E. Muybridge
Die Wissenschaftslehre sucht sonach
den Grund von allem Denken, das für uns da ist, in dem innern Verfah- ren
des endlichen Vernunftwesens überhaupt. Sie wird sich kurz so
ausdrücken: Das Wesen der Vernunft be- steht darin, dass ich mich selbst
setze, aber das kann ich nicht, ohne mir eine /
Welt, und zwar eine bestimmte Welt entgegenzusetzen, die im Raume ist
und deren Erscheinungen in der Zeit aufeinanderfolgen; dies alles
geschieht in einem ungeteilten Moment; da Eins geschieht, geschieht
zugleich alles Übrige.
Aber die Philosophie und besonders
die Wissenschaftslehre will diesen einen Akt genau kennen lernen, nun
aber lernt man nichts genau kennen, wenn man es nicht zerlegt und
zergliedert. So macht es also auch die Wis- senschaftslehre mit dieser
einen Handlung des Ich, und wir bekommen eine Reihe miteinander
verbundener Handlungen des Ich – darum, weil wir die eine Handlung nicht
auf einmal fassen können, weil der Philosoph ein Wesen ist, das in der
Zeit denken muss.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 8f.
Nota I. – Hier steht es unmissverständlich: Das Wesen der Vernunft besteht in einem Akt. Vorher war nichts, es kommt hernach nichts hinzu; keine Bedingung, keine Einschränkung, keine Erweiterung. Sollte er wirklich von allem Anfang an der Vernunft ein – immanentes oder ihr vorausgesetztes – Programm zu-gedacht haben, so müsste er es heimlich getan haben; gesagt hat er jedenfalls ausdrücklich das Gegenteil..
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Nota II. - Um mich als Ich zu setzen, muss ich mir eine reale Welt entgegensetzen, die in Raum und Zeit besteht und in denen das Gesetz von Ursache und Wirkung herrscht. Meine Aufgabe ist das Fortbestimmen der Dinge in der Welt und eo ipso meiner selbst, und das ist nichts anderes als das freie Bestimmen meiner Zwecke mit und zwischen ihnen. Der Aufgabe wurde ich gewahr, indem ich mich in einer Reihe vernünftiger Wesen vor- fand, unter denen ich meine Zwecke so bestimme, dass auch sie die ihren frei bestimmen können. Summa: Ver- nunft besteht in der Suche nach gemeinsamer Zweckbestimmung.
Das ist, grob gesagt, das Schema der Wissenschaftslehre. Hinzugefügt sei, dass hier das wirkliche Verfahren der Transzendentalphilosophie umgekehrt wird. Ihr tatsächlicher Ausgangspunkt war nicht ein Ich, das sich setzen soll, sondern vielmehr die vorgegebene Vorstellung von Vernunft als der Aufgabe, gemeinsame Zwecke zu be- stimmen. Von diesem Ausgangspunkt ging sie zurück zu den Bedingungen seiner Möglichkeit und fand auf - ein Unbestimmtes, das sich als Ich setzen soll.
JE
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