Anschauung und Begriff.



Fichte habe den Deutschen Idealismus begründet, heißt es in den Kompendien der Philosophiegeschichte. Und darunter versteht man allenthalben - entfessselte Begriffshuberei, dass einem der Kopf schwirrt. Dass indessen Begriffe ohne Anschauung leer sind, hatte Fichte noch nicht wieder vergessen; das kam erst mit dem Nach- folger auf seinem Berliner Lehrstuhl. Bei Fichte führt der Begriff ein nicht unehrenhaftes, aber ganz maßvolles Dasein. Nicht positiv, sondern rein kritisch. 

Der Begriff ist ein bestimmtes Bild. Das angeschaute Bild ist Stoff der Vorstellung, es ist das zu-Bestimmende. Im Begriff wird es reproduzierbar und operativ. Kein Baustein und schon gar kein Selbstläufer in einem meta- physischen Karussell, sondern ein Seziermesser in der Hand des Philosophen.
JE 


Qualia, oder: Bilder sind der Stoff der Vorstellung.

René Burri, Giacometti aveugle

Die Wissensschaftslehre hat es noch nicht zu tun mit dem System der durcheinander in gegenseitiger Wech- selbestimmung voneinander abgegrenzten und miteinander verketteten Begriffe - SymbolnetzSprachspiel usw. Ein  solches System wäre eine Allgemeine Logik. Das ist die Wissenschaftslehre nicht. Ihr Verfahren ist daher nicht diskursiv.

In der Wissenschaftslehre tritt der Begriff noch auf in seiner Entstehung - als gesetzte Vorstellung. Sie gibt nicht an, wie man einen Begriff wiederauffindet durch Nachsuche im allgemeinen Verweisungsgeflecht, sondern wie man eine Vorstellung hervorbringt, indem man die zu ihrer Herstellung notwendigen Handlungs- schritte nach-vollzieht. Ihr Verfahren ist genetisch. Gesetzt ist die Vorstellung als Bild, das man anschauen kann, indem man es selber malt. Das Bild ist Quale, ist der Stoff der Vorstellung: Es ist das zu-Bestimmende. Es wird als Ganzes produziert, aber nicht aus vorliegenden Teilen re-produziert. Voausgesetzt ist immer nur eine von jedem selbst zu unternehmende erste Handlung, aus der alles weitere folgt - nicht an sich, sondern nur, wenn man es will.



Anschauung kommt vor Begriff.


Der Begriff entsteht mit der Anschauung zugleich in demselben Moment und ist von ihr unzertrennlich. Es scheint uns, als ob der erste eher hätte sein müssen, aber es scheint nur so, weil wir den Begriff auf eine Anschauung beziehen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Nachschrift K. Chr. Fr. Krause, 
Hamburg 1982, S. 33  [Rechtschreibung angepasst] 



Nota. - Die Wissenschaftslehre hat zum Gegenstand das  uns heute gegebene System des Wissen. Dieses will sie verstehen: zurückführen auf seine immanenten Prämissen. Sie beschreibt nicht, wie dieses System in der histo- rischen Wirklichkeit entstanden ist. Entstehen konnte es nur, indem aus den wirklich vorkommenden Vorstel- lungen progressiv alles für die Systembildung Unbrauchbare ausgeschieden wurde. Es ist Material einer histori- schen Darstellung. In einer Darstellung des fertigen Systems hat es nicht zu suchen. 

Der 
Teilhaber dieses Systems  - einer 'Reihe vernünftiger Wesen' - kann nicht anders, als seine Vorstellungen mit dem ihm als Apriori gegebenen System ins Verhältnis zu setzen: Seine Vorstellungen drängen zum Begriff. Dass sie von ihm "unzertrennlich" wären, trifft aber nur in der einen Richtung zu: Die Begriffe sind von den in ihnen gefassten Vorstellungen unzertrennlich. Doch nicht gilt die Umkehrung. Nicht jede Vorstellung bedarf ihrer Bestimmung; sondern nur diejenige, die mit den Andern (='vernünftigen Wesen') geteilt werden soll. Was ich ganz für mich behalten darf, mag unbestimmt und begriffslos bleiben.

In einer historischen Darstellung müsste gezeigt werden, dass und wie die Vorstellungen zu Begriffen erst wurden - im Verkehr.
JE 









1. August 2016

Anschauung wird Begriff, Begriff wird Anschauung.



Dies untersuchen wir nach der oben vorgetragenen Lehre von der Anschauung und Begriff.

Alles Bewusstsein geht aus von dem oben angezeigten unmittelbare Bewusstsein (§1). Das durch und in diesem Bewusstsein sich selbst Setzende = A ist eine von uns, die wir philosophieren, mit Freiheit der Willkür hervor-gebrachte Repräsentation des unmittelbaren Bewusstseins. (Das unmittelbare Bewusstsein ist in allem Bewusst-sein das Bewusstseiende, aber nicht das, dessen man sich bewusst ist, das Auge sieht hier das Sehen des Auges). Die Repräsentation brachten wir hervor mit Willkür. Wir hätten auch von etwas anderem reden können; so haben wir zur Seite liegen lassen, ob es nicht in anderer Rücksicht mit Notwendigkeit repräsentiert werden könne. – Dieses A, dieses Zuschauen des sich Setzens, ist Anschauung, und zwar innere, intellektuelle Anschau-ung. – 

Schon im ersten Paragraphen fanden wir, dass keine Anschauung, also auch die Anschauung A nicht, möglich ist ohne Begriff. Welcher Begriff muss mit der Anschauung A verknüpft werden? Etwa der beabsichtigte B? Offenbar nicht, denn der, den wir suchen, muss im Gegebenen liegen, dieser Begriff wäre sonach der, durch den die Anschauung A bedingt wird = C, das Bestimmbare oder ruhende Tätigkeit. Also C ist in  Beziehung auf die Anschauung A der Begriff, der sie bedingt.

Dieser Begriff C ist nun in anderer Beziehung auch Anschauung zu nennen. Er ist das unmittelbare Bewusstsein selbst, das nicht angeschaut, sondern begriffen wird; nicht als Tätigkeit, sondern als Ruhe. Dieser Begriff ist das in der Anschauung A Nachgemachte. (Alles Anschauen ist ein Nachbilden.) Dieser Begriff ist der unmittelbare und höchste, gegründet auf die intellektuelle Anschauung, die als solche nie Objekt des Bewusstseins wird; aber wohl als Begriff, in diesem Begriff und vermittelst dieses Begriffes findet das Ich sich selbst und erscheint sich als gegeben.

Ich kann mich nicht anders begreifen denn als Ich, das heißt als sich selbst Setzendes, also als Anschauendes. Jener Begriff ist also der Begriff eines Anschauens und in dieser Rücksicht selbst Anschauung zu nennen. Das Ich ist sich selbst setzend (ein sich selbst setzendes Auge), und als solches wird / es begriffen, also begriffen als Anschauung. C ist Begriff in Beziehung auf A, Anschauung in Beziehung auf ein mögliches x. Ich finde mich anschauend als anschauend Etwas x. (Die innere und äußere Anschauung ist bei Kant nur sinnlich, das Ich erscheint bei ihm nur als bestimmt, bei mir aber als bestimmend.)

Im vorigen Paragraphen war C nur Begriff, hier ist es Begriff und Anschauung. In der Folge wird es Anschauung sein; es kann Verschiedenes bedeuten, je nachdem es in verschiedenem Verhältnisse gesetzt wird.
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Wissenschaftslehre nova methodo, 
Hamburg 1982, S. 40f.



Nota. - Fichte hat den Ausdruck Dialektik nie für seine Methode in Anspruch genommen, und sein Nachfolger auf dem Berliner Lehrstuhl, der ihn zum Arkanum seines totalitären Systems machte, hat aus Fichtes 'analytisch-synthetischer Methode' gerade das entfernt, was den Ausdruck Dia lektik rechtfertigen könnte: das treibende Moment des schlechterdings wollenden Subjekts, und an seine Stelle die 'Selbstbewegung des Begriffs' gesetzt - der zwar hier in dieser, dort in jener Bestimmung 'erscheint', aber doch immer er selber, immer Begriff bleibt; immer Objektivum. 

In einer rationellen Dialektik tritt der Begriff dagegen stets nur als eine Vorstellungsweise des wollenden Subjekts auf, so wie die Anschauung auch, und wenn sie miteinander 'die Stelle wechseln' können, so nur, weil jenes seine Stellung wechselt. JE
1. 8. 16



Begriff ist Tätigkeit - als Ruhe aufgefasst.

Albrecht E. Arnold, pixelio.de

Man nennt die innere Thätigkeit, in ihrer Ruhe aufgefasst, durchgängig den Begriff. ... Der Begriff ist überall nichts anderes, als die Thätigkeit des Anschauens selbst, nur nicht als Agilität, sondern als Ruhe und Bestimmt- heit aufgefasst. ...

Im gemeinen Bewusstseyn kommen nur Begriffe vor, keinesweges Anschauungen als solche; unerachtet der Begriff nur durch die Anschauung, jedoch ohne unser Bewusstseyn, zu Stande gebracht wird. Zum Bewusst- seyn der Anschauung erhebt man sich nur durch Freiheit, wie es soeben in Absicht des Ich geschehen ist; und jede Anschauung mit Bewusstseyn bezieht sich auf einen Begriff, der der Freiheit die Richtung andeutet. Daher kommt es, dass überhaupt, so wie in unserem besonderen Falle, das Object der Anschauung vor der Anschauung vorher daseyn soll. Dieses Objekt ist eben der Begriff. Nach unserer gegenwärtigen Erörterung sieht man, dass dieser nichts anderes sey, als die Anschauung selbst, nur nicht als solche, als Thätigkeit, sondern als Ruhe aufgefasst.
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Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre [1797] SW I, S. 533f.



Nota. - Hier ist erst die Rede von der Herkunft der Begriffe. Sie 'stammen' nicht erst aus der Anschauung, sie sind die Anschauung; allerdings nicht in ihrer tätigen Verlaufsform vorgestellt, sondern als Gedächtnisspur.

Dass die Vernunft hernach aus der Welt der Begriffe ein sich wechselseitig bestimmendes System bildet, das sie als ihre wesentlichste Leistung auffasst und den Schein einer sachlichen, nicht-tätigen 'Dialektik' zulässt, fällt in ein viel späteres (oder früheres, wenn man will) Kapitel der Vernunftkritik.

Tätiges Anschauen ist (noch durch mich) bestimmbar; im Begriff gilt es als (schon durch ein Objekt) bestimmt.
JE






Fichtes drei Arten, vom Begriff zu reden.


Nach rationaler Auffassung ist die Welt ein unbegrenzter, aber endlicher Raum, der vollständig von Bedeu- tungsquanten ausgefüllt ist, die einander einschränken und bestimmen. Viele dieser Quäntchen mögen noch unerkannt sein, doch nicht zuletzt darum ist ihr Raum unbegrenzt.

Daneben und aus eigener Evidenz gilt der Satz, die Bedeutung der Begriffe bestünde aus ihrer Verwendung im Sprachspiel.

Beide gemeinsam, der eine stillschweigend, der andere als Gemeinplatz der gehobenen Konversation, liefern alternierend das Standardmodell zeitgenössischen Vernunftgebrauchs. Dabei tun sie beide, als kennten sie ein- ander gar nicht.

Denn sie sind beide verschiedenen Ursprungs und weisen in verschiedene Richtung. Ihre Partnerschaft ist rein pragmatisch, nebeneinander eiern sie mehr als dass sie rundliefen, für die Unzulänglichkeiten der einen muss immer die andere aufkommen.

Eine der beiden vorherrschenden Parteien in der gegenwärtigen Philosophie macht sich nun daran, die beiden unter denselben Hut zu bringen, und nennt sich wohl darum, will es mir scheinen, die systematische.

*

Wie immer in solchen Fällen, weist die Transzendentalphilosophie den Ausweg aus den Aporien, nämlich in ihrer zugespitzten Form, der Fichte'schen Wissenschaftslehre.

Der Begriff ist Bestimmtheit als dieses. Bestimmbar ist nicht das an und für sich Fremde, auf das ich stoße. Be- stimmbar ist, was ich an ihm, mit ihm vorhabe. Was 'es' ist, werde ich erfahren, indem ich diese (oder jene) Absicht an ihm versuche: an dem Widerstand, den es ihr leistet. 

Bestimmung ist Absicht. Sie gilt vorab meiner Tätigkeit, bevor diese meinen Gegenstand trifft. Bestimmung ist zuerst Zweck begriff.

Bevor ich noch meine Absicht im Gegenstand tätig verwirklicht habe, habe ich sie mir in der Reflexion vorge- stellt. Was an meiner Tätigkeit Absicht war, erscheint nun an ihrem Gegenstand als dessen Begriff. Aus meiner un- ruhigen Tätigkeit ist ein ruhendes Sosein geworden. Aus tätigem bestimmen sachliche Bestimmtheit. Im Begriff ging das agile, dynamische Moment verloren. Übrig bleibt die Bestimmung so, als wäre sie selbst ein Seiendes.


*


Bis hierher war 'das Ich' mit sich und dem Gegenstand allein. Das dürfte in unserer wirklichen Geschichte niemals vorgekommen sein. In Wahrheit werden die Menschen an den Dingen immer gemeinsame Zwecke gemeinsam verwirklicht haben, notgedrungen. In Wahrheit standen sie immer miteinander in engerem oder weiterem Verkehr. Sachlich so wie in ihrer Vorstellung. In der transzendentalen Nacherzählung macht das Ich seine Tätigkeiten an seinen Gegenständen allein. In der historischen Wirklichkeit wird schon immer eine Gemein- schaft von Individuen - 'das Ich' - sowohl den Gegenständen begegnet als ihre Absichten gegen sie gefasst haben; die Individuen wurden Iche überhaupt erst, indem sie am gemeinsamen Bestimmungsprozess beteiligt waren. 

Man kann es anders ausdrücken: Die Individuen, die ihre eigenen Absichten für sich allein realisiert haben und an denen es nicht gefehlt haben mag, konnten weder sachliche noch begriffliche Spuren hinterlassen.

Was auf dasselbe herauskommt. Denn in der Betrachtung nach Maßgabe der Begriffe bleibt nur das Allgemeine erhalten. Das Individuelle geht unter.


 

Untergegangen ist vor allem das Individuelle schlechthin: die Tätigkeit, richtiger das tun. Wo ist im rationalen System die Tätigkeit geblieben? Die Tätigkeit blieb in der Verknüpfung der Begriffe erhalten. Logik ist das allge- meine Schema des Handels. Was in der wirklichen Vorstellung dynamisch als Tätigkeit des Bestimmens* vor- kam, ist in der logischen Darstellung zur statische Anschauung der Formeln - Verhältnis, Methode - geronnen. Sie steht nun selbstständig als tote Form neben dem ebenso toten begrifflichen Stoff.

Das Verfahren kam aber nicht vor der Tätigkeit und lag ihr zugrunde, sondern entstand aus der nachträglichen Reflexion auf sie; sie liegt ihm zu Grunde. Das wird im rationalen System ins Gegenteil mystifiziert; das ist der harte Kern aller Metaphysik.

*) Das Schließen ist das synthetische Fortschreiten in der Bestimmung.


*

Metaphysik ist die ständige Versuchung der Vernunft in ihrer alltäglichen Gebrauchsform. Dort schadet sie nicht, sondern regt womöglich noch die Phantasie an. Anders ist es in den nichtalltäglichen Gebräuchen; überall dort etwa, wo es nicht mehr nur um das Verhältnis von Mitteln und Zwecken geht, sondern um die Zwecke selbst.

So in den Fragen den Rechts. Im Naturrecht ist Fichte an den Punkt gelangt, wo er von der kritischen Rekon- struktion eines Begriffs zu dessen Verwendung im reellen Gebrauch übergehen muss. Mit andern Worten: Hier verlässt er den Boden der Transzendentalphilosphie und tritt in eine faktische Wissenschaft über.
10. 3. 19

 

 

 

 

Anschauung ist blind.


Das Ich verliert sich selbst im Objekte der Anschauung in der Anschauung [sic]. Oder, wie Kant sagt: die Anschauung ist blind. Sonach in der Anschauung schwebt mir etwas unmittelbar vor; ich frage nicht, woher es komme. Das Objekt ist einmal da und ist schlechthin da. Dem Anschauen wird es so, nun kommt das Anschauen nicht zum Bewusstsein, mithin ist das Objekt auf dem gemeinen Standpunkt unmittelbar da. So kommt das Objekt ursprünglich im Bewusstsein vor. Eine Philosophie, die dies leugnet, ist grundlos.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982,  S. 83








Das Fühlen ist selber Realität.



Wie kann nun das Gefühl Gegenstand eines Begriffs werden? Bei der Anschauung wird eine Realität voraus-gesetzt, aber beim Fühlen nicht, das Fühlen ist selber Realität, die vorkommt. Ich fühle nicht etwas, sondern ich fühle mich. - Welches ist nun der Übergang aus dem Gefühl zur Anschauung?Ich kann kein Gefühl an-schauen, außer in mir; soll ich ein Gefühl anschauen, so muss ich doch fühlend sein. Es wird schlechthin re-flektiert. Das Ich erhebt durch eine neue Reflexion, die mit absoluter Freiheit geschieht, sich über sich selbst, sich das Anschauende über sich, inwiefern es fühlend wird, es wird dadurch selbstständig.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982,  S. 71




Begriffe entstehen durch Handeln und sind nur um des Handelns willen da.
klettern

Der Kantische Satz: Unsere Begriffe beziehen sich nur auf Objekte der Erfahrung, erhält in der Wissenschaftslehre die höhere Bestimmung: Die Erfahrung bezieht sich auf Handeln, die Begriffe entstehen durch Handeln und sind nur um des Handelns willen da, nur das Handeln ist absolut. 
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J. G. Fichte, Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 61





Handeln, anschauen, Begriff. 

M. Großmann  / pixelio.de

Handeln ist gleichsam Agilität, Übergehen im geistigen Sinne, dieser Agililtät wird im Bewusstsein entgegengesetzt ein Fixiertes, ein Beruhen; umgekehrt kann ich mir auch der Ruhe nicht bewusst werden, ohne dass ich mir der Tätigkeit bewusst bin. Man muss daher beide zugleich ansehen, um eins von beiden einzeln ansehen zu können. Nur durch Gegensatz ist ein bestimmtes klares Bewusstsein möglich. ... 

Ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Zustand der Ruhe, / in dieser Ruhe wird das, was eigentlich Tätigkeit ist, ein Gesetztes, es bleibt keine Tätigkeit mehr, es wird ein Produkt, aber nicht etwa ein anderes Produkt als die Tätigkeit selbst, kein Stoff, kein Ding, welches vor der Vorstellung des Ich vorherging; sondern bloß das Handeln wird dadurch, dass es angeschaut wird, fixiert; so etwas heißt ein Begriff, im Gegensatz der Anschauung, welche auf die Tätigkeit als solche  geht.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Nachschrift K. Chr. Fr. Krause, Hamburg 1982, S. 32 
[Rechtschreibung angepasst]








Zwischen anschauen und denken steht der Begriff.


Nur die Anschauung lässt sich anschauen, nicht denken; das Denken lässt sich nur denken, nicht anschauen. Jede Äußerung des Gemüts lässt sich nur durch sich selbst auffassen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 32

Nota. - Die Scheidelinie zwischen den beiden markiert der Begriff. Und zwar nicht, ob ich ihn 'richtig' gebrauche, so wie alle anderen in derselben Situation; sondern sobald ich ihn mir vorsetze als Regel, wonach ich ihn konstruieren soll. Ich habe meine Anschauung gefasst heißt: Ich habe sie so auseinandergelegt, wie ich sie bei nächster Gelegenheit wieder zusammenzusetzen mir vornehme. Nun erst habe ich sie. Denn als Begriff ist er aus dem Zeitverlauf ausgeschieden, er ist 'im Raum' verfügbar geworden wie ein Rechenchip. Ich kann mit ihm operieren, ohne meine Einbildungskraft neu bemühen zu müssen; die vertrüge nämlich keine (Re-)Konstruktionsvorschrift.





Die Wissenschaftslehre ist für Selbstdenker und braucht keine festen Begriffe.


Der Philosoph ist nicht ein bloßer Beobachter, sondern er macht Experimente mit der Natur des Bewusstseins und lässt sich auf seine bestimmten Fragen antworten. Das System ist für Selbstdenker, durch bloßes Lernen kann es nicht gefasst werden. Jeder muss es in sich hervorbringen, besonders weil keine feste Terminologie angenommen wird; durch das Gegenteil machte sich Kant so viele Nachbeter.

Wer an dieses System geht, braucht eben noch keine Selbstdenker zu sein, nur muss er Liebe zum Selbstdenken haben. Bei jungen Leuten ists nicht leicht der Fall, dass ihr Kopf schon in Falten eingezwängt sei und dass sie daher zum Selbstdenken unfähig seien. Man kann zum Selbstdenken anführen dadurch, dass man Stoff gibt, worüber gedacht wird, dass man vordenke und dadurch zum Nachdenken erwecke.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 21f.


Nota. - Auf eine feste Terminonologie kann F. verzichten, weil die Wissenschaftslehre nicht von gegebenenBegriffen ausgeht, sondern angibt, wie welche Vorstellungen hervorzubringen seien; weshalb es bei der Inter-pretation der Texte so wenig hilft, 'Stellen' gegeneinander auszuspielen: Die Wörter bedeuten nicht überall dasselbe. Fichtes Terminologie ist beweglich, man kann Jedes nur aus seinem Zusammenhang verstehen. 
JE





Begriffe, Vorstellungen, Dialektik.



Natürlich drückt sich auch der 'Wissenschaftslehrer' in Begriffen aus – in die er seine Vorstellungen fassen musste, um sie sich klar machen und behalten zu können. Aber Gegenstand seines Denkens sind nicht sie, sondern die Vorstellungen, aus denen sie abgezogen wurden. Und Vorstellungen schlagen nicht ineinander um noch tun sie selber überhaupt etwas. Sondern der, der vorstellt, muss seiner Vorstellung, um sie als diese zu bestimmen, eine andere entgegensetzen. Denn nichts anderes ist das Denken, als eine fortschreitende Bestimmung der Einbildungskraft. 

Nur der daneben stehende Beobachter kann das als eine Selbstbewegung des Begriffs auffassen - weil er nicht sich von dem unterscheidet, was er beobachtet. Die dogmatische Hegel'sche Version der Dialektik beruht darauf, dass sie sich über ihren Ausgangspunkt nicht klar, d. h. mit andern Worten: dass sie undialektisch ist. 




Begreifen ist festhalten.


Zuletzt wird also ein Grund der jetzt zu beschreibenden Reflexion aufgestellt werden müssen, denn sonst wird uns unser Verstehen nichts helfen. Es wird uns hier gehen wie oben: Da wurde erst das unmittelbare Bewusstsein beschrieben als ideales sich selbst Setzen. Dann wurde das Ich in diesen Zustand gesetzt, dies schien Sache der Freiheit zu sein, aber es wurde gezeigt, dass, wenn ein Ich möglich sein sollte, diese Handlungen vorgenommen werden mussten.

2) Die Frage ist, wie wird doch das durch absolute Spontaneität Hervorgebrachte anschaubar, oder was ist es eigentlich?

Wir haben schon oben gesehen, dass die Frage [lautet?], was ein Gegensatz bedeutet. Wenn ich frage: Was ist x? so schwebt mir eine Sphäre von Mannigfaltigem vor, was x sein könnte, ich will wissen, was x unter dem Mannigfaltigen sei, sonach müssen wir wissen, wem das durch Selbstbestimmung Hervorgebrachte entgegengesetzt werden soll.

Bestimmbarkeit und Bestimmtheit ist bezogen auf ideale Tätigkeit, die gebunden ist, nicht Tat, sondern Zustand des Ich ist. Sonach ist der Charakter des hier Angeschauten ein Haltendes [sic], beziehbar auf die Anschauung. Es wird sich vielleicht zeigen, dass alles Anschaubare ein Haltendes ist, weil die ideale Tätigkeit eine solche ist, die bloß folgen kann.

Alle ideale Tätigkeit bezieht sich unmittelbar lediglich auf reale Tätigkeit. Was also das Haltende immer ist, so kann sich die ideale Tätigkeit doch nur mittelbar darauf beziehen. Sonach müsste die praktische Tätigkeit gebunden sein, wenn die ideale erklärt werden sollte, so dass also alle Beschränktheit, die im Bewusstsein vorkommt, ausgehen müsste von der praktischen Tätigkeit. Um also die Gebundenheit der idealen Tätigkeit zu erklären, müssen wir der realen zusehen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 56 


Nota. - Der Begriff ist eine Einschränkung, das ist nicht neu, aber man kann es nicht oft genug wiederholen. Er spielt eine unersetzliche Rolle in der Vernünftigkeit, aber keine bewegende, sondern eine retardierende.
JE






Nur was sich anschauen lässt, ist etwas.


Etwas ist, das anschaubar ist. Etwas und Anschauung sind Wechselbegriffe.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 55









Das Praktische ist die Quelle des Theoretischen; das Handeln ist absolut.

12 Arbeiten des Herkules

Der Kantische Satz: Unsere Begriffe beziehen sich nur auf Objekte der Erfahrung, erhält in der Wissenschafts-Lehre die höhere Bestimmung: Die Erfahrung bezieht sich auf Handeln, die Begriffe entstehen durch das Handeln und sind nur um des Handelns willen da, nur das Handeln ist absolut. 

Kant wird nicht sagen, die Erfahrung sei absolut, er dringt auf den Primat der praktischen Vernunft, nur hat er das Praktische nicht entscheidend zur Quelle des Theoretischen gemacht.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 61







Kant, der Begriff und die Anschauung.


Bei Kant heißt die Philosophie eine Vernunfterkenntnis aus Begriffen, dies kann aber bei ihm selbst nicht so sein, denn nach ihm ist jeder Begriff ohne Anschauung leer; auch spricht er von transzendentaler Einbildungs- kraft, diese lässt sich nur anschauen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 33 








Woher kommen die Begriffe?

  
Wenn das Objekt seinen Grund lediglich im Handeln des Ich hat und durch dieses allein vollständig bestimmt ist, so kann, wenn es eine Verschiedenheit zwischen den Objekten geben sollte, diese Verschiedenheit lediglich durch verschiedenen Handelsweisen des Ich entstehen. Jedes Objekt ist dem Ich bestimmt so geworden, wie es ihm ist, weil das Ich bestimmt so handelte, wie es handelte; aber dass es so handelte, war notwendig; denn gerade eine solche Handlung gehört unter die Bedingungen des Selbstbewusstseins.

Indem man auf das Objekt reflektiert und die Handlungsweise, durch welche es entsteht, davon unterscheidet, wird dieses Handeln, da aus dem oben angeführten Grund das Objket nicht als durch dasselbe, sondern als ohne ein Zutun des (freien) Ich vorhanden erscheint, zu einem bloßen Begreifen, Auffassen und Umfassen eines Gegebenen. Man nennt diese Handlungsweise, wenn sie in der beschriebenen Abstraktion vorkommt, einen Begriff.*


*) ...Dieses Wort soll hier nicht mehr und nicht weniger bedeuten, als das hier Beschriebene; ob nun der Leser bisher dasselbe dabei gedacht haben möge oder nicht. Ich berufe mich nicht auf einen bei ihm schon vorhandenen Begriff, sondern ich will erst einen solchen in seinem Geist entwickeln und bestimmen.
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Grundlage des Naturrechts..., SW III, S. 
3f.









Gefühl, Begriff, Absicht.

Lothar Sauer


Wenn ich wirke, so bringe ich mich eigentlich aus einem Zustande des Gefühls in einen anderen, hier ist ein Übergehen durch meinen freien Willen; so wenn ich mir einen freien Begriff entwerfe, z. B. wenn ich mir an die Stelle eines Objekts im Raume irgendein anderes denke; diese Veränderung soll geschehen durch meinen Willen zufolge eines Begriffs.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 148


Nota. - Gefühl ist die reale Seite der Tätigkeit, Anschauung ist ihr unvermeidliches Spiegelbild: ideale Tätigkeit. Das ist die Ur-Teilung, auf der alles Bewusstsein beruht: die Verdoppelung der Tätigkeit durch Reflexion. Weiter zurück geht es nicht in der Erfahrung, sondern nur noch durch Spekulation: Wenn dieses folgen konnte, muss jenes vorausgegangen sein... 

JE







Tätigkeit, als Ruhe angeschaut, heißt Begriff.


Ich richte meine Aufmerksamkeit auf den Zustand der Ruhe, / in dieser Ruhe wird das, was eigentlich ein Tätiges ist, ein Gesetztes, es bleibt keine Tätigkeit mehr, sondern ein Produkt, aber nicht etwa ein anderes Produkt als die Tätigkeit selbst, kein Stoff, kein Ding, welches vor dem Vorstellen des Ich vorherging; sondern bloß das Handeln wird dadurch, dass es angeschaut wird, fixiert; so etwas heißt ein Begriff, im Gegensatz der Anschauung, welche auf die Tätigkeit als solche geht.

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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 32f. 


Nota: - 'Als ruhend' heißt: außerhalb des Zeitverlaufs; bloß im Raum heißt: als reine Form der Tätigkeit. - Es ist überhaupt nur dieses Vermögen, ein Tun 'als ruhend', als bloße Form aufzufassen und zum Begriff zu bilden, das die Vorstellung von einem An sich denkbar werden ließ.
JE






Begriff ist Tätigkeit - als Ruhe aufgefasst; II.


Man nennt die innere Thätigkeit, in ihrer Ruhe aufgefasst, durchgängig den Begriff. ...

Der Begriff ist überall nichts anderes, als die Thätigkeit des Anschauens selbst, nur nicht als Agilität, sondern als Ruhe und Bestimmtheit aufgefasst; und so verhält es sich auch mit dem Begriffe des Ich. Die in sich zurückgehende Thätigkeit als feststehend und beharrlich aufgefasst, wodurch sonach beides, Ich, als Thätiges, und Ich, als Object meiner Thätigkeit, zusammenfallen, ist der Begriff des Ich. 


Im gemeinen Bewusstseyn kommen nur Begriffe vor, keinesweges Anschauungen als solche; unerachtet der Begriff nur durch die Anschauung, jedoch ohne unser Bewusstseyn, zu Stande gebracht wird. Zum Bewusstseyn der Anschauung erhebt man sich nur durch Freiheit, wie es soeben in Absicht des Ich geschehen ist; und jede Anschauung mit Bewusstseyn bezieht sich auf einen Begriff, der der Freiheit die Richtung andeutet. Daher kommt es, dass überhaupt, so wie in unserem besonderen Falle, das Object der Anschauung / vor der Anschauung vorher daseyn soll. Dieses Objekt ist eben der Begriff. Nach unserer gegenwärtigen Erörterung sieht man, dass dieser nichts anderes sey, als die Anschauung selbst, nur nicht als solche, als Thätigkeit, sondern als Ruhe aufgefasst. 
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Versuch einere neuen Darstellung der Wissenschaftslehre,
SW Bd. I, S. 533f. 



Nota.

Die Anschauung nicht als Tätigkeit, sondern 'in ihrer Ruhe aufgefasst', sollte man eher Vorstellung nennen; denn zum eigentlichen Begriff werden sie erst, wenn sie mit allen denkbaren anderen Vorstellungen in einen gemein- samen Verweisungzusammenhang gefügt werden - was E. Cassirer ein Symbolnetz nennt.
JE





Dadurch, dass Tätigkeit in Ruhe angeschaut wird, wird sie zum Begriff.

ostsee

Im vorigen § wurde bemerkt, dass man Tätigkeit nicht setzen kann, ohne ihr Ruhe entgegenzusetzen; hier, dass man keine bestimmte Tätigkeit setzen könne, ohne ihr eine bestimmbare entgegenzusetzen. Also das Verfahren in beiden, worauf es ankommt, um vom einen zum andren überzugehen, war in beiden Untersuchungen das-selbe. 

Die gegenwärtig deduzierte Handlung ist mit der vorigen dieselbe, wir lernen sie nur besser kennen; ist sie dieselbe, so muss auch das, worauf übergegangen wird, dasselbe sein, also Ruhe und Bestimmbarkeit muss dasselbe sein, sie muss in ihr enthalten sein, denn eben wenn eine Tätigkeit als solche noch bloß bestimmbar ist, hat sie den Charakter der Ruhe und ist keine Tätigkeit. Man könnte diese Ruhe oder diese Bestimmbarkeit Vermögen nennen. 

Vermögen ist nicht selber das, was Vermögen hat, die Substanz; ich sage: die Substanz hat Vermögen; auch Ak-zidens ists nicht, Vermögen ist nicht Handlung, sondern das, wodurch Handlung erst möglich wird. Dadurch, dass Tätigkeit begriffen wird, wird sie Ruhe. Vermögen, Ruhe, Bestimmbarkeit sind eins. Also beides Setzen im ersten Akt und im zweiten ist eins und dasselbe. Dadurch, dass Tätigkeit in Ruhe angeschaut wird, wird sie zumBegriff.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982,  S. 38f.


Nota. – 'Dass man Tätigkeit nicht setzen kann, ohne ihr Ruhe entgegenzusetzen...': Da steht nicht, dass man nur 'tun' kann, indem man 'Ruhe dagegensetzt'; was würde das auch heißen können? Sondern dass wir in unserer Vorstellung Tätigkeit nicht als solche setzen können, ohne ihr in der Vorstellung Ruhe entgegenzusetzen. Es geht in der Wissenschaftslehre nicht darum, in Tätigkeit zu kommen; das ist nicht nötig, wir sind allenthalben in Tätigkeit; sondern darum, unser Tätigwerden zu verstehen. Die Wissenschaftslehre ist Reflexionsphilosophie.
JE






Der Begriff entsteht nicht natürlich, sondern durch Reflexion.



Man kann, wie gesagt, vor dem, was aus einem Handeln entsteht, das Handeln selbst und die bestimmte Handelsweise nicht wahrnehmen. Für einen gewöhnlichen Menschen und auf dem Gesichtspunkte des gemeinen Bewusstseins gibt es nur Objekte und keine Begriffe: der Begriff verschwindet im Objekte und fällt mit ihm zusammen.

Das philosophierende Genie, d. h. das Talent, in und während des Handelns selbst nicht nur das, was in ihm entsteht, sondern auch das Handeln als solches zu finden, diese ganz entgegengesetzten Richtungen in einer Auffassung zu vereinigen, entdeckte zuerst beim Objekte den Begriff, und der Umfang des Bewusstseins erhielt ein neues Gebiet. 
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Grundlage der Naturrechts... Einleitung, SW III, S. 5
 



Nota. - Die Rede ist von der Ausbildung des begrifflich-argumentierenden Denkens als Überwindung des mythologischen Zeitalters.
JE







Von der Anschauung zum Begriff.

peoplecheck

Confer den § 1 der gedruckten Wissenschaftslehre,* wo dasselbe auf eine andere Weise gesagt ist, es wird nämlich dort vom Begriffe zur Anschauung übergegangen, hier ists aber umgekehrt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 33 

*) Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre, Hamburg 1979, S. 11-21






Begreifen heißt ein Denken an ein anders anknüpfen.


Begreifen heißt, ein Denken an ein anderes anknüpfen, das erstere vermittelst des letzteren denken. Wo eine solche Vermittlung möglich ist, da ist nicht Freiheit, sondern Mechanismus. Einen Akt der Freiheit begreifen wollen, ist also absolut widersprechend. Eben wenn sie es begreifen könnten, wäre es nicht Freiheit.
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Das System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,SW IV, S. 182






Alles Denken geht von der Erfahrung, und alle Erfahrung geht vom Handeln aus.

Die Anschauung des Wirklichen bedingt alle Anschauung, mithin alles Bewusstesin.

Bewusstssein des Wirklichen oder Anschauung des Wirklichen heißt Erfahrung, also geht alles Denken von der Erfahrung aus und ist nur durch sie möglich. Nur durch Erfahrung werden wir für uns selbst etwas, hinterher können wir von der Erfahrung abstrahieren.

Anschauung des Wirklichen ist nur möglich durch Anschauung eines wirklichen Handelns des Ich, also alle Erfahrung geht aus vom Handeln, es ist nur durch sie [sic] möglich. Ist kein Handeln, so ist keine Erfahrung, und ist dieses nicht, so ist kein Bewusstsein. ...


/Nur meiner Tätigkeit kann ich mir bewusst werden, aber ich kann mir derselben nur bewusst werden als einer beschränkten.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Nachschrift K. Chr. Fr. Krause, Hamburg 1982, S. 60f.
[Rechtschreibung angepasst]







Nur das Handeln ist absolut.

Dieter Schütz, pixelio.de

Der kantische Satz: unsere Begriffe beziehen sich nur auf Objekte der Erfahrung, erhält in der Wissenschaftslehre die höhere Bestimmnung: Die Erfahrung bezieht sich auf Handeln, die Begriffe entstehen durch Handeln und sind nur um des Handelns willen da, nur das Handeln ist absolut.

Kant wird nicht sagen, die Erfahrung sei absolut, er dringt auf den Primat der praktischen Vernunft, nur hat er das Praktische nicht entscheidend zur Quelle des Theoretischen gemacht. 

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Wissenschaftslehre nova methodo, Nachschrift K. Chr. Fr. Krause, Hamburg 1982, S. 61
[Rechtschreibung angepasst]






Was Handeln ist, lässt sich nur anschauen.

 
Ich bin für mich; dies ist ein Factum. Nun kann ich mir nur durch ein Handeln zu Stande gekommen seyn, denn ich bin frei; und nur durch dieses bestimmte Handeln: denn durch dieses komme ich mir in jedem Augenblick zu Stande. Jenes Handeln ist eben der Begriff des Ich, und der Begriff des Ich ist der Begriff jenes Handelns, beides ist ganz dasselbe; und es wird unter jenem Begriff nichts anderes gedacht, und kann nichts anderes gedacht werden, als das Angezeigte. Es ist so, weil ich es so mache. Der Philosoph macht sich nur klar, was er eigentlich denkt und von jeher gedacht hat, wenn er sich denkt; dass er sich aber denkt, ist ihm unmittelbares Factum des Bewusstseyns. ...

/Was Handeln sey, lässt sich nur anschauen, nicht aus Begriffen entwickeln und durch Begriffe mittheilen; aber das in dieser Anschauung liegende wird begriffen durch den Gegensatz des blossen Seyns. Handeln ist kein Seyn, und Seyn ist kein Handeln; eine andere Bestimmung gibt es durch den blossen Begriff nicht; für das wahre Wesen muss man sich an die Anschauung wenden.  
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Zweite Einleitung in die Wissenschaftslehre, SW I,
S. 460f.


 

Alles Denken geht von der Anschauung aus.

 
In dieser in sich zurückgehenden Tätigkeit, als ruhend angeschaut, fällt Subjket und Objekt zusammen, und dadurch entsteht das positiv Fixierte. Dieses Zusammenfallen beider, und wie dadurch die Anschauung in einen Begriff verwandelt wird, lässt sich nicht anschauen, sondern nur denken. Nur die Anschauung lässt sich anschauen, nicht denken; das Denken lässt sich nur denken, nicht anschauen. Jede Äußerung des Gemüts lässt sich nur durch sich selber auffassen. ...

Bewusstsein der Anschauung haben ist philosophisches Genie; alles Denken geht von der Anschauung aus, sonach muss auch alles Philosophieren von der Anschauung ausgehen.

... Der Begriff entsteht mit der Anschauung zugleich in demselben Moment und ist von ihr unzertrennnlich. Es scheint uns, als ob der erste eher hätte sein müssen, aber es scheint nur so, weil wir den Begriff auf eine Anschauung zurück geziehen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Nachschrift K. Chr. Fr. Krause, Hamburg 1982, S. 33
[Rechtschreibung angepasst]

 

 

Wirken nach einem Begriff.

Dieter Schütz, pixelio.de

Ich schreibe mir das Vermögen zu, schlechthin einen Begriff zu entwerfen, weil ich ihn entwerfe, diesen Begriff zu entwerfen, weil ich diesen entwerfe, aus absoluter Machtvollkommenheit meiner selbst als Intelligenz. Ich schreibe mir ferner das Vermögen zu, diesen Begriff durch ein reelles handeln ausser dem Begriffe darzu- stellen; schreibe mir zu eine reelle, wirksame, ein Seyn hervorbringende Kraft, die ganz etwas Anderes ist, als das blosse Vermögen der Begriffe. Jene Begriffe, Zweckbegriffe genannt, sollen nicht wie die Erkenntniss- begriffe, Nachbilder eines Gegebenen, sondern vielmehr Vorbilder eines hervorzubringenden seyn; die reelle Kraft soll ausser ihnen liegen, und als solche für sich bestehen; sie soll von ihnen nur ihre Bestimmung erhalten, und die Erkenntniss soll ihr zusehen. Eine solche Selbstständigkeit muthe ich mir, zufolge jenes Triebes, wirklich an. /
 

Hier, scheint es, liegt der Punct, an welchen das Bewusstseyn aller Realität sich anknüpft; die reelle Wirksamkeit meines Begriffes, und die reelle Thatkraft, die ich mir zufolge jener zuzuschreiben genöthigt bin, ist dieser Punct. Verhalte es sich indess mit der Realität einer Sinnenwelt ausser mir wie es wolle: Realität habe ich, und fasse ich: sie liegt in mir, und ist in mir selbst einheimisch.
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Die Bestimmung des Menschen, SW II,
S. 250





Begriff ist Handlungsanleitung.

Helene Souza  / pixelio.de

Die Sprachzeichen nemlich sind durch die Hände der Gedankenlosigkeit gegangen, und haben etwas von der Unbestimmtheit derselben angenommen; man kann durch sie sich nicht sattsam verständigen. 

Nur dadurch, dass man den Act angiebt, durch welchen ein Begriff zu Stande kommt, wird derselbe vollkommen bestimmt. Thue, was ich dir sage, so wirst du denken, was ich denke. Diese Methode wird auch im Fortgange unserer Untersuchung ohne Ausnahme beobachtet werden.
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Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre,[1797] SW I, S. 523





Über Moralität und Begriffe.

Rolf Handke  / pixelio.de 

...denn das Sittengesetz fordert Selbständigkeit nach Begriffen...
Das System der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre, SW Bd. IV, S. 355 

...ich kann sonach von dem, was ich sollte, keinen Begriff haben, ehe ich es wirklich tue.

ebd, S. 181


Nota.

Der ästhetische Sinn ist noch keine Tugend, weil er 'ohne alle Begriffe von selbst kommt'. Sittlichkeit verlangt aber nach Begriffen. Doch kann ich von meiner Pflicht 'keinen Begriff haben', ehe ich sie wirklich tue -? Wie ich es drehe und wende, das ist ein Widerspruch. Anscheinend ist der ästhetische Sinn doch der Wegbereiter, der Begriff kommt erst im Nachhinein, als Richter.
JE








Begriff vom Zweck.

Guglielmo Lange, Giotto enfant
 
Das freie Wesen handelt als Intelligenz, d. i. nach einem vor der Wirkung vorher von der Wirkung entworfenen Begriff. Das zu Bewirkende muss daher wenigstens so beschaffen sein, dass es überhaupt durch die Intelligenz gedacht werden könne, und insbesondere, dass es als seiend oder nicht-seiend (als zufällig seinem Sein nach) gedacht werde, unter welchem Sein oder Nicht-Sein desselben dann die freie In/telligenz bei Entwerfen ihres Zweckbegriffes wähle. 

Hierdurch ist uns schon die Sphäre angezeigt, in welcher allein wir das durch unsere Kausalität physisch Mögliche aufzusuchen haben, indem ein beträchtlicher Teil des Seienden durch die gemachte Bemerkung ausgeschlossen wird. Nämlich einiges in unserer Welt erscheint uns als notwendig: und wir können es nicht anders denken, mithin auch, da das Wollen an die Denkgesetze gebunden ist, und ihm ein Begriff vorheregeht, auch nicht anders wollen. 

Einiges erscheint uns in seinem Sein als zufällig. Ich kann beispielsweise nichts außer allem Raume setzen wollen, denn ich kann außer dem Raume nichts denken; wohl aber kann ich ein Ding an einem anderen Orte im Raume denken, als dem, den es gegenwärtig wirklich einnimmt, und ebenso kann ich auch den Ort desselben verändern wollen.
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System der Sittenlehre,
Sämmtliche Werke Bd. IV, S. 66f.

Rechtschreibung angeglichen.

Das sittliche Gefühl und der Begriff.

Franz Xaver Messerschmidt 








Er sagt: Ist das sittliche Gefühl von der Bildung der Vernunft nicht abhängig? /... Ich antworte ohne weiteres: So wie er die Begriffe nimmt, keineswegs. Die Vernunft, von der er hier redet, ist die theoretische, [die] des Erkenntnisvermögens. Dies sagt aus nur, daß und wie etwas sei: Von einem Handeln, einem Handelnsollen, einem Postulate liegt in ihr schlechterdings nichts, und ich möchte den Künstler sehen, der mir so etwas heraus- analysierte, wenn er es nicht erst hineinlegt.
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Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 140]






Nota. Die obigen Fotos gehören mir nicht, ich habe sie im Internet gefunden. Wenn Sie deren Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE    

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