Objektiv und sinnlich.



Es ist die Meinung verbreitet, in der Transzendentalphilosophie und namentlich bei Fichte ginge es gar nicht um das sinnlich Wirkliche, sondern allein um die Vorstellungen.

Nun wäre eine Philosophie, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat, weniger wert als das Papier, worauf sie gedruckt wurde. Und weil es Fichte viel dringender und viel unmittelbarer um das Wirkliche ging als Kant, musste er diesen radikalisieren und bis zu seiner letzten - na ja, vorletzten - Konsequenz zu Ende führen.

Doch um in der Wirklichkeit zu wirken, wird es nötig sein zu erfahren, woher sie auf uns kommt, wie und durch wen sie uns gegeben ist. Und eben hier ist Fichte so viel weiter gegangen als Kant. Aber dabei kam es doch immer auf die Wirklichkeit an und nicht auf die Träume eines Geistersehers.




Wenn man das Intelligible (das ein[z]ig Intelligible ist unsere Selbstbestimmung, die keine Zeitfolge kennt, weil sie kein Mannigfaltiges ist, das sukzedieren kann) das An sich nennen wollte, so ist es nicht so. An sich handeln und sind wir nicht in der Zeit, denn der Wille ist keine Mannigfaltiges. Aber ich bin sinnlich, ich muss durch die Gesetze der Anschauung hindurchgehen, und sonach lässt sich aus dem Intelligiblen allein nicht viel machen.

Die physische Kraft ist für uns nur zufolge eines physischen Handelns da, nun sollen alle Dinge im Raume geordnet werden zufolge des Begriffs unserer physischen Kraft; sonach ist das Ordnen der Dinge im Raume und - da wir dies als Bedingung des Bewusstseins aufgezeigt haben -  alles Bewusstsein nur Möglich im Bewusstsein der Erfahrung des wirklichen Handelns. (Alle Abstraktion bezieht sich auf Erfahrung und ist ohne sie gar nichts.)
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 134  






Mein Leib ist das System meiner Gefühle.

 
Ich muss allerdings annehmen, dass ich die Materie im Raume außer mir nicht nur teilbar denken, sondern auch wirklich teilen könne. Aber ich kann dies nicht unmittelbar durch den Willen, sondern ich muss erst durch Mit- telzustände hindurchgehen.

Aber die Materie, worin durch den bloßen Willen etwas geschieht, ist mein Leib, in wiefern er artikuliert, nicht inwiefern er organisiert ist. (Es ist hier vom Leib die Rede, in wiefern ich durch ihn wahrnehme und wirke, in wiefern er Sinn ist und Organ; er ist das System meiner Gefühle, das Medium, durch welches Anschauung und Gefühl vereinigt wird. Zum Verdauen und Blutumlauf tut mein Wille nichts, aber mein Hand- oder Fußbewe- gen hängt von ihm ab.) 


Also das System meiner Begrenzbarkeit und meines Strebens in der synthetische Vereinigung gedacht wird mir zum artikulierten Leibe; dadurch wird Anschauung und Gefühl vereinigt, ich schaue mich an als fühlend, indem ich mich fühle als anschauend ein Objekt im Raume.
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Wissenschaftslehre nova methodo,
 Hamburg 1982, S. 120
 



Nota. - Ein Leib-Seele-Problem taucht hier nicht auf: Der Leib ist selber die Synthesis von (physiologischem) Fühlen und (intellektiven) Anschauen. Es ist es aber nur, wenn seine Ein-Heit als System begriffen wird. 

Dann kann man auch nicht mehr auf die Schnapsidee verfallen, zwischen 'dem Hirn' und einem ominösen Extra-Ich zu unterscheiden. Mehr als dieses System bin 'ich' nicht, aber auch nicht weniger.
JE







Das ganze System der Sensibilität.

F. Liebermann, Faun

3. Man sehe die Vereinigung an als die Vereinigung der entgegengesetzten Gefühle A und B oder als [sic] entge- gegesetzter Zustände an. Das ganze System der Sensibilität kann nicht gefühlt werden, denn sie [sic] ist nichts Positives, sondern lediglich ein Verhältnis. Aber schon oben haben wir gefunden, dass die Tätigkeit des Ich nur angeschaut werden kann als ein Übergehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten. Man kann daher auch sagen, in Absicht des Ich ist nichts anschaubar als das Übergehen. Also jenes Übergehen, das nicht gefühlt werden kann, da es nichts Positives ist, müsste etwa amgeschut werden. Wir wissen aber noch nicht, wie oder ob eine solche Anschauung möglich sei. Wir wissen nur, dass sie nicht gefühlt werden könne. Doch aber muss, wenn ein Übergng da sein soll, dieser für das Ich da sein. 

Wir wollen vorläufig die Angabe [sic] genauer bestimmen. Es war oben und hier wieder die Rede von einem System der Sensi-//90//bilität überhaupt. Was ist nun dies? Die Gefühle selbst sind es nicht, denn sie sollen ja von ihm unterschieden und für das Ich erst möglich werden durch den Unterschied von und die Beziehung auf das System. Dieses System wäre also die Veränderlichkeit oder Affektibilität des Ich, und zwar als System, als etwas Erschöpftes, Ganzes, die ideale Tätigkeit Bindendes; die Summe der möglichen Veränderungen der Form nach, abstrahiert von allem Gehalte (das wird werden unser Leib als das System der Affektibilität und Sponta- neität; von der ersteren ist hier nur die Rede).
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 89f.
 



Nota. - Hier liegen offenbar mehrere Schreibfehler vor. In der ersten Zeile soll von der Vereinigung entgegen- gesetzter Zustände geredet werden. Im folgenden Satz ist es nichts Positives, denn nicht die Sensibilität, son- dern das System ist gemeint. Und in der ersten Zeile des zweiten Absatzes soll wohl eine Aufgabe genauer bestimmt werden.

Bis hier waren die Gefühle eine Mannigfaltigkeit von Singularia, denen nur die Art und Weise, wie sie das Ich affizieren, gemeinsam war. Ihre Herkunft war ganz unklar, sie mochten vom Himmel gefallen sein. Abgeleitet waren sie nicht, aber real in jedem Fall. Ihre Herkunft muss ihrerseits 'hergeleitet' werden, nämlich re-konstru- iert aus dem Faktum des Gefühls.

Fichte leitet nicht aus einer vorausgesetzten Dualität von Geist und Leib einen Gegensatz von Fühlen und Denken ab, sondern leitet umgekehrt vom Platz des Gefühls in der Genesis des Bewusstseins den Leib her. Eine Dualität wird sich so voraussichtlich am Schluss nicht einstellen müssen.
JE







Das Gefühl ist ein notwendiger Bestandteil des Geistes.

Idrac, Amour piqué par une guêpe

Wir hätten nun auch den Vorteil, dass das Ge-//80//fühl aus dem System des menschlichen Geistes nicht ver-lorenginge, sondern dass es notwendig mit demselben verknüpft wäre und einen notwendigen Bestandteil desselbe ausmachte. Jeder Punkt, der aufgestellt worden ist, muss mit dem Ganzen verflochten sein. Dies findet sich nun hier bei der Anschauung, sie ist nicht möglich, wenn nicht ein Gefühl mitgesetzt wird.

Wir erhielten also das Resultat:

Keine Anschauung ohne Gefühl und kein Gefühl ohne Anschauung. Beide waren synthetisch vereinigt und wechselseitig durch einander bestimmbar. Anschauung ist nichts, außer in wiefern ihr ein Gefühl entgegen-gesetzt wird. Der Übergang vom Gefühl zur Anschauung ist der: Sobald die ideale Tätigkeit sich äußern kann, äußert sie sich, und sobald ein Gefühl da ist, kann sie sich äußern; also äußert sie sich.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 79f.



Nota. - Eine streng streng idealistische - und streng kritizistische - Philosophie kann den Geist gar nicht in einen Gegensatz zur Sinnlichkeit setzen, sie muss jene vielmehr als dessen dialektische Bedingung auffassen; d. h. in einem Gegensatz nur, insofern er überwunden ist. Sie ist monistisch, freilich nicht in einem ontologischen, son-dern in transzendentalem Sinn.
JE




Wechsel des Gefühls ist die Bedingung des Selbstbewusstseins.

Frère, L'Amour piqué par une abeille

Zuförderst ist nur von der Beschränkung des praktischen Vermögens als Grund der Beschränkung gesprochen, denn es scheint sonderbar, dass die als unbeschränkt aufgestellte [ideale] Tätigkeitbeschränkt werde und aus ihr ein Gefühl entstehen sollte. 

Auf die Erfahrung kann man sich nicht berufen. In der Erfahrung findet Denkzwang statt, die Objekte so aufzufassen. Es müsste etwa so sein, dass die ideale Tätigkeit praktisch würde und mit Freiheit hervorbrächte und insofern beschränkt würde - dies wird sich weiter unten zeigen, sonst fiele alles System zusammen. Aus der Beschränktheit der idealen Tätigkeit wird entstehen ein neues Gefühl, aber aus dem Gefühl entsteht notwendig eine Anschauung.

Zuförderst als ein Objekt der Anschauung hat das Ich ein Sein, es ist etwas. Die Begrenztheit des Ich ist im Zustande A. Das Ich ist in ihr sich selbst gegeben, es wird gefunden als Objekt. Das Anschauende in X ist die ideale Tätigkeit, welche auf dieses Sein geht. ... Zufolge des bestimmten Gefüls entsteht eine bestimmte Anschauung, und mit der Anschauung entsteht das Objekt derselben und ist nicht mehr von ihm zu trennen, dies ist das Band.

Ich fühle und schaue an. Ich bin in beidem dasselbe Ich; aber was ich anschaue, soll ich auch sein. Mit dieser bestimmten Anschauung X ist die Objekt Ich verbunden, ich fühle mich beschränkt durch mein eigenes Sein. Nun das Y Anschauende allerdings nicht Objekt der Anschauung X, sondern das Sein des Ich ist Objekt dieser Anschauung. Aber das An-/schauen ist damit notwendig und unzertrennlich verknüpft, und dies ist das Band, woran das Ich notwendig weiter fortgeleitet wird.

Da das angeschaute Objekt Ich sein soll, so folgt daraus, dass sein Sein notwendig bestimmt ist im Setzen, durch ideale Tätigkeit eines Dinges Y, nur unter dieser Bedingung wird es angeschaut.

Das Resultat wäre dies: Aus der Veränderung erfolgt ein Gefühl derselben als eine Beschränkung der idealen Tätigkeit des Ich, aus diesem Gefühle erfolgt eine Anschauung des beschränkten Ich als eines solchen, in welcher das Ich als Objekt überhaupt, und die Anschauung Y als ein notwendiges Akzidens des Ich vorkommt.

Ist kein Ich für das Ich, so ist kein NichtIch und kein Bewusstsein. Aber die Anschauung und der Begriff des Ich sind nicht möglich ohne Veränderung eines Gefühls: Wechsel des Gefühls ist sonach die Bedingung des Selbstbewusstseins und talis qualis schlechthin zu postulieren. Ein solcher Wechsel des Gefühls , den wir oben problematisch annahmen, muss also als notwendig angenommen werden.

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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 95f.




Nur in der Anschauung gibt es etwas.


[§ 5]

Etwas ist, das anschaubar ist. Etwas und Anschauung sind Wechselbegriffe. Das, wozu sich die Selbsttätigkeit bestimmt, ist Etwas: Was ist es denn? Dies soll unsere Untersuchung sein.

1) Das bis jetzt Reflektierte war ein Zustand der Intelligenz. Es [unleserlich] war Bestimmbarkeit, Übergehen und Bestimmtheit, dies lag im einfachen Faktum. Wie kommt es nun, dass bestimmbar und bestimmt anschaubar ist? Im vorigen Zustand konnte diese Frage nicht aufgeworfen werden, es ist da anschaubar. Wenn ich nun nach der Möglichkeit frage, so gehe ich aus dem Faktum heraus, erhebe mich über dasselbe und mache das zum Objekt, was vorher Reflexion war, einer neuen Reflexion. [das, was vorher..., zum Objekt einer neuen...]

Hier bleiben noch die Fragen liegen: Wie ist es möglich, sich über die erste Reflexion zu erheben? Wir nehmen hier die Reflexion mit Freiheit vor; es wird uns dadurch mancherlei entstehen. Wenn nur das, was entsteht, notwendige Bestimmungen des Bewusstseins sind: Wie kommen wir dazu?
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 55


Nota. - Nur was durch die Anschauung gegeben hat, ist etwas, und wo keine Anschauung ist, ist nichts. Doch etwas ist nicht Sein und nichts ist nicht das Nichts. Etwas ist all das, was in der Schulsprache Phänomen oder Erscheinung heißt. Die einzige Bestimmung daran ist, dass es anschaubar ist; darüberhinaus ist es unbestimmt=bestimmbar.
JE







Ursprünglich ist nur Materie.
Harald Schottner, pixelio.de 

…es ist nicht möglich, auf den Raum zu reflektieren, ohne auf das Objekt, das im Raume ist, zu reflektieren; denn der Raum ist die subjektive Bedingung des Objekts, und der Raum ist bedingt durch die Reflexion auf das Objekt. Es ist nicht möglich, auf das Objekt zu reflektieren, ohne auf den Raum, aber es gibt auch keinen Raum ohne Objekt, sonach sind beide im Bewusstsein notwendig vereinigt; ursprünglich ist kein Objekt und kein Raum gegeben allein, sondern zugleich. Objekt im Raum aber heißt Materie; folglich ist ursprünglich Materie.

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Wissenschaftslehre nova methodoNachschrift K. Chr. Fr. Krause, Hamburg 1982, S. 112

Nota. - Dass der 'Raum' durch Materie (bzw. Energie) gebildet wird, ist eine moderne Auffassung.
JE 





Zwei Wissenswelten.

 
Man muss die Vernunft als Ganzes auffassen, dann findet kein Widerstreit statt, dann ist die Natur ganz absolut durch sich selbst gesetzt als absolutes Sein, entgegengesetzt nur dem absoluten Ich. Diese Ansicht muss eine Na- turwissenschaft nehmen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 240 



Nota. -  Mit der Natur - nämlich allem, was in ihr wirklich vorkommt - beschäftigen sich die Wissenschaften. Sie ist, wie sie ist, und ohne Apriori, das ihr zugrunde läge. Die Vernunft nimmt sie so, wie sie ist, und das heißt: nicht anders, als sie erscheint. Die Vernunft ist realistisch. Auch gegenüber der selbstgemachten Geschichte der Menschen, die in ihr vorkommen.

Ansonsten gibt es überhaupt nur das Reich des absoluten Ich, und das ist nichts anderes der Gang, den die Vor- stellung genommen hat und nehmen musste, um Vernunft allererst hervorzubringen. Der Natur ist sie natürlich, als ihrem Gegenstand, entgegengesetzt und kommt in ihr nicht vor. Sie ist die Sphäre absoluter Tätigkeit.
JE





Die Wissenschaftslehre ist materialistisch und sensualistisch.
...ich kann die Materie teilen, zusammensetzen, aber nicht wegdenken, wegschaffen, nicht vermehren, nicht vermindern; / wo wir hin denken, finden wir Raum, weil wir überall Materie finden.

Auf diesen Satz kommt es vorzüglich an. Wir sehen hier die Entstehung der ganzen Körperwelt, ja unserer gesamten, auch der Geisterwelt, denn es wird sich zeigen, dass unsere Geisterwelt nichts ist als eine Abstraktion von der Körperwelt.

Wir haben jetzt die Einsicht erhalten, wie uns die Welt entstehen müsse; wir brauchen keinen gegebenen Stoff vorauszusetzen. Alle Objektiv, und das Objektive hebt von der Materie an, entsteht in uns; ich bin ursprünglich beschränkt, und diese Beschränktheit, wenn ich darauf reflektiere, ist das Gefühl. Das Gefühl lässt sich allenfalls für das Gegebene halten, allenfalls, denn es ist auch nur ein Gefühl, in wiefern ich darauf reflektiere.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 112f.

Nota. - Die Wissenschaftslehre verträgt sich nur mit einer Realwissenschaft, die streng materialistisch ist, das bedeutet aber nichts weiter als: die nichts anderes gelten lässt, als was sich in Raum und Zeit beobachten lässt. Doch weder sind die Realwissenschaften Metaphysik, noch ist es die Wissenschaftslehre.

JE




 

Unsere Objekte sind materiell und sinnlich.



Die Gefühle sind bloß subjektiv; was rot, süß, bitter etc. ist, kann man nicht durch Begriffe mitteilen; denn Objekten kommt außer den Gefühlsprädikaten weiter nichts zu, als dass sie Materie im Raume sind.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 116


Nota. - Das muss man sich klarmachen: Wenn F. von Gefühl redet, dann meint er nichts anderes, als was als sensus im Begriff Sensualismus vorkommt.
JE







Zuerst ist Sinnlichkeit.

Thommy Weiss, pixelio.de  

...das Gefühl ist eins, es ist Bestimmtheit, Beschränktheit des ganzen Ich, über die es nicht hinauskann; es ist die letzte Grenze, es kann sonach nicht weiter zergliedert und zusammengesetzt werden, das Gefühl ist schlechthin, was es ist und weil es ist. Das durch das Gefühl Gegebene ist die Bedingung alles Handelns des Ich, die Sphäre, aber nicht das Objekt.

Die Darstellung des Gefühls in der Sinnenwelt ist das Fühlbare und wird gesetzt als Materie. Ich kann keine Materie hervorbringen oder vernichten, ich kann nicht machen, dass sie mich anders affiziert, als sie ihrer Natur nach tut. Entfernen oder annähern kann ich sie wohl. 

Das Positive soll Mannigfaltigkeit sein, weil es Gegenstand der Wahl für die Freiheit sein soll. Es müsste also mannigfaltige Gefühle geben, oder der Trieb müsste auf mannigfaltige Art affizierbar sein; welches man auch so ausdrücken könnte: Es gibt mehrere Triebe im Ich. Diese Mannigfltigkeit der Triebe ist nicht zu deduzierenoder aus einem Höheren abzuleiten, denn wir stehen hier an der Grenze. Dieses Mannigfaltige ist mit dem Postulate der Freiheit postuliert; hinterher wohl wird dieses Mannigfaltige im Trieb sich zeigen als Naturtrieb und wird aus der Natur erklärt werden; aber die Natur wird erst selbst zufolge des Gefühls gesetzt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Nachschrift K. Chr. Fr. Krause, Hamburg 1982, S. 69 




Nota. - "Soll": Die Wissenschaftslehre verfährt phämonenologisch; sie konstatiert, was (im wirklichen Bewusstsein der Menschen) ist, und will erklären, wie es dazu kommen kann. Es wird keineswegs 'aus einem Höheren abgeleitet'. 

Hier: Das Positive ist uns gegeben als Gegenstand der Freiheit - als Raum, in dem es auf meine Wahl ankommt.Um Gegenstand der Freiheit werden zu können, muss, "soll" es mannigfaltig sein, denn anders hätte ich keine Wahl; usw.
JE 









Die Wahrheit des Sensualismus.
ariva.de

Über die Veränderung im Gefühle. Die erste Beschränkung A ... ist eine ursprüngliche Beschränkung meiner Natur. Aus ihr allein folgt gar nichts, denn es folgt nicht einmal eine Anschauung des Ich. Ich kann aber meine Natur durch freies Handeln ausdehnen, und dann möchte etwas folgen.

Aber ich kann nicht frei handeln, ehe ich für mich Ich bin, wenigstens die Möglichkeit da ist, Ich sein zu können. Zu dieser Möglichkeit gehört, dass in meiner Natur eine Veränderung vorgehe, dass auf mich gewirkt, dass meine Natur affiziert werde; die Anlage kann im Ich liegen, man braucht nicht aus ihm herauszugehen. Im gemeinen Bewusstsein muss sichs erklären durch das Vorhandensein von etwas außer mir.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 198 2, S. 96


Nota. - Die Bildung des Selbstbewusstseins als Bedingung allen Bewusstseins beginnt reell damit, dass ich von etwas außer mir affiziert werde. Das kann allerdings nur geschehen, weil ich schlechterdings tätig bin: Das ist die Bedingung der Möglichkeit, und unter dieser Voraussetzung hat der Sensualismus Recht.
JE





Gefühl ist faktisch das erste Ursprüngliche.

Rubens, Prometheus (Ausschn.) 1618

Wir haben nun ein unmittelbares Bewusstsein eines unmittelbaren Materialen, welches wir bedurften. Oben suchten wir das Formale, wir kamen auf ein Subjekt-Objekt, auf ein sich-selbst-Setzen. In diesem Gefühle, wie es sich weiter unten zeigen wird, kommen Ich und NichtIch zusammen vor, und zwar nicht lediglich zufolge einer Selbstbestimmung, sondern in einem Gefühle.

Im Gefühle ist Tätigkeit und Leiden vereinigt; in wiefern das erste vorkommt, hat es Beziehung auf das Ich; in wiefern aber das zweite vorkommt, auf ein NichtIch, aber im Ich wird es gefunden, das Gefühl ist faktisch das erste Ursprüngliche. –

Man sieht hier schon, wie alles im Ich vorkommen kann, und dass man nicht aus dem Ich herauszugehen braucht. Man brauchte nur eine Mannigfaltigkeit von Gefühlen anzunehmen, und es würde sich leicht zeigen lassen, dass man die Vorstellungen von de Welt davon ableiten könnte.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 68 






Fast wie Locke.


 Idrac, L'Amour piqué par une guêpe

Übrigens: Wie bei John Locke ist das Ich bei Fichte zuerst eine tabula rasa. Aber mit diesem feinen und wesentlichen Unterschied: Es will schlechterdings tätig werden. Es ist daher die Möglichkeit von Allem. Diese allweilige Möglichkeit zu bestimmen ist seine charakterisierende Aufgabe und macht schließlich seine Individualität aus. Es ist bestimmt als unbestimmt und (sich-)bestimmend zugleich.

Ebenfalls wie bei Locke bedeutet Gefühl bei Fichte nichts anderes als die Sinnesdaten, die die Nervenenden dem Zentralorgan melden. Doch anders als bei Locke ist es das Ich, das ihre Qualität  ihr So- oder Anderssein– bestimmt; genauer gesagt: Indem ein Naturwesen sein Gefühl als so oder anders bestimmt, wird es – macht es sich zu einem – Ich.

Wie es dazu kommt? Es tut es aus Freiheit. Das macht den ganzen Unterschied zum Sensualisten aus.





Das Gefühlte ist das apriori Bestimmte und Bedingung allen Bestimmens.



Wir kennen die Sphäre des Bestimmbaren noch nicht anders als unter dem Prädikate eines ins Unendliche teilbaren Mannigfaltigen; aber ein solches ist nichts, ein solches ins Unendliche Teilbare gibt keine Anhalten, kein Bindendes, mithin keine ideale Tätigkeit und mithin auch keine Tätigkeit ins Unendliche. Mithin widerspricht sich der Begriff von Etwas, welches weiter nichts sein soll als teilbar / ins Unendliche. Und da dieser Begriff unter den Bedingungen des Bewusstseins vorkommt, so käme uns letzteres [als] ein Unmögliches vor.

Es müsste sonach etwas Positives, welche nicht weiter teilbar wäre, angenommen werden, um die ideale Tätigkeit des praktischen Vermögens zu erklären; dies ist aber ein Reales, das Unteilbare müsste also unteilbar sein als Realität; als Quantität aber müsste es wohl teilbar sein. Nun soll die ideale Tätigkeit hier so gebunden sein: nicht, dass sie als Bewegliche fortgerissen werde, sondern dass sie angehalten und fixiert werde.

Das, was die ideale Tätigkeit fixiert, soll Stoff einer Wahl sein; aber die Wahl kann nur mit Bewusstsein des Gewählten* geschehen, aber es gibt kein Bewusstsein von Etwas ohne Entgegensetzung. Sonach müsste es in dieser Ansehung Zustände des Gemüts geben, die nur Einheit und Gleichheit sind, nicht aber Vielfalt in eben und demselben Zustande. Es muss Grundeigenschaften geben (die nicht weiter zergliedert werden können) des Bestimmbaren und ein Sein dieses Bestimmbaren.

Alles, was auf ideale Tätigkeit sich bezieht, ist Setzen, und entweder Tätigkeit des Ich, Gebundenheit der idealen Tätigkeit, oder Sein des NichtIch; ein Gesetztsein, durch welches ein Werden und Machen negiert wird. Wenn die Möglichkeit der Entgegensetzung so abgeleitet wird, so wird der oben behaupteten Teilbarkeit ins ins Unendliche nicht widersprochen, denn ich kann ja dasselbe Sein vermehren oder vermindern.

Das oben Gezeigte wird sich unten zeigen als dasjenige, was durch das unmittelbare Gefühl gegeben ist, z.B. rot, blau, süß, sauer. In diesen Gefühlen ist der Zustand des Gemüts nicht Vielheit, sondern Einheit. Die Vielheit findet aber dabei statt, nämlich dem Grade nach, ich kann mehr oder minder Rotes, aber ich kann nicht sagen, wo es aufhört, rot zu sein. Wie ist das Setzren oder das Bewusstsein dieses Etwas möglich? Wie kommts in das Ich?

Dieses Etwas und das Bewusstsein davon geht allem Handeln voraus, denn das Handeln ist dadurch bedingt. Das Gegeben ist die Sphäre alles möglichen Handelns; das Handeln aber ist absolut nichts Einfaches, sondern ein Zweifaches. Es liegt gleichsam eine Ausdehnung des sich-selbst-Affizierens und ein Widerstand desselben, der es aufhält und zu einem Anschaubaren macht, darin. 

Was in der Sphäre des Bestimmbaren liegt, ist das Handeln. Jedes Mögliche muss etwas dem Ich Angehöriges (Tätigkeit) und etwas ihm Widerstrebendes sein. Dieses  Etwas ist als ein wirkliches Handeln nicht gesetzt; was also davon dem Ich angehört, ist nicht zu erklären aus einer wirklichen Selbstaffektion. Das Ich wird hier nur gesetzt als das Vermögen des Handelns in diesem Mannigfaltigen. Nun kommt aber dieses Vermögen hier nicht vor als ein bloßes Vermögen, als ein Mögliches im Denken, sondern als ein Anschaubares, welchem in sofern der Charakter des Seins zukommt. 

Der Charakter des Seins ist Bestimmtheit, folglich müsste hier liegen ursprüngliche Bestimmtheit zum Handeln überhaupt. – Das Ich, sobald es gesetzt ist, ist nicht frei zu handeln überhaupt, sondern nur, ob es dieses oder jenes handeln will. Wir bekommen hier ein notwendiges Handeln. Das Wesen des Ich ist Tätigkeit, folglich wäre hier ein Sein der Tätigkeit. Das den Begriff von seinem Willen entwerfende Ich ist gebunden, aber die Gebundenheit deutet auf ein Sein, und zwar auf ein eigentliches Sein. Das Bindende und insofern Setzende ist dem Ich angehörig, aber das Ich ist hier praktisch (Tätigkeit), sonach ist hier ein Sein der Tätigkeit. 

Beide sich widersprechende Begriffe sind hier vereinigt (nämlich Sein und Tätigkeit), und diese Vereinigung wird hier betrachtet als ein Gefundenes. Ich finde etwas, aus welchem ich mein Handeln zusammensetze; in diesem liege ich selbst, also hier wird Tätigkeit gefunden. Diese Tätigkeit ist eine zurückgehaltene Tätigkeit, und davon bekommt sie den Charakter des Seins. So etwas ist aber ein Trieb, ein sich selbst produzierendes Stre-ben, das im Innern dessen, dem es zugehört,  gegründet ist [...], es ist Tätigkeit, die kein Handeln ist, etwas An-haltendes, die ideale Tätigkeit Bestimmendes, eine innere, fortdauernde Tendenz, den Widerstand zu entfernen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982,  S. 64ff.


Nota. - Als Fühlendes ist das Ich nicht mehr bloßes Vermögen, sondern ist anschaubar und dadurch zu einem Seingeworden. Davon geht alles Handeln aus. Oder so rum gesagt: Indem es vom Fühlen zum Handeln übergeht, erweist sich überhaupt erst das Vermögen. (Ist das zu apodiktisch gesagt?)
JE







Positiv ist das Sinnliche.

Eberlein, Faun vom Krebs gezwickt 

Eigentlich wird das Entgegengesetzte nicht gefühlt, sondern ich fühle mich als beschränkt, auf das Entgegengesetzte wird erst als Grund der Beschränkung geschlossen. Das Positive in den Dingen ist schlechterdings weiter nichts, als was sich auf unser Gefühl bezieht, dass etwas rot ist, kann nicht abgeleitet werden, dass aber die Gegenstände in Raum und Zeit und in gewissen Beziehungen gegeneinander sind, kann abgeleitet werde.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Nachschrift K. Chr. Fr. Krause, Hamburg 1982, S. 71f.


Nota. 
Positiv heißt nicht gut und richtig, sondern kommt von lat. ponere, setzen. Das Positive ist das mir vor-Gesetzte. 
JE.




Das Positive ist Mannigfaltigkeit, das Gefühl ist Qualitas.doctorhugo


Die Darstellung des Gefühls in der Sinnenwelt ist das Fühlbare und wird gesetzt als Materie. Ich kann keine Materie hervorbringen oder vernichten, ich kann nicht machen, dass sie mich anders affiziere, als sie es ihrer Natur nach tut. Entfernen oder annähern kann ich sie wohl. Das Positive soll Mannigfaltigkeit sein, weil es Gegenstand der Wahl für die Freiheit sein soll. Es müsste also mannigfaltige Gefühle geben, oder der Trieb müsste auf mannigfaltige Art affizierbar sein; welches man auch so ausdrücken könnte: Es gibt mehrere Triebe im Ich.

Diese Mannigfaltigkeit der Gefühle ist nicht zu deduzieren oder aus einem Höheren abzuleiten, denn wir ste-hen hier an der Grenze. Dieses Mannigfaltige ist mit dem Postulate der Freiheit postuliert. Hinterher wohl wird dieses Mannigfaltige im Triebe sich zeigen als Naturtrieb und wird aus der Natur erklärt werden; aber die Natur wird selber erst zufolge des Gefühls gesetzt.

Diese mannigfaltigen Gefühle sind völlig entgegengesetzt und haben nichts miteinander gemein, es gibt keinen Übergang von einem zum andern. Jedes Gefühl ist ein bestimmter Zustand des Ich. Sonach wäre das Ich selber eine Mannigfaltiges; aber wo bliebe dann die Identität des Ich? Das Ich soll diese Mannigfaltigkeit auf sich beziehen, es soll es als sein Mannigfaltiges ansehen, wie ist dies möglich? 
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 69


Nota. - Die Gefühle als unmittelbare Gegenstände der Anschauung ist qualitativ, sie haben nichts miteinander gemein und gehen nicht ineinander über. (Das ist auch neurophysiologsich so, zu jeder Sinneszelle gehört die entsprechende Nervenzelle.) Das Erlebnis, dass alle Gefühle meine sind, ist der Ursprung des empirischen Ich (welches es zu erklären gilt).
JE





Alles Bewusstsein ist sinnlich.


Alles Bewusstsein ist sinnlich, es drückt aus den Akt der Intelligenz, der idealen Tätigkeit, und steht unter Gesetzen, wenigstens unterm Gesetz des Übergehens von der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. Durch diese Affektion wird alles, was gedacht wird, notwendig sinnlich.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 145 









Reflektiert wird zuerst auf das Gefühl. 


Ich bin beschränkt, zuförderst praktisch. Diese Beschränktheit ist wieder beschränkt durch die im Zustande des Gefühls vorgegangene Veränderung; auf diese kann ich reflektieren oder nicht. Diese Reflexion ist die bisher [so] genannte Anschauung X; reflektiere ich aber einmal, so kann ich mich nicht allein beschränkt setzen, sondern ich muss auch noch ein / Beschränkendes hinzusetzen, dies ist die Anschauung Y. Reflektiere ich nicht, so bin ich für mich nicht da, und sonach ist auch außer mir für mich nichts da. 

Indem ich nun den geschilderten freien Akt vollziehe, werde ich mir meiner unmittelbar bewusst. Mit jeder Reflexion auf meinen Zustand und dem daraus folgenden Schlusse auf etwas außer mir ist eine Reflexion auf mich unmittelbar verknüpft, nicht in zwei besonderen Akten.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 98f. 


Nota.  Die erste Realität ist das Gefühl. Es ist in jedem Falle ein Gefühl des Beschränktseins. Daraus schließt die Wissenschaftslehre auf das Vorhandensein von etwas Beschränkendem - einem Objekt außer mir - und auf das Vorhandensein von etwas, das sich nicht beschränken lassen will: Trieb, Streben, Wollen. Nur so kann Bewusstsein zustande gekommen sein; Selbstbewusstsein und Gegenstandsbewusstsein mit einem Mal.
JE






Das Fühlen ist selber Realität.


Wie kann nun das Gefühl Gegenstand eines Begriffs werden? Bei der Anschauung wird eine Realität vorausgesetzt, aber beim Fühlen nicht, das Fühlen ist selber Realität, die vorkommt. Ich fühle nicht etwas, sondern ich fühle mich. - Welches ist nun der Übergang aus dem Gefühl zur Anschauung?Ich kann kein Gefühl anschauen, außer in mir; soll ich ein Gefühl anschauen, so muss ich doch fühlend sein. Es wird schlechthin reflektiert. Das Ich erhebt durch eine neue Reflexion, die mit absoluter Freiheit geschieht, sich über sich selbst, sich das Anschauende über sich, inwiefern es fühlend wird, es wird dadurch selbstständig.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982,  S. 71







Alles objektive Vorstellen besteht in Raumerfüllung.

faberpartner

Alles objektive Vorstellen besteht in Raumerfüllung.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 117





nepalesische Schamanenmaske


Das Ich setzt, dass mit dem Gefühle Y (welches auch nur für das Ich da ist, sofern es darauf reflektiert) die Anschauung Y notwendig verbunden sei, die aus der Beschränkung herausspringe. Durch diese Verknüpfung der Anschauung mit dem Gefühle wird Y dem Ich ein reelles Ding. So ist unsere geschildert Beschreibung des Transzendenten* genommen, es wird Bedingung meines Bewusstseins, des bestimmten Bewusstseins der Realität; was aus dem Gefühle erfolgt, heißt dem Ich Ding, Realität.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 104

*) die Vorstellung von einem Ding 'hinter' der Anschauung





Gefühl, Begriff, Absicht.
Lothar Sauer


Wenn ich wirke, so bringe ich mich eigentlich aus einem Zustande des Gefühls in einen anderen, hier ist ein Übergehen durch meinen freien Willen; so wenn ich mir einen freien Begriff entwerfe, z. B. wenn ich mir an die Stelle eines Objekts im Raume irgendein anderes denke; diese Veränderung soll geschehen durch meinen Willen zufolge eines Begriffs.
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 Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 148

Nota. - Gefühl ist die reale Seite der Tätigkeit, Anschauung ist ihr unvermeidliches Spiegelbild: ideale Tätigkeit. Das ist die Ur-Teilung, auf der alles Bewusstsein beruht: die Verdoppelung der Tätigkeit durch Reflexion. Weiter zurück geht es nicht in der Erfahrung, sondern nur noch durch Spekulation: Wenn dieses folgen konnte, muss jenes vorausgegangen sein... Und der (retro-) spekulative Ausgangspunkt: Es muss gewolltworden sein.

JE




So und nicht anders.
archives.gov


Ein bestimmtes Quantum jener Beschränktheit gibt ein bestimmtes Quantum Anschauung. Wird der Grund be-/schränkt, so wird es auch das Begründete. (Ich bin in der Anschauung beschränkt heißt: Ich bin in der Vor- stellung Y gebunden, das Mannigfaltige darin so zu ordnen und nicht anders; jede Beschränktheit erregt ein Gefühl, sonach auch die Beschränktheit der idealen Tätigkeit in Y).
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Wissenschaftslehre nova methodo Hamburg 1982, S. 94f.

Nota. - An diesem Punkt wird die sinnliche, gegenständliche, "reale" Welt objektiv, und nur weil sie es ist, näm- lich ideal, kann sie zu einem gemeinsamen Gegenstand für mich und die 'vernünftigen Wesen außer mir' wer- den. Es ist die materielle Welt, die die ideelle Mitteilung über sie möglich macht, nicht umgekehrt. Das ist der Standpunkt des transzendentalen Idealismus.
JE





Was ist objektiv?


Objektiv hat zwei Bedeutungen: 1., im Gegensatz mit der idealen Tätigkeit ist es die praktische Tätigkeit, 2., im Gegensatz mit dem ganzen Ich ists das NichtIch. 
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 63

Nota. - Die Suche nach einer passenden Veranschaulichung hat einen eigenen Erkenntniswert. Im obigen Bild haben Sie praktische Tätigkeit, sogar im anschaulichsten Sinn; und im Werkzeug und den Hölzern haben Sie das Nichtich. Summa: Die Vorstellung eines Objektiven ist ein Produkt der Arbeit. Prägnanter hätte Marx das nicht formulieren können.





Das Praktische ist die Quelle des Theoretischen; das Handeln ist absolut.
12 Arbeiten des Herkules

Der Kantische Satz: Unsere Begriffe beziehen sich nur auf Objekte der Erfahrung, erhält in der Wissenschafts-Lehre die höhere Bestimmung: Die Erfahrung bezieht sich auf Handeln, die Begriffe entstehen durch das Handeln und sind nur um des Handelns willen da, nur das Handeln ist absolut. 

Kant wird nicht sagen, die Erfahrung sei absolut, er dringt auf den Primat der praktischen Vernunft, nur hat er das Praktische nicht entscheidend zur Quelle des Theoretischen gemacht
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 61





Inwiefern die Wissenschaftslehre realistisch ist.
de Ribera, Jacobs Traum


Die Philosophie desjenigen, der behauptet, dass der Mensch vorstellend ohne Handeln sei, ist bodenlos. Im Handeln erst komme ich auf Objekte. Hier wird erst recht klar, was es heiße: das Ich sieht die Welt in sich; oder: gibt es keine praktische, so gibt es auch keine ideale Tätigkeit; gibt es kein Handeln, so gibt es kein Vorstellen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 61

Nota. - Doch nie zu vergessen: 'Real' wird ein Handeln nicht erst, sobald eine Hand ihre Finger krümmt. Real ist allein schon das Einbilden; aber eben schon das Einbilden selbst; nicht erst das Anschauen des Eingebildeten: Das ist ideale Tätigkeit, oder Reflexion. Nochmal etwas anders ist, wenn die reale Tätigkeit des Einbildens auf einen Widerstand stößt: Dann muss ihre Realität sich behaupten, und dazu werden Hand und Finger wohl benötigt.

JE




Das Anschauende sieht seinem Machen zu.
 Lothar Sauer


Der Idealist sagt: Das Objekt wird gemacht; diese Antwort aber, so aufgestellt, löst auch nichts; denn wenn auch das Objekt Produkt des Ich als realtätigen Wesens ist, so ist das Ich, sofern es real tätiges Wesen ist, kein ideales, das Produkt, das das wirkende Ich hervorbrächte, wäre dem Vorstellenden gegeben, und wir wären wieder bei dem Vorigen.

Die Frage kann nur so beantwortet werden: Das Vorstellende und das Machende sind unmittelbar eins und dasselbe. Das Anschauende sieht seinem Machen zu. Es ist kein Objekt als Objekt unmittelbar Gegenstand des Bewusstseins, sondern nur das Machen, die Freiheit.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 50




Gefühl ist ein unfreier Zustand.
R. Begas, Prometheus

Unmittelbar ist das Gefühl Objekt der Anschauung nicht, auch kann das Gefühl nicht willkürlich erneuert werden, wie die Vorstellung eines Objekts erneuert werden kann: Ein Gefühl ist kein Ding, kein Zu-Konstruierendes, das beschrieben werden kann; es ist ein Zustand; es ist kein Substanzielles, sondern ein Accidenseiner Substanz. Aber das Gefühl scheint mit dem Objekte ganz verknüpft zu sein, es kann nicht gefühlt werden, ohne es auf ein Objekt zu beziehen. .../...

Der Charakter der Freiheit kann der idealen Tätigkeit nicht zukommen, außer in wiefern das Ich sich diese Tätigkeit zuschreibt. Dies geschieht durch Gegensatz eines nicht freien Zustandes - des Gefühls. Wenn daher die ideale Tätigkeit gesetzt würde als ein Losreißen aus dem leidenden Zustandes des Gefühls, so wäre der Gegensatz und das Vereinigungsband zwischen Gefühl und Anschauung da. ... Wir hätten hier in einer weiteren Bestimmung den Satz wieder: ideale und reale Tätigkeit sind nicht ohne einander. Hier heißt es: Gefühl und Anschauung sind nicht ohne einander. Gefühl ist etwas reales. Anschauung etwas ideales.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 78f.





Intensität und Quantum.

Die Intensität kommt dem Gefühle* zu, Extensität dem Raume. Durch jedes Gefühl werde ich geführt auf Materie, die ein Quantum ist und einen Raum erfüllt. (Gefühl drückt eine Beziehung auf uns aus, Beziehung auf unsere Begriffe; denn nur in wiefern Gefühl gesetzt ist, ist eine Anschauung vorhanden.) Nur in wiefern Materie ein Quantum ist, ist sie anschaubar; sie ist nicht mathematischer Punkt, denn sie kann geteilt werden: Die Kontinuität des Raumes und die unendlich Teilbarkeit der Materie müssen darum angenommen werden, weil sie Bedingungen der Freiheit sind.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 116




Die Wissenschaftslehre ist realistisch.

Courbet, Zwei Ringer 

Der letzte Grund aller Wirklichkeit für das Ich ist demnach nach der Wissenschaftslehre eine ursprüngliche Wechselwirkung zwischen dem Ich und irgend einem Etwas ausser demselben, von welchem sich weiter nichts sagen lässt, als dass es dem Ich völlig entgegengesetzt seyn muss. In dieser Wechselwirkung wird in das Ich nichts gebracht, nichts fremdartiges hineingetragen; alles was je bis in die Unendlichkeit hinaus in ihm sich entwickelt, entwickelt sich lediglich aus ihm selbst nach seinen eigenen Gesetzen; das Ich wird durch jenes Entgegengesetzte bloss in Bewegung gesetzt, um zu handeln, und ohne ein solches erstes bewegendes ausser ihm würde es nie gehandelt, und, da seine Existenz bloss im Handeln besteht, auch nicht existirt haben. Jenem bewegenden kommt aber auch nichts weiter zu, als dass es ein bewegendes sey, eine entgegengesetzte Kraft, die als solche auch nur gefühlt wird.

Das Ich ist demnach abhängig seinem Daseyn nach; aber es ist schlechthin unabhängig in den Bestimmungen dieses seines Daseyns. Es ist in ihm, kraft seines absoluten Seyns, ein für die Unendlichkeit gültiges Gesetz dieser Bestimmungen, und es ist in ihm ein Mittelvermögen, sein empirisches Daseyn nach jenem Gesetze zu bestimmen. Der Punct, auf welchem wir uns selbst finden, wenn wir zuerst jenes Mittelvermögens der Freiheit mächtig werden, hängt nicht von uns ab, die Reihe, die wir von diesem Puncte aus in alle Ewigkeit beschreiben werden, in ihrer ganzen Ausdehnung gedacht, hängt völlig von uns ab.

Die Wissenschaftslehre ist demnach realistisch. Sie zeigt,  dass das Bewusstseyn endlicher Naturen sich schlechterdings nicht erklären lasse, wenn man nicht eine unabhängig von denselben vorhandene, ihnen völlig entgegengesetzte Kraft an nimmt, von der dieselben ihrem empirischen Daseyn nach selbst abhängig sind. Sie behaupte aber auch nichts weiter, als eine solche entgegengesetzte Kraft, die von dem endlichen Wesen blossgefühlt, aber nicht erkannt wird. Alle mögliche Bestimmungen dieser Kraft, oder dieses Nicht-Ich, die in die Unendlichkeit hinaus in unserem Bewusstseyn vorkommen können, macht sie sich anheischig, aus dem bestimmenden Vermögen des Ich abzuleiten, und muss dieselbe, so gewiss sie Wissenschaftslehre ist, wirklich ableiten können.
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Grundlage der gesammten WissenschaftslehreSW Bd. I, S. 279f.






Die Wissenschaftslehre gründet auf Erfahrung.



Nun sollte in unserer Voraussetzung das Ich ein Nicht-Ich setzen schlechthin und ohne allen Grund, d. i. es sollte sich selbst schlechthin und ohne allen Grund einschränken, zum Theil nicht setzen. Es müsste demnach den Grund sich nicht zu setzen, in sich selbst haben; es müsste in ihm seyn das Princip sich zu setzen, und das Princip sich auch nicht zu setzen.

Mithin wäre das Ich in seinem Wesen sich selbst entgegengesetzt und widerstreitend; es wäre in ihm ein zwiefaches entgegengesetztes Princip, welche Annahme sich selbst widerspricht, denn dann wäre in ihm gar kein Princip. Das Ich wäre gar nichts, denn es höbe sich selbst auf. (Wir stehen hier auf einem Puncte, von welchem aus wir den wahren Sinn unseres zweiten Grundsatzes dem Ich wird entgegengesetzt ein Nicht-Ich, und vermittelst desselben die wahre Bedeutung unserer ganzen Wissenschaftslehre deutlicher darstellen können, als wir es bis jetzt irgendwo konnten.) 

Im zweiten Grundsatze ist nur einiges absolut; einiges aber setzt ein Factum voraus, das sich gar nicht aufzeigen lässt, sondern lediglich in eines jeden eigener Erfahrung. Ausser dem Setzen des Ich durch sich selbst soll es noch ein Setzen geben. Dies ist eine blosse Hypothese, dass es ein solches Setzen gebe, lässt sich durch nichts darthun, als durch ein Factum des Bewusstseyns, und jeder muss es sich selbst durch dieses Factum darthun; keiner kann es dem anderen durch Vernunftgründe beweisen. ... / ...  Absolut aber und schlechthin im Wesen des Ich gegründet ist es, dass, wenn es ein solches Setzen giebt, dieses Setzen ein Entgegensetzen, und das Gesetzte ein Nicht-Ich seyn müsse. 

– Wie das Ich irgend etwas von sich selbst unterscheiden könne, dafür lässt kein höherer Grund der Möglichkeit irgend woher sich ableiten, sondern dieser Unterschied liegt aller Ableitung und aller Begründung selbst zum Grunde. Dass jedes Setzen, welches nicht ein Setzen des Ich ist, ein Gegensetzen seyn müsse, ist schlechthin gewiss: dass es ein solches Setzen gebe, kann jeder nur durch seine eigene Erfahrung sich darthun. Daher gilt die Argumentation der Wissenschaftslehre schlechthin a priori, sie stellt lediglich solche Sätze auf, die gewiss sind; Realität aber erhält sie erst in der Erfahrung. Wer des postulirten Factums sich nicht bewusst seyn könnte – man kann sicher wissen, dass dies bei keinem endlichen vernünftigen Wesen der Fall seyn werde, – für den hätte die ganze Wissenschaft keinen Gehalt, sie wäre ihm leer; dennoch aber müsste er ihr die formale Richtigkeit zugestehen.

Und so ist denn die Wissenschaftslehr a priori möglich, ob sie gleich auf Objecte gehen soll. Das Object ist nicht a priori, sondern es wird ihr erst in der Erfahrung gegeben; die objective Gültigkeit liefert jedem sein eigenes Bewusstseyn des Objects, welches Bewusstseyn sich nur postuliren, nicht aber deduciren lässt. ...

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Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW Bd. I,S. 252f.




Nota.

Ein solches Argument heißt eine vollständige Induktion.

JE



An sich ist die Vernunft bloß praktisch...

...und nur in der Reflexion erscheint sie als theoretisch begründet:

Rainer Sturm  / pixelio.de 

Das Ich setzt sich selbst, als beschränkt durch das Nicht-Ich. Von diesem  [Satz] lässt sich ein Gebrauch machen; und er muss angenommen werden als gewiss, denn er lässt sich aus dem [weiter] oben aufgestellten Satze ableiten.
Das Ich ist gesetzt zuvörderst als absolute, und dann als einschränkbare, einer Quantität fähige Realität, und zwar als einschränkbar durch das Nicht-Ich. Alles dies aber ist gesetzt durch das Ich; und dieses sind denn die Momente unseres Satzes.

2) Dass der erstere, bis jetzt problematische Satz den praktischen Theil der Wissenschaft begründe. Aber da er selbst problematisch ist, so bleibt die Möglichkeit eines solchen praktischen Theils gleichfalls problematisch. Hieraus geht nun

3) hervor, warum die Reflexion vom theoretischen Theile ausgehen müsse; ohngeachtet sich im Verfolg zeigen wird, dass nicht etwa das theoretische Vermögen das praktische, sondern dass umgekehrt das praktische Vermögen erst das theoretische möglich mache, (dass die Vernunft an sich bloss praktisch sey, und dass sie erst in der Anwendung ihrer Gesetze auf ein sie einschränkendes Nicht-Ich theoretisch werde). – Sie ist es darum, weil die Denkbarkeit des praktischen Grundsatzes sich auf die Denkbarkeit des theoretischen Grundsatzes gründet. Aber von der Denkbarkeit ist ja doch bei der Reflexion die Rede.

4) Geht daraus hervor, dass die Eintheilung der Wissenschaftslehre / in die theoretische und praktische, die wir hier gemacht haben, bloss problematisch ist; (aus welchem Grunde wir sie denn auch nur so im Vorbeigehen machen mussten, und die scharfe Grenzlinie, die noch nicht als solche bekannt ist, nicht ziehen konnten). Wir wissen noch gar nicht, ob wir den theoretischen Theil vollenden, oder ob wir nicht vielleicht auf einen Widerspruch stossen werden, der schlechthin unauslösbar ist; um soviel weniger können wir wissen, ob wir von dem theoretischen Theile aus in einen besonderen praktischen werden getrieben werden). 

(Es wird sich zeigen, 

1) dass der letztere Satz den theoretischen Theil der Wissenschaftslehre begründe – jedoch erst nach Vollendung desselben, wie das beim synthetischen Vortrage nicht anders seyn kann.
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Nota 
Und nie vergessen: Praktisch ist das, was durch Freiheit möglich ist.
JE 






Die Natur ist absolut durch sich selbst gesetzt.


„Hexenkopfnebel“ (Witch head nebula)

/ Bemerkung: Nur als organisiert und organisierend ist die Natur erklärbar, außerdem [=andernfalls] wird man durch das Gesetz der Kausalität immer weiter hinausgetrieben. Dadurch fallen die Kantischen Antinomien der Vernunft ganz weg, weil sie bloß Antinomien des freien Räsonnements sind.

Auf diese Weise haben die alten Philosophen die Beweise für Gott aus der Welt hervorgebracht, aus Verzweiflung, indem sie doch einmal bei etwas stehen bleiben wollten. -

Man muss die Vernunft als ein Ganzes auffassen, dann findet kein Widerstreit statt, dann ist die Natur ganzs absolut durch sich selbst gesetzt als absolutes Sein, entgegengesetzt nur dem absoluten Ich. Diese Ansicht muss eine Naturwissenschaft nehmen. 

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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 240 




Nota. - War Fichte Atheist? Die Auffassung von Gott als Schöpfer von Welt und Wirklichkeit hat er stets abgelehnt, aber seine Auffassung von der Vernunft als universaler geistiger Substanz und absolutes Subjekt hat er seit dem Atheismusstreit für 'Gott' ausgegeben. Dem hatte bis dahin die rivalisierende Auffassung von der Vernunft als einem unendlichen Prozess der Selbstsetzung entgegengestanden. Indem er diese nach 1800 völlig aus seinem Denken ausgeschieden hat, glaubte er, den Vorwurf des Atheismus zu entkräften; insbesondere aber F. H. Jacobis Vorwurf des Nihilismus zurückweisen zu können.


JE 






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