Freitag, 7. Juni 2019

Bestimmen und das Bestimmen bestimmen.


Alles Denken ist Übergehen von Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit. Alles Denken ist bestimmte Tätigkeit, die etwas / aus der Masse herausreißt und bestimmt. Sowie etwas in die Form des Denkens aufgenommen wird, wird es selbst bestimmt. (Dieses ist die erste Hauptbemerkung, die man sich klarmachen muss, um einzusehen, wie aus dem Übersinnlichen ein Sinnliches wird.)

Wenn wir nun das Wollen denken, so wird es gerade so gedacht, wie wir es oben gedacht und beschrieben haben.

(Die zweite Hauptbemerkung ist, dass allem Bestimmen ein Bestimmbares vorausgesetzt werden muss, dies liegt in der Form unseres sinnlichen Denkens.)

 Das Intelligible wird sinnlich, indem es mit einem Bestimmbaren zusammen gedacht wird.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 145
f. 



Nota I. - Die Tätigkeit der Einbildungskraft ist zuerst real, daraus erfolgt ein Widerstand, er äußerst sich im Ge- fühl. Das Vorstellen beginnt mit der Anschauung des Gefühls als dieses, sie ist die erste Stufe der Reflexion = ideale Tätigkeit; ist setzen. Die Aufnahme des Gesetzten in den Begriff ist bestimmen: Hier beginnt denken in spe- cie. Bestimmen ist aber verendlichen. Indem ein Intelligibles gedacht werden soll, wird es bestimmt und eo ipso verendlicht. - Sobald wir wirklich zu denken anfangen, verlassen wir das Reich des bloß Intelligblen und treten in die Sinnlichkeit ein. 

Das ist scholastisch formuliert, Fichte selbst hat auf dergleichen verzichtet. Es ist auch kein Lehrsatz, sondern eine Verständnishilfe.
24. 12. 16

Nota II. -  Alles Tätigsein ist Übergehen vom bestimmbar-Unbestimmten zum Bestimmen. Sofern 'Tätigkeit-überhaupt' gedacht wird, wird sie nur als dieses gedacht. Das erste, was es zu bestimmen gilt, ist das Wollen. Die erste Willensbestimmung ist das Auswählen eines Gegenstands aus der Mannigfaltigkeit des Erscheinenden. Noch ist der Gegenstand allein so bestimmt: dass ich ihn ausgewählt habe.

Die Unterscheidung von realer und idealer Tätigkeit ist hier noch ohne Belang. Dass ich einen Gegenstand ge- wählt habe, ist real. Wenn ich daran denke, dass ich ihn gewählt habe, ist es ein idealer Akt. Welcher Art der Ge- genstand selber ist, ein gedachter oder sinnlich erfahrener, ist gleichgültig - und muss es sein, denn als ich ihn wählte, nämlich zum Gegenstand meiner realen Vorstellung machte, konnte ich darüber noch nichts wissen. Dafür bedurfte es einer Reihe weiterer Akte, realer wie idealer.

Sinnliche Gegenstände begegnen einem Vernunftwesen doppelt - als Ding in Raum und Zeit und als Begriff. Das eine ist das, was mir erscheint, das andere ist die Bedeutung, die ich ihm beimesse. Das eine ist sinnlich, das andere intelligibel. Ich mag mir einen intelligiblen Gegenstand - einen Begriff - real vorstellen und ideal auf mein Vorstellen-seiner reflektieren. In beiden Fällen 'ist' er intelligibel und nicht sinnlich-real.

Die Wissenschaftslehre verfährt allezeit sowohl auf der ersten semantischen Ebene als auch auf der zweiten:  Das Ich tut, und eine andere Intelligenz schaut zu. Beides kann nur parallel dargestellt werden, und doch muss es un- terschieden beiben. Die Schwierigkeit liegt in der transzendentalen Betrachtungsweise selbst. Sie beschreibt die Tätigkeit dessen, der selber in seinem Tun befangen ist, aus der Sicht eines unbefangenen Zuschauers. Der Zu- schauer handelt nie selbst, sondern immer nur, als ob er selber handeln würde. Doch nur er hat den Abstand, um auf das wirklich geschehene Handeln reflektieren zu können. Während der eine seine Tätigkeit bestimmt, be- stimmt der andere... nicht, dass er sie bestimmt, sondern als was er sie bestimmt.

Denn der Zuschauer - die Wissenschaftslehre - befindet sich idealiter schon auf dem Standpunkt des ganzen Systems; anders hätte er - sie - mit dem Beschreiben des wirklichen Handelns gar nicht erst beginnen können.

Um dies abzurunden: Sache der Transzendentalphilosophie ist es darum nicht zu zeigen, wie aus einem Über- sinnlichen ein Sinnliches wird, sondern wie aus dem Sinnlichen das Intelligible hervorgegangen ist: Es ist die Ur-Teilung des Handelns in Gegenstand und Absicht.

Und nicht zu vergessen: Bestimmen ist reale Tätigkeit, Bestimmen des Bestimmens ist ideale Tätigkeit.
JE


  
Nota - Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und ihre Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Ihre Nachricht auf diesem Blog. JE.

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