Dienstag, 30. April 2019

[Luft und Licht.]

 
(Es ist nicht erwiesen, dass die soeben aufgezeigte subtile Materie, vermittelst welcher die bloße Gestalt im Raume wirken soll, von der oben abgeleiteten spezifisch verschieden sei, sondern nur, dass der subtilen Materie diese beiden Prädikate zukommen müssen. Das Letztere wäre erwiesen, wenn sich zeigen ließe, dass die durch die bloße Gestalt zu modifizierende Materie gar nicht unmittelbar durch die Bewegung des Organs erschüttert werden könne, sondern für dieselbe fest und unwiderstehlich sei. Dieser Beweis liegt nicht eigentlich auf unse- rem Wege, ich will ihn aber gleich mit führen, um die Materien nicht zu sehe zu zerstreuen. -

Die Gestalt der Person außer mir muss für sie fortdauern, wenn sie sich selbst als die gleiche vorkommen soll, und sie muss es aus eben dem Grunde für mich. Nun setze man, dass wir in gegenseitiger Einwirkung auf ein- ander stünden durch die zu erschütternde subtile Materie (mit einander sprächen), so wird die Materie A sich unaufhörlich verändern, und ist sie das, worin unsere Gestalten abgedruckt werden, so werden auch diese sich unaufhörlich für uns verändern, welches der Voraussetzung, dass, nach unserer beider Vorstellung, dieselben Personen in Wechselwirkung stehen müssen, widerspricht. 

Mithin muss die Materie, in der unsere Gestalten abgedruckt sind, bei der beständigen Bewegung der Materie A unbeweglich und unerschütterlich, daher für unser Organ nicht modifikabel, mithin darin eine von A unterschie- dene = B sein. Luft, Licht. (Die Erscheinungen im Lichte sind nur mittelbar durch uns zu modifizieren, indem die Gestalt selbst modifiziert werden kann.)
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 76

 


Nota. - Immerhin will er den pp. Geist nicht unmittelbar als solchen "wirken" lassen, denn dann wäre die ganze Transzendentalphilosophie hinfällig. Das historische Argument steht ihm nicht zur Verfügung, und so ist das mindeste, was man von ihm erwarten darf, dass er ersatzweise eine andere, spekulative Erklärung versucht. Zur Übertragung von Bestimmungen durch symbolische Gestalten bedarf es eines Mediums, nämlich eines materiel- len (wenn auch subtilen und modifikablen).

Aber das Mysterium der Symbolisierung ist nicht das des Mediums, sondern der Übergang der Repräsentation des Gemeinten aus einem analogen Modus (Bild) in einen digitalen (Bedeutung). Und der ist bis heute ein Rät- sel, das wird er mit Verrenkungen nicht lösen können; aber er wird es versuchen, nehme ich an.
JE



Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog.

Montag, 29. April 2019

Wie kann etwas durch sein bloßes Dasein wirken?

 
c. Zuvörderst  der schwierigste Punkt: Wie kann überhaupt etwas durch sein bloßes Dasein im Raume, ohne alle Bewegung, wirken?

Die Einwirkung soll geschehen durch ein vernünftiges Wesen als solches; sie muss daher geschehen nicht durch unmittelbare Berührung und Hemmung seines niederen Organs, sondern auf sein höheres, demnach vermit- telst der subtileren Materie. Nun ist oben von dieser allerdings angenommen, dass sie ein Mittel der wechselsei- tigen Einwirkung vernünftiger Wesen auf einander sei - dadurch, dass sie durch eine Bewegung des höheren Organs selber modifiziert würde. 

Das aber soll der Fall hier nicht sein. Ein menschlicher Leib soll in seiner Ruhe, ohne alle Tätigkeit, eine Ein- wirkung hervorbringen: Die subtilere Materien muss daher in unserem Falle so gesetzt werden, dass sie durch die bloße ruhende Gestalt modifiziert werde, und zufolge der erhaltenen Modifikation den höheren Sinn eines möglichen anderen Wesens modifizieren. -

Der menschliche Leib wird bis jetzt bloß als Gestalt im Raume betrachtet, mithin muss das von ihm Erwiesene für alle Gestalt gelten und so gesetzt werden.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 75


 
Nota. - Das ist ja haarsträubend! Merkt er nicht, dass er sich über beide Ohren in das Reich metaphysischer Bleigießerei begeben hat? Dass es geschehen musste - nämlich seiner Bedeutung nach -, hat die Transzendental- philosophie als - nach ihren Voraussetzungen - notwendig nachzuweisen. Dass es geschehen ist, beweist das hi- storische Faktum der Vernunft. Wie es geschen konnte, haben die reellen Wissenschaften aufzuklären. Es liegt außerhalb der Transzendentalphilosophie.

Der Geisteswissenschaftler Dilthey spricht von "objektivem Geist", der Kulturphilosoph Ernst Cassirer spricht von "symbolischer Form", und beide gehen sie historisch und phänomenologisch an ihren Gegenstand. Sie waren als historische Realwissenschaftler, jeder auf seine Art, Kantianer, aber Transzendentalphilosoph war der eine so wenig wie der andere. Sie haben nach kritizistischen Prämissen am historischen Material gearbeitet, gottlob

Dafür, dass F. sich damit nicht bescheidet, gibt es keinen Grund; aber er hatte ein Motiv. Wenn er Vernunft nicht als von vorn bis hinten gemacht auffassen kann - wozu er ihre Generatio aequivoca in der bürgerlichen Ge- sellschaft, nämlich in der Ausbildung des Marktes hätte lokalisieren müssen -, sondern sie doch irgendwie für vorgegeben halten will und also nicht durch ein Tun, sondern ein Sein überliefert ansehen muss, dann... muss er aufs physische Material setzen. 

Es ist bemerkenswert, dass er an dem Punkt, wo er die Transzendentalphilosophie verlässt, zu einem dogma- tischen Materialisten wird. Immerhin nicht zum Spiritualisten - oder gerade doch auch?
JE

Sonntag, 28. April 2019

Das ausschließende Prädikat der Realität ist Wirksamkeit.


a. Wirken ohne zu wirken bedeutet ein bloßes Vermögen. Dieses bloße Vermögen ist nichts als ein idealer Begriff: und es wäre ein leerer Gedanke, einem solchen das ausschließende Prädikat der Realität, die Wirksamkeit, zuzu- schreiben, ohne anzunehmen, dass es reali-/siert sei. - 

Nun ist das gesamte Vermögen der Person in der Sinnenwelt allerdings realisiert in dem Begiff ihres Leibes, der da ist, so gewiss die Person ist, der da fortdauert, so gewiss sie fortdauert, der ein vollendetes Ganzes materiel- ler Teile ist, und demnach eine bestimmte ursprüngliche Gestalt hat, nach dem  obigen. Mein Leib müsste also wirken, tätig sein, ohne dass ich durch ihn wirke. 

b. Aber mein Leib ist mein Leib lediglich, inwiefern er durch meinen Willen in Bewegung gesetzt ist, außerdem ist er nur Masse; er ist als mein Leib tätig lediglich, inwiefern ich durch ihn tätig bin. Nun soll ich im gegenwär- tigen Falle noch gar nicht Ich, demnach auch nicht tätig sein, demnach ist auch mein Leib nicht tätig. Er müsste daher durch sein bloßes Dasein im Raume und durch seine Gestalt wirken, und zwar so wirken, dass jedes ver- nünftige Wesen verbunden wäre, mich für ein der Vernunft Fähiges anzuerkennen und nach dieser Voraussetzung zu behandeln.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 74f.



Nota. - Oha! Hier wird ein Bild - die Gestalt - selber zum Begriff, nämlich zum Begriff meines - all meines - Vermögens. Ein ganzer Zyklus des Bestimmens, in dem ein Anschauender ein Bild mit Qualitäten auszeichnet, wird übersprungen

Im Prozess verallgemeinerten Austauschs begegnet ein jeder Warenbesitzer einem jeden andern Warenbe- sitzer als Marktsubjekt: Das ist die historische Wirklichkeit des Vernunftsystems. Die bürgerliche Gesellschaft macht die Herrschaft von Vernunft und Recht wirklich, indem sie sie [?!] bedingt. So kann Fichte, wie gesagt, noch nicht argumentieren. Er muss die gegenseitige Anerkennung der Subjekte als freier ihrer äußeren physi- schen Beschaffenheit anheften.

Das ist heikel. Gehört zur Gestalt des Vernunftwesens helle Haut und glattes Haar? Fichte selbst hätte gewiss nein nein! gerufen, aber aus der Logik seiner Darstellung folgt das nicht. Große krumme Nasen könnte einer willkürlich ausschließen wollen, F. würde sie nicht widerlegen können. 

Da er die Gegebenheit eines Vernunftzustandes nicht historisch erklären - und das hieße hier: begründen - kann, muss er es überhistorisch, außerhistorisch, unhistorisch versuchen; naturalistisch, physiologisch. Zwar ist es logisch nicht notwendig, aber psychologisch liegt es nahe: Es macht ihn zusätzlich geneigt, die Vernunft für eine Gegebenheit vor der Zeit zu halten. 

Das Überstrapazieren der transzendentalen Deduktion ist keine formale Unachtsamkeit; sie erweist sich als sachlicher Fehler.
JE

Samstag, 27. April 2019

Wirken, ohne zu wirken.


Es tut sich eín neuer Einwurf hervor, und erst nach dessen Beantwortung ist der Leib eines vernünftigen / Wesens vollkommen bestimmt. Nämlich: Es ist behauptet worden: Ich komme gar nicht zum Selbstbewusst- sein und könnte nicht dazu kommen außer zufolge der Einwirkung eines vernünftigen Wesens außer mir auf mich. Wenn es nun gleich von mir abhängt, ob ich dieser Einwirkung mich hingeben wolle oder nicht; ferner, wenn gleich, ob ich überhaupt und wie ich zurückwirken wolle, von mir abhängt, so hängt doch die Möglichkeit dieser Äußerung meiner Freiheit ab von der geschehenen Einwirkung des anderen. 

Ich werde zu einem vernünftigen Wesen in der Wirklichkeit, nicht dem Vermögen nach, erst gemacht; wäre jene Handlung nicht geschehen, so wäre ich nie wirklich veernünftig geworden. Meine Vernünftigkeit hängt dem- nach ab von der Willkür, dem guten Willen eines Anderen, von dem Zufalle; und aller Vernünftigkeit hängt ab von dem Zufall. So kann es nicht sein: Denn dann bin ich als Person doch nicht selbstständig, sondern nur ein Akzidens eines dritten, und so ins Unendliche.

Dieser Widerspruch lässt sich nicht anders heben als durch die Voraussetzung, dass der andere schon in jener ursprünglichen Einwirkung genötiget, als vernünftiges Wesen genötiget, d. i. durch Konsequenz verbunden sei, mich als ein vernünftiges Wesen zu behandeln: und zwar, dass er durch mich dazu genötiget sei; also dass er schon in jener ersten ursprünglichen Einwirkung, in welcher ich von ihm abhange [sic], zugleich von mir ab- hängig sei. Aber vor vor jener Einwirkung auf mich bin ich gar nicht Ich; ich habe mich nicht gesetzt, denn das Setzen meiner selbst ist ja durch diese Einwirkung bedingt, nur durch sie möglich. Doch soll ich wirken. Ich soll sonach wirken, ohne zu wirken; wirken ohne Tätigkeit. 
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 73f.



Nota. - Nicht die bürgerliche Gesellschaft wird gebildet, indem schon vernünftige Wesen einander begegnen und auf einander wirken; sondern indem pp. Wesen auf einander wirken und zur Gesellschaft bilden, werden sie vernünftig. Denn die gegenseitige Einwirkung geschieht in der Verfolgung je eigener Zwecke. Vernunft ist die Vergesellschaftung von Zwecken: Es entstehen gemeinsame Zwecke. Das setzt voraus, macht erforderlich ein Vorstellen von Zwecken. Es reicht nicht, Zwecke zu haben, sondern um sie verhandeln zu können, muss man wissen, dass man sie hat.

So kann F. nicht argumentieren, denn es setzt voraus die Begriffe Arbeit, Arbeitsteilung, Tausch und... bürger- liche Gesellschaft. Über all diese verfügt er nicht. Wir müssen uns daher auf eine weitere Verrenkung gefasst machen.
JE


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Freitag, 26. April 2019

Kritischer Einwurf.

 
Fichte war in seiner Darstellung an den Punkt gelangt, wo die Reihe vernünftiger Wesen nicht mehr als transzendentale Bedingung, sondern als historische Gegebenheit auftrat; und mit ihr notwendiger Weise die intelligible Welt.

Man sollte meinen, damit sei der zweite Gang der Wissenschaftslehre - nach dem analytischen Auffindung des Grundes die genetische Rekonstruktion des Systems der Vernunft - in der Sache abgeschlossen. Damit ist die Arbeit der Transzendentalphilosophie ihrem Umfang nach besorgt. Folgen kann nun nur noch reelle Wissen- schaft. 

Die intelligible Welt ist notabene ein System in processu. Als ein Reales befindet sie sich in einem Fortschritt un- endlicher Bestimmung - und bleibt eo ipso Gegenstand philosophischer Kritik; auf jedem Punkt ihrer je gege- benen Bestimmtheit. Sie ist sachliche Voraussetzung der Kritik, jene hat bei ihr anzufangen, so wie sie eben ge- worden ist. Das gilt für alle Bereiche des reellen Wissens, seien seine Gegenstände sinnlicher oder intelligibler Natur.

Das gilt auch für das positiv geltende Recht und dessen spekulative Begründungen.



Reihe intelligible Wesen - Sprachgemeinschaft - 'Sprachspiel':

Es ist den wirklichen vernünftigen Wesen gegeben; sie lernen es, wie es ist. So wie es ist, besteht es aus mehr oder minder bestimmten Begriffen: Ihre Bedeutung ist ihre 'Verwendung im Sprachspiel'. Sie bedeuten das, wozu sie durch ihre Stellung im System aller andern Begriffe bestimmt sind. Die Begriffe können gelernt werden, ohne vorgestellt zu werden - ohne dass ihre notwendige Genesis aus tätigem Vorstellen bedacht wird. Auf nichts anderm beruht die unentwegte Wiedergeburt der Dogatismen, Formularphilosophien, und die Kritik wird immer genug zu tun haben. 



Donnerstag, 25. April 2019

Der Erfahrungsbegriff des einen und die der Andern.



Ich schreibe mit zu ein niederes und höheres Organ, die in dem beschriebenen Verhältnisse zueinander stehen; ich nehme demzufolge an in der Sinnenwelt außer mir eine gröbere und subtilere Materie, in dem beschriebe- nen Verhältnisse zu meinen Organen. Ein solches Setzen ist notwendige Bedingung des Selbstbewusstseins und liegt daher im Begriffe der Person. Setze ich daher ein Wesen außer mir als Person, so muss ich von ihm notwen- dig annehmen, dass es das Gleiche setze, oder, was hier dasselbe ist, ich muss ihm den reellen Besitz und Ge- brauch zwei solcher unterschiedlichen Organe zuschreiben, ich muss die reelle Existenz einer so bestimmten Sinnenwelt für ihn annehmen.

Auch dieses Übertragen meines notwendigen Denkens auf eine Person außer mir liegt im Begriffe der Person. Ich muss demnach der Person außer mir zuschreiben, dass, falls sie mich als Person setze, sie dasselbe von mir annehme. Die Begriffe von der bestimmten Artikulation vernünftiger Wesen und von der Sinnenwelt außer mir sind notwendig gemeinschaftliche Begriffe; Begriffe, worüber die vernünftigen Wesen notwendig, ohne alle vorhergegangene Verabredung, übereinstimmen, weil bei jedem in seiner Persönlichkeit die gleiche Art der Anschauung begründet ist, und sie müssen als solche gedacht werden. Jeder kann von dem anderen mit Grun- de [sic] voraussetzen, ihm anzumuten und sich darauf zu berufen, dass er die gleichen Begriffe über die Gegen- stände habe, so gewiss er ein vernünftiges Wesen sei.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 73



Nota. - Also darauf soll es hinaus: dass jede Person gewisse Begriffe fassen müsse, die eine jede andere Person notwendig ebenfalls fassen muss.

Denn bislang war ja nur davon gehandelt worden, auf welchen Wegen ein Ich seine Anschauungen zu Begriffen für sich selber ausbilde. Dass es sich dabei schließlich materialiter um denselben Begriff handele, den sich auch ein anderes Ich gebildet habe, wäre bloßer Zufall.

Oben hatten wir den Fall, das - wenn auch mittelbar und umständlich - aus dem bloßen Faktum einer Reihe vernünftiger Wesen die Notwendigkeit abgeleitet wurde, dass ein jedes dieser Wesen notwendig zu demselben Rechts begriff gelangen müsse - weil der Rechtsbegriff im Begriff der Vernunft sachlich enthalten sei. 


Ginge es darum, lediglich den Rechtsbegriff selbst weiter fort zu bestimmen, reichte dessen Gültigkeitsradius wohl hin. Davon ist nun aber nicht mehr die Rede, sondern von sinnlichen, von Erfahrungs-Begriffen. Die mu- ten wir uns gegenseitig an, weil wir erstens) alle auf dieselbe physische Weise organisiert sind und es zweitens) alle voneinander wissen.

Das würde bedeuten, dass in Zivilisationen, deren Bildungsstandard nicht wenigstens westlichem Grundschul- wissen entspricht, gemeinschaftliches Erfahrungswissen nicht zustande kommen kann. Doch das ist offenbar nicht der Fall, sondern es ist andersrum: Weil Erfahrungswissen möglich ist, ist ein welweites Grundschul- und auch Hochschulniveau möglich geworden. Möglich ist Erfahrungswissen durch fortschreitend vergesellschafte- te Arbeit. Entstanden ist ein System von Begriffen; eine ganze intelligible Welt.

Bis zu dem Punkt konnte Fichte an dieser Stelle nicht kommen. Zwar hat er wohl Adam Smith gekannt, aber erst nach 1800. Noch waren ihm bürgerliche Gesellschaft und Politik noch nicht als eigne Wissensfelder be- wusst geworden; noch meinte er, auf dem engen Pfad der Rechtsphilosophie ihre Probleme mitbehandeln zu können - notfalls mit einem spekulativen Abstecher ins Reich der Neurophysiologie.
JE



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Mittwoch, 24. April 2019

Das Bedingte ist Bedingung seiner Bedingtheit.*


V. Als Bedingung des Sebstbewusstseins ist eine Wirkung von außen, zufolge derselben eine gewisse Beschaf- fenheit des Leibes und zufolge dieser eine gewisse Einrichtung der Sinnenwelt gesetzt worden. Daher zuvör- derst: Soll Bewusstsein möglich sein, so muss die Sinnenwelt so beschaffen sein, [und] in diesem Verhältnisse zu unserem Leibe stehen, und weiter gibt es natürlich in der Sinnenewelt nichts als das, was im Verhältnisse zu unserem Leibe steht. Es ist für uns nur das, was Resultat dieses Verhältnisses ist.

Man vergesse nicht, dass diese Folgerung nur transzendental zu verstehen ist. Es ist so, heißt, wir müssen es so setzen: und weil wir es so setzen müssen, darum ist es so. Das Vorhandensein des Leibes wurde geschlossen aus der Selbstständigkeit und der Freiheit. Aber diese ist nur, inwiefern sie gesetzt wird: mithin auch, da das Begründete nicht weiter gehen kann als der Grund, der Leib nur gesetzt wird für den, durch den er gesetzt wird.

Die weitere Bestimmung des Leibes und, vermittelst seiner, der Sinnenwelt, ist geschlossen aus der notwendi- gen Gemeinschft freier Wesen, welche abermals Bedingung der Möglichkeit des Selbstbewusstseins ist, und so an unserem / ersten Punkte hängt. Weil in der Welt freie Wesen als solche in Gemeinschaft sein sollen, darum muss die Welt so eingerichtet sein. Nun aber ist die Welt freier Wesen lediglich, inwiefern sie dieselbe setzen: keinesweges mit Freiheit, sondern mit absoluter Notwendigkeit: und ein auf diese Weise Gesetztes hat für uns Realität.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 72f.


Nota. - Die Wissenschaftslehre soll sein ein sich selbst begründendes System; nicht ein System der Welt, wie sie 'wirklich ist', sondern das System unserer Vorstellung von der Welt. Nicht ein faktisch-ursächliches, sondern ein logisch-bedeutendes System. Doch stehen sie nicht belangslos neben einander, sondern das eine bedeutet das an- dere; so rum und nicht andersrum. 
JE


*) Bedenke: Paradoxa bestehen immer in der Vermengung zweier semantischer Ebenen im selben Satz; oder doch nicht im- mer?


Dienstag, 23. April 2019

[Leib als Sinn und als Werkzeug.]

Luigi Galvanis Experiment (aus 1792)

Oder - es wird in dem höheren Organ durch den bloßen Willen der Person eine Modifikation hervorgebracht, begleitet von dem Willen, dass das niedere Organ dadurch zweckmäßig bewegt werden solle: so erfolgt, wenn dasselbe nicht gehemmt ist, die beabsichigte Bewegung desselben, und aus ihr die beabsichtigte Modifikation der subtileren oder gröberen Materie, je nachdem der Zweck ist, den sie sich vorgesetzt hat. So wird z. B. im Auge als tätigem Organ die Gestalt oder der Buchstabe gebildet und auf die Fläche hingeworfen, ehe die lang- same, durch das Auge geleitete und unter seinem Gebot stehende Hand des Malers oder Schreibers sie darauf befestigt. - In diesem Falle dient der Leib als Werkzeug. 

Es erfolgt die beabsichtigte Bewegung des niederen Organes nicht - die des höheren erfolgt immer, solange der Mensch lebendig ist - : so ist dasselbe gehemmt, es wird ein / Widerstand gefühlt, und der Leib dient dann als Sinn, aber als niederer Sinn.

Wenn ein vernünftiges Wesen auf ein anderes einwirkt als auf bloße Materie, so wird der niedere Sinn desselben zwar auch, und zwar notwendig und völlig unabhängig von der Freiheit desselben, affiziert, wie es mit diesem Sinne stets bewandt ist; aber es ist nicht anzunehmen, dass diese Affektion die Absicht des Wirkenden war. Er wollte nur schlechthin einen Zweck in der Materie erreichen, seinen Begriff in ihr ausdrücken; ob sie ein Ge- fühl davon haben werde oder nicht, darauf ist in seinem Zweckbegriff gar nicht Rücksicht genommen. Die Wechselwirkung vernünftiger Wesen als solcher geschieht sonach stets vermittelst des höheren Sinnes; denn nur in dieser ist ein solcher, auf welchen man nicht wirken kann, ohne ihn vorauszusetzen: und so bleibt das obige Kriterium dieser Wechselwirkung richtig: es ist eine solche, in welcher der Sinn des Objekts der Wirkung vor- ausgesetzt wird.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 71f.
  



Nota. - Es wird mir sauer genug, diese Auseinandersetzungen abzutippen. Kommentieren werde ich sie nicht, bevor ich weiß, zu welchem Zweck er sie angestellt hat.
JE  


 

Montag, 15. April 2019

Nachahmung, blitzschnell und unmerklich.


Um möglichen Verwechselungen zuvorzukommen, setzen wir noch einige Worte hinzu. - Es ist gesetzt ein Doppeltes, ein höheres, ein niederes Organ. Das höhere ist dasjenige, welches durch die subtilere Materie modifiziert wird; das niedere dasjenige, welches durch die zähe und nur mit Mühe zu trennende Materie ge- hemmt werden kann.

Entweder, es wird beschriebenermaßen auf die Person gewirkt als auf ein freies Wesen. Dann ist durch eine bestimmte Form der subtileren Materie das höhere Organ modifiziert und gehalten; und soll die Person wahrnehmen, so muss sie die Bewegung des niederen Organs, inwiefern es sich auf diesen Teil des höheren bezieht, zurückhalten, doch aber nur innerlich in demselben die bestimmte Bewegung nachahmen, die sie machen müsste, um selbst die bestimmte Modifikation des höheren Organs hervorzubringen. 

Wird eine Gestalt im Raume durch das Gesicht wahrgenommen, so wird innerlich, aber blitzschnell und unmerklich dem / gemeinen Beobachter, das Gefühl des Gegenstandes, d. h. der Druck, welcher geschehen müsste, um durch Plastik diese Gestalt hervorzubringen, nachgeahmt, aber der Eindruck im Auge wird als Schema dieser Nachahmung festgehalten. Daher auch ungezogene, d. h. noch nicht genug erzogene Leute, bei denen die Verrichtungen der Menschheit noch nicht zu Fertigkeiten geworden sind, einen erhabenen Körper, den sie recht besehen wollen, oder wohl gar die Fläche eines Gemäldes, eines Kupferstichs, des Buchs, das sie lesen, zugleich bestasten. -

Wer hört, der kann unmöglich zugleich sprechen, denn er muss durch das Sprechorgan die äußeren Töne mittels ihrer Konstruktion nachahmen; woher es denn auch kömmt, dass einige Leute öfters fragen, was nun gesagt, da sie es sonach wohl gehört, aber nicht vernommen haben; auch wohl bisweilen erst, wenn es ihnen zum zweiten Male gesagt wird, es wirklich wissen, weil sie nun genötigt sind, hinterher die Nachbildung der Töne vorzunehmen, die sie vorher nicht vernommen hatten. Andere pflegen wohl auch die an sie ergangene Rede laut zu wiederholen, und reden sie erst so in sich hinein. - 

In diesem Falle dienet der Leib als Sinn, und zwar als höherer Sinn.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 70f.



Nota. - Das Wahrnehmen eines äußerlich gegebenen Dinges geschähe blitzschnell und unmerklich durch innere Nachahmung der Bewegungen, die nötig wären, es selber herzustellen; das Verstehen eines gesprochenen Wor- tes geschähe durch innerliches Nachsprechen - das ist nicht komisch, das ist lächerlich: weil er es ohne einen Grund und an dieser Stelle ohne jede Not von sich gibt. Er hat den Boden der transzendentalen Deduktion verlassen und will doch auf empirischem Feld Pflöcke einschlagen. 

Wie Wahrnehmung empirisch geschieht, wie ein analoges Bild in eine digitale Bedeutung übersetzt wird, muss die Erfahrungswissenschaft herausfinden; der Philosophie hat es zu reichen, dass sie die Notwendigkeit dieser Übersetzung aufzeigt und 'die Stelle' angibt, wann und wo das geschehen muss. Sie findet heraus, 'was es ist' in dem Sinne, was es zu bedeuten hat.

Das müsste reichen. Wenn es ihm nicht reicht, hat er etwas vor, das dem Philohophen nicht zusteht.
JE

Sonntag, 14. April 2019

Transzendentale Deduktion des Nervensystems.



Die Modifikation des Organs für die Einwirkung durch Freiheit soll auf das für die Einwirkung durch Zwang gar keinen Einfluss haben, soll dasselbe ganz und völlig frei lassen. Demnach muss die feinere Materie nur auf das erstere Organ, auf das letztere [aber] gar nicht einfließen, dasselbe nicht hemmen und binden können: Es muss daher sein eine solche Materie, deren Bestandteile gar keinen dem niederen , d. h. gezwungenen Sinne bemerkbaren Zusammenhang haben. 

Ich eigne in dem beschriebenem Zustande mir das Vermögen zu, auf diese subtilere Materie zurückzuwirken durch den bloßen Willen, vermittelst einer Affektien des höhere Organs durch das niedere; denn es ist aus- drücklich gesagt worden, dass ich eine solche Bewegung des niederen Organs zurückhalten müsse, um die im höheren hervorgebrachte Bestimmung nicht zu zerstören: mithin auch der unmittelbar damit in Verbindung sehenden subtileren Materie eine ander Bestimmung zu geben. Die subtilere Materie ist also für mich modifikabel durch den bloßen Willen.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 70
 



Nota. - Verwirrend bleibt, dass er das jeweilige - höhere und niedere - Organ nochmal unterscheidet von seiner je gröberen oder feineren Materie. Es ist die Unterscheidung zwischen der jeweiligen organischen Zusammen- setzung und der Funktion des Organs im Lebensprozess.

Ja, er hat die Existenz eines 'höheren' Nervensystems in einem 'niederen' fleischlichen Leib transzendental de- duziert. Da eine Funktion in der Erfahrung gegeben ist, darf auf die Gegebenheit eines dafür erforderlichen Organs rückgeschlossen werden. Und gibt es zwei Funktionen, dann gibt es zwei Organe.

Wie die Umsetzung geistiger Willensakte in muskuläre Bewegung im Einzelnen vor sich geht, ist nicht Thema der Philosophie, sondern der empirischen Forschung, und bildet die unüberwindliche Scheidelinie zwischen beiden. F. hatte sich an der Stelle - und würde sich noch heute - zurückhalten müssen, denn die Wissenschaft seiner Zeit war noch ganz in Spekulationen verstrickt, vorangetrieben und zugleich kompromittiert durch den "Geisterseher" Emanuel Swedenborg.

*

Auch ohne dies bleibt die Frage, welchem Erkenntniszweck diese Erörterungen dienen. Der Rechtsbegriff ist aufgestellt und seine Implikation im Begriff der Vernunft nachgewiesen. Seine ferneren Bestimmungen wären Sache der Politik, deren Begriff ihrerseits erst unter den Bedingungen der bürgerlichen Gesellschaft umfassend bestimmt werden konnte. Von dieser Voraussetzung konnte F. aber nicht wohl ausgehen. Will er dem fakti- schen Mangel theoretisch abhelfen durch Strecken des philosophischen Radius?


Berichtigung

Ich hab ihn falsch verstanden. Ich war so früh von der Idee eingenommen, er wolle zu der zeitgenössichen Spekulation über tierischen Galvanismus beitragen - Johann Wilhelm Ritter war eben in Jena eingetroffen -, dass mich seine weiteren Ausführungen nicht wieder davon abbringen konnten. Ersteres ist allein mein Fehler, aber zu letzterem hat er sein' Teil beigetragen. Seine Rede ist so vertrackt und abstrakt, dass man wirklich nicht weiß, was man sich unter den verwendeten Begriffen vorstellen soll. Dass er mit der 'subtileren und feineren Ma- terie' nur das Nervesystem meinen konnte, schien mir so nahliegend, dass ich die Andeutungen auf "Luft und Licht" übersehen habe - in der Annahme, er räsonniere noch im Leib, statt zwischen zwei Leibern.

Dass er 'Luft und Licht apriori deduziert' hätte, hat damals manche Feder zum Kratzen gebracht; Luft und Licht lägen doch im Reich des Erfahrung und seien folglich aposteriori! (Selbst Kant hat auf den letzten Seiten des Opus postumum - kurz bevor er für ihn den Titel Philosophie als Wissenschaftslehre in einem vollständigen System auf- gestellt in Erwägung zog - sich über das Sujet den Kopf zerbrochen.) Fichte ist spottend darauf eingegangen* und fragt: Kann denn etwas apriori sein, ohne zuvor aposteriori gewesen zu sein? Im System der Wissenschafts- lehre natürlich nicht. Aber was dort spottend vorgetragen wurde, war hier im Naturrecht ganz bierernst gemeint; nicht als ein philosophischer Witz, wie er ja nach Fichtes Geschmack gewesen wäre. 

Ernst ist das wirklich, denn der Aufschrei der Kritiker war weniger falsch, als F. meinte. Zwar sind Apriori und Aposteriori nicht zwei verschiedene Weltgegenden und was in der einen läge, könnte nicht in der andern liegen. Aber Fichte befindet sich an dieser Stelle bereits in einem Bereich, wo Erfahrung möglich ist, zu transzendentalen Reflexionen ist gar kein Anlass. Warum also tut er so, als ob er selber 'Licht und Luft' - auf jeden Fall ein Medium  - ins Spiel bringen musste? Nicht die 'subtilere und feinere Materie' war da, bevor er sie als Licht und Luft iden- tifizieren konnte, sondern Licht und Luft waren da, bevor er daraus einen Begriff von subtilerer und feinerer Materie abstrahieren konnte; aber mitnichten musste. Wenn er nicht absichtlich die Grenze zwischen Transzen- dentalphilosophie und realer Wissenschaft verwischen wollte, so hat er sie zum Mindesten hier aus dem Auge verloren. 
 *) Annalen des philosophischen Tons, SW II, S. 472ff.) 
JE




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Freitag, 12. April 2019

[Nicht zäh und haltbar, sondern feiner und subtiler.]


IV. In der beschriebenen Einwirkung ist das Organ des Subjekts wirklich modifiziert worden - durch eine Per- son außer ihm. Nun ist das weder geschehen durch unmittelbare körperlich Berührnung dieser Person, noch vemittelst haltbarer Materie; denn dannn ließe sich nicht auf dei Einwirkung einere Person schließen, und auch das Subjekt selbst nähme sich nicht wahr als frei. - Das Organ ist in jedem Falle etwas Materielles, da der ganze Leib es ist: Es ist sonach notwendig durch eine Materie außer ihm modifiziert, in  eine gewisse Form gebracht und in derselben erhalten.

Der bloße Wille der Person würde diese Form aufheben und es muss diesen Willen zurückhalten, damit sie nicht gestört werde. Die Materie, durchg welche diese Form hervorgebracht ist, ist demnach keine zähe und haltbare und [eine,] deren Teile nicht durch den bloßen Willen getrennt werden können, sondern ein feinere und subtilere. Eine / solche subtilere Materie muss als Bedingung der geforderten Einwirkung in der Sinnenwelt notwendig gesetzt werden.

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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 69f.
 



Nota. - Werd ich mich lächerlich machen und herauslesen, er deduziere auf seine transzendentale Art die Existenz eines peripheren Nervensystems und der elekrochemischen Ströme, die es durchfließen? 

Ja, ich riskier's! Es würfe, wenns sich auch komisch ausnähme, ein neues Licht auf die transzendentale Betrachtungsweise. Aber es ist auch wahr: Wenn er schon deduziert, dann muss er den Übertritt aus der intelligiblen in die sinnliche Welt zwar nicht 'erklären', aber immerhin lokalisieren. Dass er dort auf die Schranken der biomedizinischen Kenntnis seiner Zeit stößt, ist unvermeidlich, und ohne spekulative Haarspaltereien kann's nicht abgehen. Mit letzteren ist er ja schon eine ganze Weile beschäftigt.
JE



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Donnerstag, 11. April 2019

[Einer sich als den andern.]

J.W.W. Tischbein, 1782

Besteht mein Leib aus zäher haltbarer Materie und hat er sie Kraft, alle Materie in der Sinnenwelt zu modifi- zieren / und sie nach meinen Begriffen zu bilden, so besteht der Leib der Person außer mir aus derselben Materie, und sie hat dielbe Kraft. Nun ist mein Leib selbst Materie, also ein möglicher Gegenstand der Ein- wirkung des andern durch bloße physische Kraft; ein möglicher Gegenstand, dessen freie Bewegung er gera- dezu hemmen kann. 

Hätte er mich für bloße Materie gehalten und er hätte auf mich einwirken wollen, so würde er so auf mich eingewirkt haben, gleicher Weise wie ich auf alles, was ich für bloße Materie halte, einwirke. Er hat nicht so gewirkt, mithin nicht den Begriff der bloßen Materie von mir gehabt, sondern den eines vernünftigen Wesens, und durch diesen sein Vermögen beschränkt. Und erst jetzt ist der Schluss vollkommen berechtigt und notwen- dig: Die Ursache der oben beschriebenen Einwirkung auf mich ist keine andere als ein vernünftiges Wesen.

Es ist hiermit das Kriterium der Wechselwirkung vernünftiger Wesen als solcher augestellt. Sie wirken notwendig unter der Voraussetzung auf einander, dass der Gegenstand ihrer Einwirkung einen Sinn habe; nicht wie auf bloße Sa- chen, um einander durch physische Kraft für ihre Zwecke zu modifizieren.
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Grundlage des Naturrechts nach Prinzipien der Wissenschaftslehre,
SW Bd. III, S. 68f.
 



Nota. - Mal sehen, wie er uns den Sinn erläutern wird. -

Dass der Leib aus zäher haltbarer Materie besteht, wussten wir - aber bloß aus Erfahrung; aus den Vorausset- zungen abgeleitet war es noch nicht, das musste der Transzendentalphilosoph noch erledigen. (Nie vergessen: Die Transzendentalphilosophie kehrt die Betrachtungsweise um; nicht aus Ursachen konstruiert sie Wirkungen, sondern aus Folgen erschließt sie Bedingungen. Da aber auch sie diskursiv verfahren muss, sieht es aus wie eine verkehrte Kausalität.)

Überflüssig ist es auch sachlich nicht, denn der Begriff des Leibes muss bestimmt werden - artikuliert; zähe, halt- bare Materie -, um aus ihm sachlich fortbestimmen zu können; und zwar in diesem Fall negativ: Der eine ist so wenig bloße Materie wie der andere und können einander als solche nicht behandeln, weil sie sich selbst nicht als solche behandeln können.

Nun ja, auch das hatten wir in der Abstraktion bereits; aber eben nur im Begriff. Dabei darf F. es nicht belas- sen, weil er uns zu Folgerungen für die Sinnenwelt führen will. Und es sieht so aus, als kämen wir auf diese Weise auch der ausgefallenen Idee von den 'zwei Organen' näher.
JE