Montag, 3. Juni 2019

Die Vorstellung von Kraft beruht auf den Vorstellungen von Wollen und Wirken.



Diese Vorstellung von Kraft lässt sich nur ableiten vom Bewusstsein des Wollens und der mit dem Wollen vereinigten Kausalität. Es ist also zuerst die Frage zu beantworten: Wie finden wir uns denn, indem wir uns wollend finden und diesem Wollen eine Kausalität in der Sinnenwelt zuschreiben? Dieser Punkt kann nicht aus Begriffen abgeleitet werden. Er ist ein weiter nicht abzuleitendes Erstes. – Man muss sich das Wollen überhaupt und die Form des Wollens reproduzieren und sich bei diesem Verfahren beobachten.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 123 


Nota I. - Ein anschauliches Beispiel dafür, inwiefern die genetische Methode der Wissenschaftslehre weder eine logische noch eine historische ist. In der Geschichte unseres Denkens war nicht zuerst eine Idee von wollen da, später kam eine Idee von wirken hinzu, und schließlich ein geistige Bild von Kraft. Und logisch würde man Kraft zuerst in der Physik bestimmen, wollen in der empirischen Psychologie und wirken vielleicht in der Metaphysik. Genetisch setzt dagegen die Vorstellung von Kraft die Vorstellungen von Wille und Wirkung voraus; sie kann nur aus ihnen hergeleitet werden. 

17. 5. 15 

Nota II. - Historisch, nämlich im Erleben von wirklich in ihrer Welt tätigen Individuen, war Kraft 'da' als eine Anschauung. Wollen, wirken, tun kam denen, die unter ihnen Philosophen waren, und die gab es schon zu Zeiten der Olympischen Spiele, erst nachträglich als Reflexionsprodukt in den Sinn. 

Die Wissenschaftslehre verfährt aber andersrum, umgekehrt: Nachdem sie als Ursprung allen wirklichen Setzens die Abstraktion eines Setzens-überhaupt, das Vermögen des Setzens vor aller Bestimmung freigelegt hat, macht sie kehrt und fügt Schritt für Schritt die Bestimmungen einzeln wieder hinzu. Und da sind wollen und wirken auf einander folgende Stufen der Bestimmtheit. Und schließlich werden sie anschaulich als Kraft.

Quod erat demonstrandum? Ja, genau! Die Probe auf die Wissenschaftslehre ist, ob sich ihr Abstieg ins Unbe- stimmte, ins schlechterdings Bestimmbare, so umkehren lässt, dass sich im Ergebnis die Befunde der tatsäch- lich gegebenen Vernunft, alias der Gesunde Menschverstand, durch fortschreitende Bestimmung daraus rekon- struieren lassen; freilich mit der Zutat, dass er sich erinnert, wie er sich hat verrenken müssen, um zu sich zu- rückzufinden.
JE

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