Samstag, 19. Mai 2018
Zu "Jacobi an Fichte".
Bei der projektierten philosophischen Zeitschrift wäre am Besten mit der Beantwortung des Jacobischen Schreibens von 1799 anzufangen.
Mit Jacobi kann durchaus nur der jetzt in Untersuchung befindliche Punkt über den eigentlichen Beginn des Ich mich in's Reine bringen, und ich müsste diesen mit höchster Deutlichkeit erst gefasst haben.
Erläutert wird dies durch die Freiheit. Die absolute Freiheit ist das absolute Erscheinen. Die Freiheit der Freiheit ist in allen Dingen nur ein Hingeben an das sie ergreifende Reale der absoluten Erscheinung. - Was ist nun das sich Hingebende? Es ist gar nichts Wahres, sondern es liegt lediglich in der Anschauung, und ist nichts an sich. Kannst du dies deutlich machen, so ist hier und dort Alles gewonnen. Auch ist der Gedanke in dieser Weise neu.
Jacobi's Missverständnis besteht darin: 1) dass er ein wirkliches, substantielles Ich voraussetzt, in das er die Ab- solutheit nicht gelegt wissen will, und meint, ich lege sie darein. 2) Dass er meint, durch die Philosophie solle ein neues Leben erlebt werden, oder dass sie meinen , das Reale a priori herleiten zu können u. dgl., und da er dies nicht in ihr findet, sie des Nihi/lismus bezüchtigt. Darüber habe ich mich in dem sonnenklaren Bericht deutlich genug ausgesprochen.
Wie fasse ich nun das Erste, um die Erscheinung nicht in die Zeit zu bringen, und den Begriff der Freiheit recht scharf zu fassen. - So wäre es gefasst: die Anschauungsform selber setzt das Ich mit seiner ganzen Freiheit hin. In ihr schwimmt es mit allen seinen Prädikaten, mit seinem Sichhingeben, seine Besinnung u.s.w.
Dies noch deutlicher: Das Ich ist niemals Grund der Anschauung, wie es scheint, sondern es erscheint nur so in der sich brechenden Einen Anschauung. In dieser Einen ist keine Zeit und kein Wandel; nur in der mit dem Ich wechselwirkenden ist derselbe nach ableitbaren Anschauungsgesetzen. - Gut.
Ich würde eben gut tun, Jacobi's Sätze einzeln durchzugehen, z. B. was er von der Freiheit sagt: Wer sie leugne, komme auf eine unbestimmte Aktuosität und Agilität an sich. Das hängt zusammen mit der Frage, die ich eben tun wollte, dass, wenn die Anschauung sich bricht, individualisiert, sie doch in die Zeitform selbst zu fallen scheint. - Da muss ich meinen Standpunkt wahrhaft über die Zeit nehmen; - wie gewinne ich den? Zeit, Ich, und die ganze mit ihm [sic] eintretende Synthesis liegt im Verstande, in dem Durch, das nun absolut unendlich ist; und in den Verstand, d. h. seine absolute Form, tritt das Reale, das göttliche Leben ein. In dieser höchsten Ursysnthesis ist die Einheit zugleich die Totalität und Unendlichkeit. Fasse ich jene Einheit, fasse ich zugleich das Prinzip der Faktizität, so ist jene Frage gelöst. - Das Durch scheint eben unwiederbringlich auf die Unendlichkeit zu führen: die Einheit aber muss über dem Durch liegen.
1) Anschauung daher (als Form) und innerer Gehalt des Lebens wären durchaus verschmolzen, und so wäre auch hier Einheit. - 2) Der Verstand ist wiederum dieselbe Einheit mit eine Unendlichkeit, nur in einer ganz anderen Form. Es ist ein Leben, das die Anschauung, als absolutes Prinzip, aus sich selbst herausgebiert. - Ich muss aber die Form desselben unabhängig von / der Unendlichkeit darstellen. Gut: da ist es Prinzip des Lebens, wenn ich dies zu seiner Zeit angemerkt habe, zum Unterschiede vom wirklichen Leben, das nicht Prinzip des Lebens, sondern unmittelbar selber Leben ist. Aus dieser faktisch unauflöslichen Synthesis von Gehalt und Form besteht nun die Erscheinung, die Wirklichkeit.
[Fortsetzung folgt]
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Zu "Jacobi an Fichte", SW XI, S. 390ff.
Nota. - Das sind Schreibtischnotizen, entsprechend zurückhaltend muss man sie interpretieren. Eins springt ins Auge: Die Sprache ist eine andere geworden. Aber das Denken auch. Es werden nicht Bedingungen der Möglich- keit aufgesucht, nicht aus Vorstellungen neue Vorstellungen hervorgebracht, sondern es wird frei spekuliert. 'Die absolute Freiheit ist das absolute Erscheinen.'
Transzendentalphilosophisch ist daran immerhin noch, dass hinter die Erscheinung nichts hinzugedacht werden soll. Was aber ist eine absolute Erscheinung im Unterschied zu einer bedingten Erscheinung? Dabei kann ich mir nur eins denken: eine Erscheinung vor Raum und Zeit; und so sagt er's ja: 'das Erste'. - Vorstellen kann ich mir darunter aber nichts mehr. Denken kann ich mir ein reales Absolutes, eine 'Erscheinung vor der Erscheinung'.
Dogmatische Spekulation, nichts Kritisches, nichts Transzendentales: Er lässt sich in Jacobis Denkweise verwik- keln, ohne es zu merken; jedenfalls ohne es anzuzeigen. Also führt er die "Eine" Anschauung ein, von der es aber heißt, dass sie sich 'bricht': wohl so, dass eine 'erscheinende' Anschauung in der Zeit dabei abfällt, nämlich indem sie 'mit dem Ich wechselwirkt'. Absolute Anschauung kann dann nur eine sein, die ohne Anschauenden aus- kommt; die selber Subjekt ist.
Kurz gesagt, an die Stelle des kritischen Blicks des Transzendentalphilosophen tritt das mystische Raunen der Druiden. La Belle Dame sans Merci hath thee in thrall.
JE
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