Donnerstag, 24. Mai 2018
Einbildungskraft ist das Vermögen, das Bestimmbare aufzufassen.
... hier* vereinigt die Einbildungskraft absolut das unendlich Teilbare der Handlungsmöglichkeiten; sie ist das Vermögen, das Bestimmbare zu fassen, welches das Denken nicht kann, da es bloß diskursiv ist;** aber es gibt ein besonderes Vermögen, das Entgegengesetzte zu fassen, die Einbildungskraft.
Die Vermögen des Ich müssen selbst deduzieret werden, so muss hier bewiesen werden, dass Einbildungskraft ist; dies ist hier deduziert, weil kein Bewusstsein und kein Ich [ist], wenn nicht ein Übergehen vom Bestimmba- ren aus ist, wenn nicht ein Bestimmbares für uns ist; dass es eine Einbildungskraft gebe, ist dadurch notwendig.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 202
*) [in der Vorstellung vom Raum.]
**) =weil es nur mit Bestimmtem operiert.
Nota. - "Das Bestimmbare" ist zunächst das Sinnliche. Richtiger, das Sinnliche erweist sich als bestimmbar. Schmerz und Lust sind nicht mehr bestimmbar, das hat die Stammesgeschichte längst besorgt. In der Umweltnische un- serer hominiden Vorfahren war noch das meiste, das sinnlich 'vorkam', durch die gattungsmäßige Einrichtung in ihrer Umwelt 'bestimmt'. Doch als unsere Vorfahren den Urwald verließen, sich auf die Hinterbeine aufrich- teten und in eine offene Welt ausbrachen, drangen massenhaft physische Reize auf sie ein, die nicht durch ihren Platz in einem Umweltgeflecht vor-bestimmt waren: Es 'zeigte sich' das Unbestimmte.
Die Gruppe unter unsern Vorfahren, die sich bereit fand, unter diesen Voraussetzungen fort zu fahren, musste ipso facto die Fähigkeit entwickeln, das werthaft Zweifelhafte zu bestimmen. Einbildungskraft nennt es Fichte, Kant folgend.
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