Die Wissenschaftslehre sucht sonach
den Grund von allem Denken, das für uns da ist, in dem innern Verfahren
des endlichen Vernunftwesens überhaupt. Sie wird sich kurz so
ausdrücken: Das Wesen der Vernunft besteht darin, dass ich mich selbst
setze, aber das kann ich nicht, ohne mir eine /
Welt, und zwar eine bestimmte Welt entgegenzusetzen, die im Raume ist
und deren Erscheinungen in der Zeit aufeinanderfolgen; dies alles
geschieht in einem ungeteilten Moment; da Eins geschieht, geschieht
zugleich alles Übrige.
Aber die Philosophie und besonders die Wissenschaftslehre will diesen einen Akt genau kennen ler- nen, nun aber lernt man nichts genau kennen, wenn man es nicht zerlegt und zergliedert. So macht es also auch die Wissenschaftslehre mit dieser einen Handlung des Ich, und wir bekommen eine Reihe miteinander verbundener Handlungen des Ich – darum, weil wir die eine Handlung nicht auf einmal fassen können, weil der Philosoph ein Wesen ist, das in der Zeit denken muss.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 8f.
Nota I. – Hier steht es unmissverständlich: Das Wesen der Vernunft besteht in einem Akt. Vorher war nichts, es kommt hernach nichts hinzu; keine Bedingung, keine Einschränkung, keine Erweiterung. Sollte Fichte wirklich von allem Anfang an der Vernunft ein – immanentes oder ihr vorausgesetztes – Programm zu-gedacht haben, so müsste er es heimlich getan haben; gesagt hat er jedenfalls ausdrück- lich das Gegenteil.
26. 10. 2015
Aber die Philosophie und besonders die Wissenschaftslehre will diesen einen Akt genau kennen ler- nen, nun aber lernt man nichts genau kennen, wenn man es nicht zerlegt und zergliedert. So macht es also auch die Wissenschaftslehre mit dieser einen Handlung des Ich, und wir bekommen eine Reihe miteinander verbundener Handlungen des Ich – darum, weil wir die eine Handlung nicht auf einmal fassen können, weil der Philosoph ein Wesen ist, das in der Zeit denken muss.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 8f.
Nota I. – Hier steht es unmissverständlich: Das Wesen der Vernunft besteht in einem Akt. Vorher war nichts, es kommt hernach nichts hinzu; keine Bedingung, keine Einschränkung, keine Erweiterung. Sollte Fichte wirklich von allem Anfang an der Vernunft ein – immanentes oder ihr vorausgesetztes – Programm zu-gedacht haben, so müsste er es heimlich getan haben; gesagt hat er jedenfalls ausdrück- lich das Gegenteil.
26. 10. 2015
Nota II. - Vernunft ist in ihrer Wirklichkeit nichts anderes als vernünftiges Handeln, und das geschieht nirgend anders als in Raum und Zeit. Die Wissenschaftslehre zählt nicht auf, was alles unter die Bestim- mung 'vernünftiges Handeln' fällt - da käme sie nie zu Ende und es hätte auch gar keinen Sinn: Denn nicht, was alles vernünftig sei, ist die Frage; sondern was das Vernünftige daran sei. Das ist ein Begriff, und der liegt - sofern er nämlich nur gedacht werden kann - außerhalb von Raum und Zeit.
Es muss der Begriff analysiert werden. Aber wiederum nicht so, dass alle Bestimmungen aufgezählt werden, die in ihm aufgefunden werden können. Sondern so, dass ersichtlich wird, durch welche Ak- te der Vorstellung er zustande gekommen ist (oder sein muss).
Wir beginnen bei einer mannigfaltigen Bestimmtheit und suchen auf, was sie so und nicht anders be- stimmt hat: durch welche Bestimmungen die Bestimmtheiten bestimmt wurden. Bei diesem Regress müssen wir bei einer ersten Bestimmung und eo ipso einem ersten Bestimmenden ankommen - wenn anders der Begriff bestimmt sein und nicht aus der diskursiven Verwendung verbannt werden soll!
Wenn - vorwärts - die eine Bestimmung aus der vorangegangen hervorgebracht wurde, ist - rückwärts - die gegenwärtige Bestimmung von den vorangegangen abhängig. Sich dabei eine zeitliche Dauer vor- zustellen ist überflüssig und irreführend. Es handelt sich um gedankliche Abhängigkeit und geneti- sche Folge. Den genetische Zusammenhang des Ganzen fasst der Begriff in einem dynamischen Mo- dell. Dieses gibt es nur in Gedanken und jenseits von Raum und Zeit* - 'als wärs in einem einzigen Moment und jederzeit und überall'.
*) Freilich geschieht das Hervorbringen einer Vorstellung aus einer voran gegangenen nach einander. Doch wo kein Raum zu durchmessen ist, hat das Nacheinander keine Dauer.)
JE
Es muss der Begriff analysiert werden. Aber wiederum nicht so, dass alle Bestimmungen aufgezählt werden, die in ihm aufgefunden werden können. Sondern so, dass ersichtlich wird, durch welche Ak- te der Vorstellung er zustande gekommen ist (oder sein muss).
Wir beginnen bei einer mannigfaltigen Bestimmtheit und suchen auf, was sie so und nicht anders be- stimmt hat: durch welche Bestimmungen die Bestimmtheiten bestimmt wurden. Bei diesem Regress müssen wir bei einer ersten Bestimmung und eo ipso einem ersten Bestimmenden ankommen - wenn anders der Begriff bestimmt sein und nicht aus der diskursiven Verwendung verbannt werden soll!
Wenn - vorwärts - die eine Bestimmung aus der vorangegangen hervorgebracht wurde, ist - rückwärts - die gegenwärtige Bestimmung von den vorangegangen abhängig. Sich dabei eine zeitliche Dauer vor- zustellen ist überflüssig und irreführend. Es handelt sich um gedankliche Abhängigkeit und geneti- sche Folge. Den genetische Zusammenhang des Ganzen fasst der Begriff in einem dynamischen Mo- dell. Dieses gibt es nur in Gedanken und jenseits von Raum und Zeit* - 'als wärs in einem einzigen Moment und jederzeit und überall'.
*) Freilich geschieht das Hervorbringen einer Vorstellung aus einer voran gegangenen nach einander. Doch wo kein Raum zu durchmessen ist, hat das Nacheinander keine Dauer.)
JE
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