Die Frage nach dem Verhältnis zwischen Vernunft und Sittengesetz berührt den Kern der Wissenschaftslehre. Ist Vernunft an sich und ist sie ein dem wirkliche Handeln wirklicher Menschen vorgegebenes Programm, das sie einzusehen und zu befolgen haben, dann betrifft sie all ihr Handeln, egal auf welchem Feld.
Ist aber Vernunft nichts als Vernünftigkeit, nämlich freies Handeln in einer 'Reihe vernünftiger Wesen', deren jeweilige Freiheit ich als meine Grenze annehme, dann betrifft sie nur solches Handeln, das die Freiheit anderer vernünftiger Wesen berührt, nicht wahr? Doch besteht die Vernünftigkeit nicht zuerst, sondern nur sekundär darin, meine eigene Freiheit an der der anderen einzuschränken; zuerst besteht sie noch immer darin, Zwecke zu setzen. In deren Verfolgung erst ergibt sich - oder nicht - ein Konflikt mit den Freiheiten der Andern.
Die Sittlichkeit betrifft nun aber nicht die Zwecke, die ich in der Welt verfolge, wo ich mit einer 'Reihe vernünf- tiger Wesen' zu tun bekäme: Denn das wäre das Reich des Rechts. Sittlich ist ein Problem immer dann, wenn ich mich frage, was ich vor mir selbst verantworten kann: ob ich im Begriff bin, meine Freiheit "nach dem Begriffe der Selbstständigkeit schlechthin ohne Ausnahme" zu bestimmen, oder mich hinreißen und verleiten lasse. Und dafür kann es keine Regeln geben. Das muss ich im gegebenen Fall stets selber entscheiden.
Ein 'System der Sittlichkeit' aufstellen zu wollen, ist dann aber widersinnig. Dass Fichte es versucht hat, entspricht ganz seinem Schwanken in der Auffassung der Vernunft.
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Das Sittengesetz ist nicht gegeben, sondern wird gemacht.
...daß das Sittengesetz gar nicht so etwas ist, welches ohne alles Zutun in uns sei, sondern daß es erst durch uns selbst gemacht wird.
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System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW Bd. IV, S. 192Sittlichkeit ist ohne Begriffe.
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Rückerinnerungen, Antworten, Fragen [S. 140]
Nota. - Das ist denkbar unmissverständlich. Es sei aber nicht verschwiegen, dass er sich eine Hintertür offenlässt: wenn man nämlich die Begriffe anders "nimmt". Würde man etwa den 'Endzweck der Vernunft' als den Oberbegriff nehmen, der allen anderen ihre Gültigkeit zuteilt, dann möchte es möglich sein, auch die Sittlichkeit der 'Vernunft' unterzuordnen - und sie in Begriffe zu fassen. In dem Maße, wie F. stets zwischen einer kritischen und einer dogmatischen Auffassung der Vernunft schwankt, ist er immer wieder mal versucht, die Sittlichkeit - das Rechttun hier und jetzt - der Vernunft einzuverleiben und zu unterwerfen.
JE
Jeder hat sein ganz besonderes Gewissen.
Um uns selbst zu finden, müssen wir die Aufgabe denken, uns auf eine gewisse Weise zu beschränken. Diese Aufgabe ist für jedes Individuum eine andre, und dadurch eben wird bestimmt, wer dieses Individuum eigentlich ist. Diese Aufgabe erscheint nicht auf einmal, sondern im Fortgangs der Erfahrung jedesmal, in wiefern ein Sittengesetz an uns ergeht. Aber in dieser Aufforderung liegt zugleich, da wir praktische Wesen sind, zu einem bestimmten Handeln Aufforderung.
Dies ist für jedes Individuum auf besondere Weise gültig. Jeder trägt sein Gewissen in sich und hat sein ganz besonderes. Aber die Weise, wie das Vernunftgesetz allen gebiete, lässt sich nicht in abstracto aufstellen. So eine Untersuchung wird von einem hohen Gesichtspunkte aus angestellt, auf welchem die Individualität verschwindet und bloß auf das Allgemeine gesehen wird. Ich muss handeln, mein Gewissen ist mein Gewissen. In sofern ist die Sittenlehre individuell...
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 241
In Fichtens Moral sind die richtigsten Ansichten der Moral. Die Moral sagt schlechterdings nichts Bestimmtes – sie ist das Gewissen – eine bloße Richterin ohne Gesetz. Sie gebietet unmittelbar, aber immer einzeln. Sie ist durchaus Entschlossenheit. Richtige Vorstellung vom Gewissen. Gesetze sind der Moral durchaus entgegen.
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Novalis, Allgemeines Brouillon N°670
Über Moralität und Begriffe.
Rolf Handke / pixelio.de
...denn das Sittengesetz fordert Selbständigkeit nach Begriffen...
Das System der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre, SW Bd. IV, S. 355
...ich kann sonach von dem, was ich sollte, keinen Begriff haben, ehe ich es wirklich tue.
...denn das Sittengesetz fordert Selbständigkeit nach Begriffen...
Das System der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre, SW Bd. IV, S. 355
...ich kann sonach von dem, was ich sollte, keinen Begriff haben, ehe ich es wirklich tue.
ebd, S. 181
Nota. - Der ästhetische Sinn ist noch keine Tugend, weil er ' ohne alle Begriffe von selbst kommt'. Sittlichkeit verlangt aber nach Begriffen. Doch kann ich von meiner Pflicht 'keinen Begriff haben', ehe ich sie wirklich tue -? Wie ich es drehe und wende, das ist ein Widerspruch. Anscheinend ist der ästhetische Sinn doch der Wegbereiter, der Begriff kommt erst im Nachhinein, als Richter.
JE
Nota. - Der ästhetische Sinn ist noch keine Tugend, weil er ' ohne alle Begriffe von selbst kommt'. Sittlichkeit verlangt aber nach Begriffen. Doch kann ich von meiner Pflicht 'keinen Begriff haben', ehe ich sie wirklich tue -? Wie ich es drehe und wende, das ist ein Widerspruch. Anscheinend ist der ästhetische Sinn doch der Wegbereiter, der Begriff kommt erst im Nachhinein, als Richter.
JE
Das Gewissen gebietet immer hier und jetzt.
Henrik G. Vogel, pixelio.de
Jene Stimme in meinem Innern, der ich glaube, und um deren willen ich alles Andere glaube, was ich glaube, gebietet mir nicht überhaupt nur zu thun. Dieses ist unmöglich; alle diese allgemeinen Sätze werden nur durch meine willkürliche Aufmerksamkeit und Nachdenken über mehrere Thatsachen gebildet, drücken aber nie selbst eine Thatsache aus. Sie, diese Stimme meines Gewissens, gebietet mir in jeder besonderen Lage meines Daseyns, was ich bestimmt in dieser Lage zu thun, was ich in ihr zu meiden habe: sie begleitet mich, wenn ich nur aufmerksam auf sie höre, durch alle Begebenheiten meines Lebens, und sie versagt mir nie ihre Belohnung, wo ich zu handeln habe. Sie begründet unmittelbar Ueberzeugung, und reisst unwiderstehlich meinen Beifall hin: es ist mir unmöglich, gegen sie zu streiten.
Auf sie zu hören, ihr redlich und unbefangen ohne Furcht und Klügelei zu gehorchen, dies ist meine einzige Bestimmung, / dies der ganze Zweck meines Daseyns. – Mein Leben hört auf ein leeres Spiel ohne Wahrheit und Bedeutung zu seyn. Es soll schlechthin etwas geschehen, weil es nun einmal geschehen soll: dasjenige, was das Gewissen nun eben von mir, von mir, der ich in diese Lage komme, fordert; dass es geschehe, dazu, lediglich dazu bin ich da; um es zu erkennen, habe ich Verstand; um es zu vollbringen, Kraft.
Durch diese Gebote des Gewissens allein kommt Wahrheit und Realität in meine Vorstellungen. Ich kann jenen die Aufmerksamkeit und den Gehorsam nicht verweigern, ohne meine Bestimmung aufzugeben.
Ich kann daher der Realität, die sie herbeiführen, den Glauben nicht versagen, ohne gleichfalls meine Bestimmung zu verläugnen. Es ist schlechthin wahr, ohne weitere Prüfung und Begründung, es ist das erste Wahre, und der Grund aller anderen Wahrheit und Gewissheit, dass ich jener Stimme gehorchen soll: es wird mir sonach in dieser Denkweise alles wahr und gewiss, was durch die Möglichkeit eines solchen Gehorsams als wahr und gewiss vorausgesetzt wird.
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Die Bestimmung des Menschen, SW II, S. 258f.
Nota. - Das ist die Stelle, wo es kritisch wird. Da ist erstens das Gewissen, das immer nur dieses oder das gebietet, und immer jetzt. Allgemeine Sätze werden daraus allenfalls von der Reflexion abstrahiert, aber sie haben keine Realität. Mit andern Worten, Begriffe finden in der Moralität keinen Platz. - Aber dann wird konstruiert, dass einem schwindelig wird: Nähme ich an, dass alle Taten, die mir mein Gewissen aufgegeben hat, zum Erfolg führen, könnte ich daraus einen tatsächlichen Zustand hochrechnen - die "Realität, die sie herbeiführen" -, aus dem ich wiederum rückwirkend "meine Bestimmung" begreifen kann. Und dieser 'Realität' kann ich "den Glauben nicht versagen".
Nachdem er eben vornherum aus der Moralität die Begriffe ausgetrieben hat, führt er nun hintenrum einen ganzen Begriffspalast ein, der so konstruiert ist, wie der Eiffelturm erst neunzig Jahre später. Warum das, damit hat es doch keine Not, er war doch schon bei einem Ergebnis angelangt, das praktischer gar nicht sein kann - ?
Es ist ein äußerer Zweck, den er verfolgt, er will den Vorwurf des Atheismus im nachhinein entkräften, indem er einen theoretischen Gott erklügelt...
JE Jene Stimme in meinem Innern, der ich glaube, und um deren willen ich alles Andere glaube, was ich glaube, gebietet mir nicht überhaupt nur zu thun. Dieses ist unmöglich; alle diese allgemeinen Sätze werden nur durch meine willkürliche Aufmerksamkeit und Nachdenken über mehrere Thatsachen gebildet, drücken aber nie selbst eine Thatsache aus. Sie, diese Stimme meines Gewissens, gebietet mir in jeder besonderen Lage meines Daseyns, was ich bestimmt in dieser Lage zu thun, was ich in ihr zu meiden habe: sie begleitet mich, wenn ich nur aufmerksam auf sie höre, durch alle Begebenheiten meines Lebens, und sie versagt mir nie ihre Belohnung, wo ich zu handeln habe. Sie begründet unmittelbar Ueberzeugung, und reisst unwiderstehlich meinen Beifall hin: es ist mir unmöglich, gegen sie zu streiten.
Auf sie zu hören, ihr redlich und unbefangen ohne Furcht und Klügelei zu gehorchen, dies ist meine einzige Bestimmung, / dies der ganze Zweck meines Daseyns. – Mein Leben hört auf ein leeres Spiel ohne Wahrheit und Bedeutung zu seyn. Es soll schlechthin etwas geschehen, weil es nun einmal geschehen soll: dasjenige, was das Gewissen nun eben von mir, von mir, der ich in diese Lage komme, fordert; dass es geschehe, dazu, lediglich dazu bin ich da; um es zu erkennen, habe ich Verstand; um es zu vollbringen, Kraft.
Durch diese Gebote des Gewissens allein kommt Wahrheit und Realität in meine Vorstellungen. Ich kann jenen die Aufmerksamkeit und den Gehorsam nicht verweigern, ohne meine Bestimmung aufzugeben.
Ich kann daher der Realität, die sie herbeiführen, den Glauben nicht versagen, ohne gleichfalls meine Bestimmung zu verläugnen. Es ist schlechthin wahr, ohne weitere Prüfung und Begründung, es ist das erste Wahre, und der Grund aller anderen Wahrheit und Gewissheit, dass ich jener Stimme gehorchen soll: es wird mir sonach in dieser Denkweise alles wahr und gewiss, was durch die Möglichkeit eines solchen Gehorsams als wahr und gewiss vorausgesetzt wird.
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Die Bestimmung des Menschen, SW II, S. 258f.
Nota. - Das ist die Stelle, wo es kritisch wird. Da ist erstens das Gewissen, das immer nur dieses oder das gebietet, und immer jetzt. Allgemeine Sätze werden daraus allenfalls von der Reflexion abstrahiert, aber sie haben keine Realität. Mit andern Worten, Begriffe finden in der Moralität keinen Platz. - Aber dann wird konstruiert, dass einem schwindelig wird: Nähme ich an, dass alle Taten, die mir mein Gewissen aufgegeben hat, zum Erfolg führen, könnte ich daraus einen tatsächlichen Zustand hochrechnen - die "Realität, die sie herbeiführen" -, aus dem ich wiederum rückwirkend "meine Bestimmung" begreifen kann. Und dieser 'Realität' kann ich "den Glauben nicht versagen".
Nachdem er eben vornherum aus der Moralität die Begriffe ausgetrieben hat, führt er nun hintenrum einen ganzen Begriffspalast ein, der so konstruiert ist, wie der Eiffelturm erst neunzig Jahre später. Warum das, damit hat es doch keine Not, er war doch schon bei einem Ergebnis angelangt, das praktischer gar nicht sein kann - ?
Es ist ein äußerer Zweck, den er verfolgt, er will den Vorwurf des Atheismus im nachhinein entkräften, indem er einen theoretischen Gott erklügelt...
Die Pflicht gebietet immer konkret.
Dem wirklichen Menschen im Leben (und wie sich versteht, auch dem, der selbst Philosophie treibt, inwiefern er wirklich handelt) kommt das Pflichtgebot nie überhaupt, sondern immer nur eine bestimmte Willensbestimmung in concreto als Pflicht vor. Inwiefern er nun wirklich seinen Willen so bestimmt, wie sein Gewissen es in diesem Falle fordert, so handelt er moralisch.
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Rückerinnerungen, Antworten, Fragen. [S. 157]
Das Reich der Vernunft und das Reich der Moral.
Auf die Frage: ob denn nun in der That eine solche [moralische] Welt[ordnung] vorhanden sey, wie ich sie mir vorstelle, kann ich nichts Gründliches, nichts über alle Zweifel Erhabenes antworten als dies: ich habe gewiss und wahrhaftig diese bestimmten Pflichten, welche sich mir als Pflichten gegen solche und in solchen Objecten darstellen; diese bestimmten Pflichten, die ich mir nicht anders vorzustellen, und sie nicht anders auszuführen vermag, als innerhalb einer solchen Welt, wie ich / mir eine vorstelle. –
Selbst demjenigen, der seine eigene sittliche Bestimmung sich nie gedacht hätte, wenn es einen solchen geben könnte – oder der, wenn er sie sich überhaupt gedacht hätte, nicht den leisesten Vorsatz hegte, sie irgend einmal in einer unbestimmten Zukunft zu erfüllen – selbst ihm entsteht seine Sinnenwelt und sein Glaube an die Realität derselben auf keinem anderen Wege, als aus seinem Begriffe von einer moralischen Welt.
Umfasst er dieselbe auch nicht durch den Gedanken seiner Pflichten, so thut er es doch sicher durch die Forderung seiner Rechte. Was er sich selbst vielleicht nie anmuthet, muthet er doch gewiss anderen gegen sich an: – dass sie ihn mit Besonnenheit und Ueberlegung und Zweckmässigkeit, nicht als ein vernunftloses Ding, sondern als ein freies und selbstständiges Wesen behandeln; und so wird er allerdings, damit sie nur diese Anforderung erfüllen können, genöthigt, auch sie, als besonnen, und frei, und selbstständig, und unabhängig von blosser Naturgewalt zu denken.
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Die Bestimmung des Menschen, SW II, S. 261f.
Nota. - Nachdem uns keiner so energisch wie er darauf verwiesen hat, dass das Recht nicht aus der Moral, noch gar die Moral aus dem Recht hervorgehe, stellt er sie nun ebenbürtig nebeneinander wie zwei Seiten einer Medaille. Aber wo von Rechten die Rede ist, ist von Rechten gegen Andere - ihrer gegen mich, meiner gegen sie - die Rede; nämlich von den Bedingungen eines vernünftig geordneten oder noch zu ordnenden Zusammenlebens. Und nur in diesem Zusammenhang ist es berechtigt, von den Rechten der andern als von meinen Pflichten, und von meinen Pflichten als von deren Rechten zu denken.
Aber die Moralität, die er hier in Anspruch nimmt, bezieht sich nicht auf meine Pflichten gegen Andere, sondern gegen mich. Moralität gebietet mir, was ich mir selber schuldig bin. Mir bin ich schuldig, gegen andere gerecht zu sein. Den andern schulde ich nur, was ihre Rechte sind. Das Recht gehört in unsere, die Moralität in meine Welt. Ich bin faktisch jederzeit in beiden. Die Erfordernis, beide in meiner Vorstellung und in meinem daraus resultierenden Handeln mit einander in Beziehung zu setzen, begründet Vernunft. In meiner Welt allein wäre sie ohne allen Sinn.
Aber die Moralität, die er hier in Anspruch nimmt, bezieht sich nicht auf meine Pflichten gegen Andere, sondern gegen mich. Moralität gebietet mir, was ich mir selber schuldig bin. Mir bin ich schuldig, gegen andere gerecht zu sein. Den andern schulde ich nur, was ihre Rechte sind. Das Recht gehört in unsere, die Moralität in meine Welt. Ich bin faktisch jederzeit in beiden. Die Erfordernis, beide in meiner Vorstellung und in meinem daraus resultierenden Handeln mit einander in Beziehung zu setzen, begründet Vernunft. In meiner Welt allein wäre sie ohne allen Sinn.
Kein Begriff von meiner Pflicht.
Edwin Church, Meteor 1860
...ich kann sonach von dem, was ich sollte, keinen Begriff haben, ehe ich es wirklich tue.
Nota.
Das kommt nun gar nicht überraschend. Denn meine Pflicht ist, frei zu handeln. Doch eben, wenn es aus Freiheit ist, kann ich es nicht begreifen; jedenfalls nicht vor dem Akt.
JE
...ich kann sonach von dem, was ich sollte, keinen Begriff haben, ehe ich es wirklich tue.
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Das System der Sittenlehre nach den Principien der Wissenschaftslehre, SW Bd. IV, S. 181Nota.
Das kommt nun gar nicht überraschend. Denn meine Pflicht ist, frei zu handeln. Doch eben, wenn es aus Freiheit ist, kann ich es nicht begreifen; jedenfalls nicht vor dem Akt.
JE
Das Prinzip der Sittlichkeit ist dieses.
Das Prinzip der Sittlichkeit ist der notwendige Gedanke der Intelligenz, dass sie ihre Freiheit nach dem Begriffe der Selbstständigkeit schlechthin ohne Ausnahme bestimmen solle.
Es ist ein Gedanke, keinesweges ein Gefühl oder eine Anschauung, wiewohl dieser Gedanke sich auf die intellektuelle Anschauung der absoluten Tätigkeit der Intelligenz gründet: ein reiner Gedanke, dem nicht das Geringste von Gefühl oder von sinnlicher Anschauung beigemischt sein kann, da er der unmittelbare Begriff der reinen Intelligenz von sich selber ist; ein notwendiger Gedanke, denn er ist die Form, unter welcher die Freiheit der Intelligenz gedacht wird; der erste und absolute Gedanke, denn da er der Begriff des Denkenden selbst ist, so gründet er sich auf keinen anderen Gedanken als Folge auf seinen Grund und ist durch keinen anderen bedingt.
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Moral hat mit Recht nichts zu tun.
denn Moral ist nicht blind
Der deduzierte Begriff [des Rechts, JE.] hat mit dem Sittengesetze nichts zu tun, ist ohne dasselbe deduziert, und schon darin liegt, da nicht mehr als Eine Deduktion desselben möglich ist, der faktische Beweis, dass er nicht aus dem Sittengesetz zu deduzieren sei. Auch sind alle Versuche einer solchen Deduktion gänzlich misslungen.
Der Begriff der Pflicht, der aus jenem Gesetze hervorgeht, ist dem des Rechtes in den meisten Merkmalen geradezu entgegengesetzt. Das Sittengesetz gebietet kategorisch die Pflicht: das Rechtsgesetz erlaubt nur, aber gebietet nie, dass man sein Recht ausübe. Ja, das Sittengesetz verbietet sehr oft die Ausübung eines Rechts, das dann doch nach dem Geständnis aller Welt nicht aughört, ein Recht zu sein. Das Recht dazu hatte er wohl, urteilt man dann, aber er hätte sich desselben nicht bedienen sollen.
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Grundlage der Naturrechts..., SW III, S. 54
Nota. - Das Recht wird nötig, um das Zusammenleben vernünftiger und eo ipso freier Wesen möglich zu machen; indem es dir gebietet, die Ausübung deiner Freiheit in Ansehung der Freiheit Anderer selber einzuschränken. - Das Sittengesetz gilt für das vernünftige Wesen unbedingt und unabhängig vom Dasein Anderer.
JE
Das Sittengesetz als Vernunftzweck.
Von uns wird behauptet, dass die Vernunft schlechthin aus sich selbst und durch sich selbst einen Zweck aufstelle; und insofern ist sie schlechthin praktisch. Die praktische Dignität der Vernunft ist ihre Absolutheit selbst, / ihre Unbestimmbarkeit durch irgend etwas außer ihr und vollkommene Bestimmtheit durch sich selbst.
Wer diese Absolutheit nicht anerkennt - man kann sie nur in sich durch Anschauung finden -, sondern die Vernunft für ein bloßes Räsonnier-Vermögen hält, welchem erst Objekte von außen gegeben werden müssten, ehe es sich in Tätigkeit versetzen können, dem wird es immer unbegreiflich bleiben, wie sie schlechthin praktisch sein könne, und er wird nie ablassen zu glauben, dass die Bedingungen der Ausführbarlkeit des Gesetzes voher erkannt sein müssen, ehe das Gesetz angenommen werden könne. ... /
Das Prinzip der Sittlichkeit ist der notwendige Gedanke der Intelligenz, dass sie ihre Freiheit nach dem Begriffe der Selbstständigkeit schlechthin ohne Ausnahme bestimmen solle.
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Das System der Sittenlehre nach Prinzipien der Wissenschaftslehre, SW IV, S. 57ff.
Nota I. - Würde nicht eine Welt vorausgesetzt, die allenthalben die Selbstständigkeit der Vernünftigen einzuschränken droht, wäre das Sittengesetz und wäre der Vernunftzweck gegenstandslos.
Nota II. - "Das Prinzip der Sittlichkeit ist der notwendige Gedanke der Intelligenz, dass sie ihre Freiheit nach dem Begriffe der Selbstständigkeit schlechthin ohne Ausnahme bestimmen solle." - Das ist allerdings das Prinzip der Vernünftigkeit selbst, ja. Der entscheidende Unterschied zwischen Vernunft und Sittlichkeit ist allerdings der, dass ich meine Freiheit nach dem Begriffe der Selbstständigkeit in dem einen Falle in einer Welt bestimme, die ich mit Anderen, die ich mit einer 'Reihe von vernünftigen Wesen' teile, oder in einer Welt, in der ich mit mir alleine bin. Was ich denen schulde, ist nicht das, was ich mir schulde, und was ich mir schulde, ist nicht, was ich ihnen schulde. Jedenfalls nicht in der Regel. im Juni 2015
JE
JE
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