennen: Es ist die Selbstbegrenzung der Freiheit. Sie muss erst noch geschehen, damit wirkliche Vernünftig- keit=handelnde Vernunft zustande kommt. Vernunft ist Terminus ad quem.
JE


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