Samstag, 10. November 2018

Das absolute Objekt der idealen Tätigkeit.



Das Objekt der vorbeschriebnen Anschauung ist ein Begrenzendes, ein Seiendes, aber durch ein Sein wird ein anderes verneint. Ein Begrenzendes nicht ohne Begrenzung, ein Sein nicht ohne etwas, das durch das Sein aufgehoben wird.

Der eigentliche Charakter der Anschauung kann nicht aufgehoben werden; wir haben aber einen Hang, ihn aufzuheben, weil im gemeinen Bewusstsein nie Anschauung, sondern immer Begriffe vorkommen.


Das, was durch das Sein des Objekts aufgehoben wird, ist nicht Tätigkeit des Ich. In der Anschauung wird kein Ich gesetzt; das Ich verschwindet im Objekte. Die Anschauung geht auf das Objekt, das, was durch das Seiende ausgeschlossen //85// wird, ist auch ein Objekt, es ist das Ideal als solches Objekt der Anschauung.

Das Objekt der erstbeschriebnen Anschauung ist ein Begrenzendes, Begrenztheit des Ich, aber qualis talis kann sie nicht gesetzt werden, das Ich kommt nicht in der Anschauung vor. Es ist also etwas der Anschauung Vor- schwebendes, ein bloßes Objekt ohne Subjekt. Diesem soll etwas entgegengesetzt werden, welches dasselbe negiert, dies ist also Objekt in der höchsten Bedeutung; etwas, worauf die ideale Tätigkeit sich bezieht, das aber nichts ist, woraus das Streben erklärt werden soll. Dies ist das Ideal.
__________________________________________  
Wissenschaftslehre nova methodo,  Hamburg 1982, S. 84f.  


Nota I. - Im gemeinen Bewusstsein kommen nur Begriffe vor, nicht aber die Anschauungen, die ihnen zu Grunde liegen. Das ist nun das primäre Spezifikum der Wissenschaftslehre: dass sie auf die Anschauung geht und nicht auf die Begriffe. Das macht das grundlegend Kritische daran aus.

Doch das gemeine Denken bestimmt bis heute die Schulphilosophie. Wo über Fichte geschrieben wird, geschieht es - sei es zustimmend, sei es ablehnend - so, als habe er seine Philosophie aus Begriffen konstruiert und als dür- fe man ihn mit einem Kant oder Hegel vergleichen. Es ist gut, dass er an dieser Stelle den Unterschied deutlich ausspricht, aber viel nützen wird es nicht.

Nota II. - Ein sachlich Neues ist in diesem Absatz die Idee eines absoluten Objekts der Anschauung, auf das die ideale Tätigkeit abzielt, das sie aber nicht begründet; nicht begründen muss, weil sie in der Freiheit schon immer selbstbegründet ist. Die Freiheit gibt die Kraft, die Richtung weist das Absolute - das Wahre, Unbedingte, Zweck der Zwecke.

21. 9. 16

Nota III. - Der kritische Regress der Transzendentalphilosophie hat eine einzige, erste Bedingung der Vernunft aufgefunden, ohne die sie schlechterdings nicht denkbar ist: eine an sich unbestimmte, bestimmbare und sich-selbst bestimmende prädikative Qualität.

Sie ist der absolute Anfang, von dem aus die Wissenschaftslehre den Selbstbestimmungsgang der Vernunft re- konstuiert.* Doch ist es ein Gang ins Unendliche - das ewig unbestimmt Bleibende; immer weniger zwar, und doch absolut. Dieses wiederum ist der absolute Zweck der Vernunft. 

'Das Absolute kann nicht gedacht werden, denn gedacht werden kann nur Bestimmtes; wäre es aber bestimmt, wäre es nicht absolut. Gedacht werden kann allenfalls, was es selbst bestimmt hat: die von ihm begonnene Kau- salreihe. Nicht als Bestimmtes, doch auch nicht als Bestimmendes kann es gedacht werden - sondern nur als das, was vor dem Beginn der Reihe angenommen werden muss. Ein Akt der Freiheit kann, wie gesagt, nicht begriffen werden.' 17. 12. 16

Gedacht werden kann es nicht. Aber es gibt eine Weise, es anzuschauen.
JE 


*) '... im zweiten, rekonstruierenden Gang der Wissenschaftslehre ist das Wollen-schlechthin sachliche Be- dingung des Vorstellens. Das Was des Wollens ist das schlechthin Bestimmbare, das Zubestimmende. Das wirkliche Vorstellen ist immer nichts anderes als ein Fortschreiten in der Bestimmung - des Zwecks. Dieser Fortschritt geht ins Unendliche und der Zweck-schlechthin bleibt auf ewig unbestimmt, weil bestimmbar. Ob er als solcher im Bewusstsein tatsächlich vorkommt, ist unerheblich: Er kann vorkommen, wenn man will; darauf kommt es an.' 14. 6. 16



 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen