Es schwebt.

Carl Spitzweg, Drachensteigen

Die Einbildungskraft setzt überhaupt keine feste Grenze; denn sie hat selbst keinen festen Standpunkt; nur die Vernunft setzt etwas Festes, dadurch, daß sie erst selbst die Einbildungskraft fixiert. Die Einbildungskraft ist ein Vermögen, das zwischen Bestimmung und Nicht-Bestimmung, zwischen Endlichem und Unendlichem in der Mitte schwebt. ... Jenes Schweben eben bezeichnet die Einbildungskraft durch ihr Produkt: sie bringt dasselbe gleichsam während ihres Schwebens, und durch dieses Schweben hervor. ... 

Im praktischen Felde geht die Einbildungskraft fort ins Unendliche, bis zu der schlechthin unbestimmbaren Idee der höchsten Einheit, die nur nach der vollendeten Unendlichkeit möglich wäre, welche selbst unmöglich ist. ... 

Ohne Unendlichkeit des Ich - ohne eine absolutes, in das Unbegrenzte und Unbegrenzbare hinausgehende Pro- duktions-Vermögen desselben ist auch nicht einmal die Möglichkeit der Vorstellung zu erklären. Aus dem Postu- late, daß eine Vorstellung sein solle, welches enthalten ist in dem Satze: das Ich setzt sich, als bestimmt durch das Nicht-Ich, ist nunmehr dieses absolute Produktionsvermögen synthetisch abgeleitet und erwiesen.
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Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW I, S. 217f.


Nota. - Dem Ich wird zugerechnet ein absolutes in das Unbegrenzte und Unbegrenzbare hinausgehende Pro- duktionsvermögen, später als absolutes Wollen bezeichnet, welches es selber zu einem unendlich Bestimmbaren be- stimmt. Sein Bestimmen, welches sein Gegenstand auch sei, ist in jedem Fall ein sich-selbst-Einschränken, ein vorübergehendes zwar, aber doch das, woraus ihm alle Realität entsteht. Das Einbilden geht fort ins Unendliche heißt: Es geht auf ein Absolutes, das sich Schritt für Schritt als unbestimmbar erweist, was schließlich die einzig mögliche Bestimmung an ihm ist und eben seine Absolutheit ausmacht. Das Eine ist so absolut wie Jenes, weil es ebenso unendlich bestimmbar ist. Eigentlich wären sie dasselbe, wäre nicht auch das mich-als-jenes-Setzen un- endlich; und nur, weil es immer erneut scheitert, gibt es die Welt.

Sie verstehen mich recht: In Wahrheit ist die Welt ohne mich da. Aber ohne mich gäbe es keine Vorstellung von ihr. Doch vorstellen muss ich sie, weil ich einmal in ihr bin, und anders wird es mir nicht möglich.
JE





Wo war das Ich, bevor es sich gesetzt hat?
  

Was es auch sein möge, das den letzten Grund einer Vorstellung enthält, so ist wenigstens so viel klar, dass es nicht selbst eine Vorstellung sei und dass eine Umwandlung damit vorgehen müsste, ehe es fähig ist, in unserm Bewusstsein als Stoff einer Vorstellung angetroffen zu werden. / Das Vermögen dieser Umwandlung ist die Ein- bildungskraft. – Sie ist Bildnerin. Ich rede nicht von ihr, insofern sie ehemals gehabte Vorstellungen wieder her- vorruft, verbindet, ordnet, sondern indem sie überhaupt etwas erst zu einer Vorstellung macht. – Sie ist insofern Schöpferin des eigenen Bewusstseins. Ihrer, in dieser Funk//tion , ist man sich nicht bewusst, gerade weil vor dieser Funktion vorher gar kein Bewusstsein ist. Die schaffende Einbildungskraft. Sie ist Geist. 

Resultat. Dieses Bild müssen wir selbst bilden. 

Nun muss im Ich das legen, was sie bildet. 

(Wo ist der eigentliche philosophische Beweis dafür, dass die Einbildungskraft etwas im Ich zum Gegenstande haben müsse? - - Sie ist tätig - aber nicht auf das Ich, sondern auf ein Nicht-Ich. - Das Ich ist schon, wenigstens virtualiter, hevorgebracht, denn sowie sie ihr Produkt vorhält, hält sie es dem Ich vor. Das Ich wird aber nur durch Unterscheidung von einem Nicht-Ich hervorgebracht. Mithin muss ein solches zu Unterscheidendes vorhanden sein: und zwar im Ich vorhanden sein. -

Wie und warum im Ich? - Es kann nur durch ein Vermögen des Ich vom Ich unterschieden werden; mithin muss es Gegenstand dieses unterscheidenden Vermögens sein - also schon in diesem Vermögen liegen. - Eine Qualität, eine prädikative, des Ich. 

Die (schaffende) Einbildungskraft selbst ist Vermögen des Ich. (Könnte sie nicht das einzige Grundvermögen des Ich sein? - Nein, darum nicht, weil das Produkt derselben vom Ich unterschieden wird: also auch nach ihrer Funktion noch ein Ich da ist.) Also es muss einen höhern Grund ihres Schaffens im Ich geben. - (Heißt im Grund das gleiche als: Es muss nocht etwas übrig bleiben, was Substrat des Ich ist, auf welches das Produkt der Einbil- dungskraft bezogen wird, und das ist offenbar das Fühlende, und im Gefühl liegt mithin der Urstoff des [sic], was die Einbildungskraft bildet. __________________________________________________________________________________ 
Von den Pflichten der Gelehrten, Hamburg 1971 [Meiner], S. 126f.; desgl. in Gesamtausgabe II/3, S. 297f.  

 
Nota. - Geist ist toto genere Einbildungskraft. Aber das Ich ist nicht Geist (vom empirischen Individuum ganz zu schweigen). Wenn die Einbildungskraft nicht etwas vorfindet, das sie dem Ich ein/bilden kann, ist sie arbeitslos. Nicht das, was sie vorfindet, bildet die Einbildungskraft, sondern das, was sie vorgefunden hat: das, was es ist, was es bedeutet

Vorgefunden hat sie das krude Sinnesdatum: Gefühl. Das ist der Stoff, an dem die Einbildungskraft arbeitet. Er ist, auch ohne Einbildungskraft; er ist lediglich nicht dieses oder jenes.

*

So apodiktisch wie an dieser Stelle hat es Fichte meines Wissens nie wieder ausgesprochen. Natürlich: Denn es ist ein Ergebnis des Systems, das er doch erst noch auszuarbeiten hatte. Und wenn er es auch je fertig ausgearbeitet hätte: Eine "feste Terminologie" ist der Wissenschaftslehre fremd, weil sie nicht erlernt, sondern nur selbstgedacht werden kann. Für didaktische Zusammenfassungen dieser Art gäbe es nach Vollendung der Wissenschaftslehre keinerlei Berechtigung.
 
Die Stelle kommt in dem öffentliche Vortrag vor, den Fichte im April 1794 noch vor Aufnahme seiner regulären Vorlesungen in Jena gehalten und sogleich in den Druck gegeben hatte. Zweck dieser öffentlichen Vorträge war, die allgemeine Idee einer Wissenschaftslehre eine weiteren, nicht spezifisch akademischen Publikum nahezubrin- gen. Es ist eine populäre Einführung. Er musste den Ergebnissen seiner Untersuchung vorgreifen, wobei die eine oder andere gewagte Formulierung kaum zu vermeiden ist. Es ist ein didaktischer Vortrag, der den Gehalt der Wissenschaftslehre wie einen lernbaren positiven  Stoff vorträgt und also, nach Geist und Verfahren, durchaus in einem Widerspruch zu ihr steht.

Dass er die obige Stelle in dieser Form in den ausgearbeiteten Darstellungen der Wissenschaftslehre nicht wieder aufgegriffen hat, hat also philosophischen Sinn. Doch steht sie ganz am Anfang seiner Lehrtätigkeit, und die historisch-philologische Frage, wie Fichte sich die Wissenschaftslehre zu Anbeginn vorgestellt hat, rechtfertigt es, die Stelle dem wissenschaftlichen Vortrag voran zu stellen.

*

Die pointierte Voranstellung der Einbildungskraft ist das zunächst Bemerkenswerte. Fast möchte man schluss- folgern, die Einbildungskraft sei das eine und ganze Vermögen des Ich! Doch nein, die Hervorbringungen der Einbildungskraft müssen vom Ich doch immerhin so weit unterscheidbar sein, dass das Ich sich als eine "prädi- kative Qualität" über sie stellen und sie beurteilen kann. In den Ausführungen der Wissenschaftslehre wird sie uns als absolutes Wollen wieder begegnen. Der harte Kern des transzendentalen Ich ist seine Fähigkeit zum Urteil. Und sie ist nicht bloßer Geist! Als Urteilskraft = Wollen sind Geist und Sinnlichkeit noch ungeteilt.

Wir verstehen den tieferen Sinn von Fichtes Bezeichnung der Wissenschaftlehre als 'echten druchgeführten Kriti- zismus'.
JE







Schweben und übergehen.

 
Die Einbildungskraft setzt überhaupt keine feste Grenze; denn sie hat selbst keinen festen Standpunkt; nur die Vernunft setzt etwas Festes, dadurch, daß sie erst selbst die Einbildungskraft fixiert. Die Einbildungskraft ist ein Vermögen, das zwischen Bestimmung und Nicht-Bestimmung, zwischen Endlichem und Unendlichem in der Mitte schwebt. ... Jenes Schweben eben bezeichnet die Einbildungskraft durch ihr Produkt: sie bringt dasselbe gleichsam während ihres Schwebens, und durch dieses Schweben hervor.
Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW I, S. 217

Man werde ferner finden, wird behauptet, dass man sich im Entwerfen des Begriffs vom Ich nicht tätig setzen könne, ohne diese Tätigkeit als eine durch sich selbst bestimmte, und diese nicht ohne ein Übergehen von der Unbestimmtheit oder Bestimmbarkeit zu setzen, welches Übergehen eben die bemerkte Tätigkeit ist.
Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 43


Die Wissenschaftslehre inventarisiert nicht - man kann es nicht oft genug wiederholen - das fertige Reich der Vernunft mit all seinen Begriffen und erwiesenen Schlussregeln, um sie einer nachträglichen Kritik zu unterzie- hen; sondern will erhellen, wie es zu Stande gekommen ist. Zu Stande gekommen ist es aus dem aktiven Vorstellen, welches eine Agilität ist, die sich als Einbildungs- und Urteilkraft zugleich erweist. Den einbildenden Teil nennt Fichte die reale, den urteilenden Teil die ideale Tätigkeit. Die charakteristische Bewegungweise der einen ist das Übergehen, die charakteristische Bewegungsweise der andern ist das Schweben.

Schweben und Übergehen sind sozusagen die Meta-Vorstellungen, die der Wissenschaftslehre zu Grunde liegen. Sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich; so dass man sich gar nicht entscheiden mag, welche zu welcher gehört.
JE


Schema allen Bestimmens ist das Selbstbestimmen.
  M. Ernst
 
Im ganzen Bewusstsein komme ich nur immer vor als Vermögen. Wir wollten das Bewusstsein der Agilität des Ich ableiten nicht als etwas, das geschehen ist, sondern als etwas unmittelbar Geschehendes. Oben argumen- tierten wir so: Ich finde meine eigene physische Kraft als bewegt; durch sie hindurch erblicke ich ein Objekt als Resultat meiner Kausalität; aber wie wird die physische Kraft die meinige? 

Ich beziehe diese Bestimmtheit derselben auf mein Selbstbestimmen, welches ich voraussetze als Erklärungs- grund. Demnach entsteht die höhere Frage: Wie werde ich mir meines Selbstbestimmens bewusst? Dies haben wir zuletzt erörtert.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 205


Nota. - Hier geht es nicht darum, wo das Ich tatsächlich herkam. Hier geht es darum, wie es - seiner selbst - zu Bewusstsein kommt. Ist das Bewusstsein gegeben, so kann es sich rückblickend nur als Vermögen erkennen: näm- lich als noch-nicht-bestimmt, als Abstraktion; ein bloßes Schema. Da es sich jetzt in concreto aber als bestimmt vorfindet, muss es ein Tätiges annehmen, das es so bestimmt hat. 

Hier tritt ein Sprung ein: Das Subjekt der Darstellung wechselt. Anders gesagt: Aus der Meta-Ebene, wo der Transzendentalphilosoph berichtet von den Handlungen des Ich, kehren wir zurück auf die Objekt-Ebene, und das Ich betritt in seiner Rohform: als Einbildungskraft selbst die Szene und erkennt sich wieder als etwas "unmittelbar Ge- schehendes"; erkennt sich gewissermaßen wieder in ihrem Schweben.

'Wie ich mir meines Selbstbestimmens bewusst werde', würde man gewiss auch auf wissenschaftlich sauberere Art darstellen können. Doch auf die Darstellung kommt es gar nicht so an, sondern auf das, was gemeint ist. Und da ist diese romantische Auffassung eindrücklicher als alle dialektische Spitzfindigkeit.
JE



Es schwebt. 

Wie ist Bewegung möglich? Nur dass die Linie konstruiert wird, so Bewusstsein der Tätigkeit, dass das Be- stimmte aufgefasst wird als Masse, als Ganzes [sic]. Bewegung ist dadurch noch nicht erklärt, ich sehe noch nicht, was durch die Linie sich durchschiebt, so auch nicht das Bewusstsein, da man das selbsttätige Agile noch nicht sieht. Mit diesem Bestimmbaren wird das Ich vereinigt und angesehen als sein Vermittelndes, das bestimmende Ich.

Das bestimmende Ich ist etwas Einfaches, Absolutes, durchs bloße Denken Produziertes, ein Noumen, darin wird ja nicht gedacht ein sich wirklich bestimmendes Ich, da bloß die Form gedacht wird, das bloße Vermögen. Dies ist ein sonderbarer Begriff, da sich nicht verstehen lässt, was ein bloßes Vermögen sein könnte, und doch ists im Bewusstsein gedacht.

Wenn ein Vermögen gedacht wird, wird die bloße Form gedacht, nicht aber ein bestimmtes Handeln dieser Art. Es ist wie mit dem Denken des unendlichen Raumes. Hierbei ist die Schwierigkeit die: Wie soll ich zur Erkenntnis der Form kommen, wenn ich sie nicht in etwas Bestimmten schon realisiert gefunden habe? (Gewöhnlich hebt man von bloßer Abstraktion an in der gewöhnlichen Formularphilosophie.)

Wie ist Abstraktion möglich ohne vorausgegangenes Konkrete [sic]? Dies wird angewandt aufs Selbstbestimmen - gerade dadurch ists möglich, dass die Selbstbestimmung durch die das unendliche Mannigfaltige auffassende Einbildungskraft hindurch erblickt wird, welche hier die Vermittelnde ist. So werfe ich beim Linienziehen die Linie durch die unendlichen Punkte hindurch.

Wies uns zumute ist wenn wir zweifeln oder wählen, ist jedem bekannt. Also der Begriff von dem Vermögen zu wollen liegt drin, es wird aber nicht gewollt. Aber wie wird denn nun ein Begriff der Art möglich? Dadurch, dass man / sich in der Deliberation nicht auf eins einschränkt. Dies muss man nur transzendental verstehen, die Vorstellung soll nicht als vorausgesetzt angenommen werden. 

Es ist allenthalben in der ganzen Sphäre, in der Einbildungskraft läuft, ein quasi Bestimmen, das immer von einem zum andern übergeht, es ist eine Bestimmtheit und Unbestimmtheit vereinigt. Hier sehen wir, wie der Begriff der Bestimmbarkeit überhaupt erst entsteht.
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Wissenschaftslehre nova methodo,  Hamburg 1982, S. 204f.
  



Nota I. - Es geht nicht um Begriffe und deren bestmögliche Definition, sondern um das materiale Vorstellen selbst. Dem Begriff nach kommt die Unbestimmtheit vor der Bestimmung. Woher die Bestimmung aber kommt, wird gar nicht gefragt. Doch die Intelligenz, die in einer Reihe vernünftiger Wesen zur Welt gekommen ist, trifft zuerst allenthalben auf schon (von Andern) Bestimmtes. Unbestimmtheit ist das, was sie zuerst nicht kennt, darum erscheint sie ihr, wo sie ihr begegnet, von vorherein als zu überwindender Mangel: als ein zu-Bestimmendes. Als was sie zu bestimmen ist, weiß sie nicht, aber dass. Das Was schwebt ihr als Möglichkeit vor. Es erstaunt, dass F. von Schweben an dieser Stelle nicht spricht.
24. 3. 17

Nota II. - Nein, das ist zu flach. Man muss es "transzendental verstehen": Es schwebt. Das ist die - romantische - Schlüsselidee der Wissenschaftslehre; nicht in ihrer strengen immanenten transzendentalphilosophischen Herleitung, sondern in der Anschauungweise, auf die man sich schon eingelassen haben muss, wenn man in der Transzendentalphilosophie überhaupt einen Sinn erkennen will. Was für eine Philosophie man wählt, hängt davon ab, was man für ein Mensch ist. Wer in Sicherheit gewogen sein will, wählt eine Lehre, deren Rede ist Jaja, Neinnein, woran er sich halten kann. Wer dagegen, zu seiner Freude oder seinem Leid,* an jeder Ecke wieder vor einem Rätsel steht, dem kommt das Schweben als Normalzustand vor. Da muss er sich zurecht-, da muss er hinausfinden. Dem kommt das nicht-als-dieses- und nicht-als-jenes-Bestimmte als ein Zu-Bestimmendes vor. Eine Philosophie wird er wählen, die dort anfängt. Und er wird wohl finden, dass sie darauf auch hinausläuft.

*) dies der Romantiker, jenes der Existenzialist
2. 10. 18
 

Nota III. - Im sich-selbst-Bestimmen kreist die Einbildungskraft gewissermaßen um sich selbst: Sie schwebt. Nichts anderes als dieses Schweben ist das 'Ich'.
27. 6. 15





...ein Schweben zwischen mannigfaltigen entgegengesetzten Reflexionsmomenten. 
3. 
So gewiss ich die Aufforderung begreife, finde ich mich als Subjekt mit dem Prädikate der zu findenden Freiheit. Was heißt das, ich finde mich? (Durch bloße Analyse muss die Notwendigkeit des Anknüpfens gezeigt werden.) Was müsste ich denn erkennen, um das sagen zu können? Ichheit besteht in der absoluten Identität des Idealen und Realen, sie ist eine Intelligenz außer dem entstehenden Bewusssein nur für den Philosophen; aber wie wird sie für das Ich, das wir konstruieren? Wie komen wir dazu, den absolut unmittelbaren, den ersten Punkt desselben aufzuzeigen?

Jetzt ist die Rede vom Formalen. - Ich finde mich, heißt: Das Ideale und das Reale wird gefunden als identisch; oder: Es erscheint mir im Denken ein Sein durchs Denken; durchs Denken erscheint ein Sein, heißt: Ich denke und es wird. Dadurch wird also der Wille ausgedrückt, der denn doch ein bloßes Denken ist, und in dem sich durch diese Synthesis des Denkens mit dem Sein das Denken in eine Erscheinung des Wollens verwandelt. Aus diesem hervorgebrachten Sein erfolgt ein anderes Denken; ich nehme das Sein unmittelbar wahr; z. B. meine Hand bewegt sich, heißt: Ich denke meine Hand als bewegt und sie bewegt sich. -

Ich will meine Hand bewegen, heißt: Ich denke meine Hand als durch unmittelbare Wehnehmung und Willkür bewegbar. Den Unterschied dieser zwei Denkungsarten aufzuzeigen ist hier unser Zweck. Worterklärungen des Willens sind bekannt genug, z. B. das Wollen ist Denken eines Zweckbegriffs; das erste ist ideales, das letzteres reales Denken. Das Denken des Zwecks ist Übergang der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit; das Denken der Bestimmbarkeit ist ein Schweben zwischen mannigfaltigen entgegengesetzten Reflexionsmoenten.

 Im Denken des Zwecks gehet man eben zum Denken des Bestimmten aus diesem Bestimmbaren über. Es ist also das Deniken des Zwecks ein freies Denken. Die Bestimmbarkeit ist lediglich für mein Denken, und ihre Form ist unfixiertes Schweben zwischen mannigfaltigen entgegengesetzten Reflexionsmomenten; das Wollende ist auch das Denkende, durch welches zu-//183//erst dieses Schweben fixiert und in einem einzigen Punkt kon- trahiert wird.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 182f. 


Nota. - Wirklich ist eigentlich immer nur das Schweben: dasjenige, wo Bewegung ist, wo etwas geschieht; es ist aktuale Tätigkeit. Ein Schweben zwischen Zweien: Die Fixpunkte werden als solche nur gedacht. Denn gedacht - angeschaut und begriffen - werden kann das Wirkliche, das Tätigkeit ist, nur so; nur interpunktiert; nicht als Fluss, sondern in Sprüngen. Hier findet im Denken eine Umkehrung statt: Das Fixe, das nur gedacht wird, kommt dem Denken als das Eigentliche vor, die aktuale Tätigkeit, das "Schweben", als hinzugedachtes Akzi- dens.

Bestimmt und bestimmbar sind Reflexionsmomente. Real ist das Übergehen vom Einen zum Andern: be- stimmen.
JE, 15. 2. 17
digitaler anblick

So gewiss ich die Aufforderung begreife, finde ich mich als Subjekt,mit dem Prädikate der zu findenden Freiheit. Was heißt das, ich finde mich? (Durch bloße Analyse muss die Notwendigkeit des Anknüpfens gezeigt werden.) Was müsste ich denn erkennen, um das sagen zu können?

Ichheit besteht in der absoluten Identität des Idealen und Realen,sie ist eine Existenz außer dem entstehenden Bewusstsein nur für den Philosophen; aber wie wird sie für das Ich, das wir konstruieren? Wie kommen wir da-zu, den absolut unmittelbaren, den ersten Punkt desselben aufzuzeigen? 

Jetzt ist die Rede vom Formalen. Ich finde mich, heißt: Das Ideale und Reale wird gefunden als identisch. Oder: es erscheint mir im Denken ein Sein durchs Denken, und durchs Sein ein Denken; durchs Denken entsteht ein Sein heißt: ich denke, und es wird. Dadurch wird also der Wille ausgedrückt, der denn doch ein bloßes Denken ist, und in dem sich durch diese Synthesis des Denkens mit dem Sein das Denken in die Erscheinung des Wollens verwandelt. 

Aus diesem hervorgebrachten Sein folgt ein anderes Denken. Ich nehme das Sein unmittelbar wahr, z. B. meine Hand bewegt sich, heißt: Ich denke meine Hand als bewegt und sie bewegt sich. – Ich will meine Hand bewe-gen: heißt, ich denke meine Hand als durch unmittelbare Wahrnehmung und Willkür bewegbar. Den Unter-schied dieser zwei Denkungsarten aufzuzeigen ist hier unser Zweck. 

Worterklärungen des Willens sind bekannt genug, z. B. das Wollen ist Denken eines Zweckbegriffs; Denken eines objektiven Begriffs; das erste ist ideales, das letztere reales Denken. Das Denken des Zwecks ist Denken des Übergangs der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit; das Denken der Bestimmbarkeit ist ein Schweben zwi-schen mannigfaltigen entgegengesetzten Reflexionsmomenten. 

Im Denken des Zwecks gehet man eben zum Denken des Bestimmten aus diesem Bestimmbaren über; es ist also das Denken des Zwecks ein freies Denken; die Bestimmbarkeit ist lediglich für mein Denken, und ihre Form ist ein unfixiertes Schweben zwischen mannigfaltigen Reflexionsmomenten; das Wollende ist auch das Denkende, durch welches zu-/erst dieses Schweben fixiert und in einem einzigen Punkt kontrahiert wird. Es wird zu einem bestimmten Denken übergegangen. Wird auf die Bestimmtheit abgesehen, so ist das Ich gebun-den, und es ist ein objektives Denken, mit dem ein Gefühl verbunden ist. Wird hingegen auf die Freiheit im Bestimmen gesehen, so erscheint es als ein Wollen. Das Denken eines Zwecks und das eines Objekts sind eigentlich dasselbe, nur von verschiedenen Seiten angesehen.

Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 182f. 






Der Grund allen Stoffs.  
Martina Taylor, pixelio.de...

Das Ich muss jenen Widerstreit entgegengesetzter Richtungen, oder, welches hier das gleiche ist, entgegengesetzter Kräfte setzen; also weder die eine allein, noch die zweite allein, sondern beide; und zwar beide im Widerstreite, in entgegengesetzter, aber völlig sich das Gleichgewicht haltender Thätigkeit. 

Entgegengesetzte Thätigkeit aber, die sich das Gleichgewicht hält, vernichtet sich, und es bleibt nichts. Doch soll etwas bleiben und gesetzt werden: es bleibt demnach ein ruhender Stoff, etwas Krafthabendes, welches dieselbe wegen des Widerstandes nicht in Thätigkeit äussern kann, ein Substrat der Kraft, wie man sich jeden Augenblick durch ein mit sich selbst angestelltes Experiment überzeugen kann. Und zwar, worauf es hier eigentlich ankommt, bleibt dieses Substrat nicht als ein vorhergesetztes, sondern als blosses Product der Vereinigung entgegengesetzter Thätigkeiten. Dies ist der Grund alles Stoffs, und alles möglichen bleibenden Substrats im Ich (und ausser dem Ich ist nichts), wie sich immer deutlicher ergeben wird.
________________________________________________________________________________
Grundriss des Eigenthümlichen der Wissenschaftslehre, in Rücksicht auf das theoretische Vermögen, SW I, S. 336.



Nota. - Hier wird er mysteriös. 'Es soll' etwas übrigbleiben, wohl wahr. Die Transzendentalphilosophie soll aber herausfinden, wie das möglich ist. Es reicht nicht, es bloß zu behaupten. Tätigkeit plus Antitätigkeit ergibt Untätigkeit = nichts, aber kein Schweben, das ein Spur hinterlassen könnte. Im besten Fall noch: zurück auf Anfang; nur, beim zweiten Versuch wäre das Ergebnis kein anderes. Wir kämen also nie vom Fleck.

Es handelt sich nicht um Physik. Es handelt sich um den Gang der Vorstellung. Im Vorstellenden muss eine Spur des Schwebens erhalten sein, die ihn zum Bestimmen herausfordert und ihm das unbestimmt Schwebende zu einem bestimmbaren Stoff werden lässt. - Wozu hat er denn im vorangegangenen Absatz der reinen Tätigkeit keine Anti tätigkeit, sondern eine unreine Tätigkeit entgegengesezt? Verunreinigt  wurde die reine Tätigkeit vom Widerstand des Nichtich, auf den sie inzwischen gestoßen war. Der Zusammenstoß war das Schweben (die 'erste Synthesis'). Von ihm bleibt eine Spur = Bestimmbarkeit. 


Er hat es sich einmal eingebrockt: Er will das Vorstellen selbst darstellen, das aber kann er immer nur auf diskursive Weise durch das Verknüpfen von Begriffen. Sicher ist das ein inadäquates Medium, aber wir haben sonst keins. Dass im Resultat gelegentlich auf lächerliche Weise Haare gespalten werden, muss man wohl oder übel in Kauf nehmen.
JE 13. 4. 18





Die Spur des Schwebens.
M. Großmann  / pixelio.de

Der in der Grundlage beschriebene Widerstreit entgegengesetzter Richtungen der Thätigkeit des Ich ist etwas im Ich unterscheidbares. Er soll, so gewiss er im Ich ist, durch das Ich im Ich gesetzt; er muss demnach zuvörderst unterschieden werden. Das Ich setzt ihn, heisst zuvörderst: es setzt denselben sich entgegen

Es ist bis jetzt, d.h. auf diesem Puncte der Reflexion, im Ich noch gar nichts gesetzt; es ist nichts in demselben, als was ihm ursprünglich zukommt, reine Thätigkeit. Das Ich setzt etwas sich entgegen, heisst also hier nichts weiter, und kann hier nichts weiter heissen, als: es setzt etwas nicht als reine Thätigkeit. So wurde demnach jener Zustand des Ich im Widerstreite gesetzt, als das Gegentheil der reinen, als gemischte, sich selbst widerstreben- de und sich selbst vernichtende Thätigkeit. – Die jetzt aufgezeigte Handlung des Ich ist bloss antithetisch. ...

Aber es wurde schon in der Grundlage erinnert, dass, wenn der Widerstreit je im Ich gesetzt werden und aus demselbem etwas weiteres folgen solle, durch das bloße Setzen der Widerstreit als solcher das Schweben der Einbildungskraft zwischen den Ent-/gegegengesetzten aufhören, dennoch aber die Spur desselben als ein Etwas, als ein möglicher Stoff übrigbleiben müsse.
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Grundriss des Eigenthümlichen der Wissenschaftslehre, in Rücksicht auf das theoretische Vermögen, SW I, S. 335f.



Nota. - Das Ich ist im ersten Gang der Wissenschaftslehre zurückgeführt worden auf reine Tätigkeit. Sie wird ihrerseits zurückgeführt werden auf ein reines Wollen, doch das spielt hier schon keine Rolle mehr. Was immer das Ich also außer sich und gar sich entgegen setzen mag, kann in jedem Fall nur sein: keine reine Tätigkeit. Nicht-Tätigkeit wäre zu viel: Denn das wäre die Auslöschung des Ich, und es bliebe nichts. Es muss also die reine Tätig- keit sich in sich selbst unterscheiden. Es ergeben sich zwei Tätigkeiten, die einander aufwiegen - nicht nichts, sondern ein Schweben. Soll daraus etwas folgen - und das soll es, denn es soll ja die Wirklichkeit der Vernunft re-konstruiert werden -, muss als "Spur" ein unerledigter Rest bleiben.

Der Ausgangspunkt ist immer - nicht die Tabula rasa, nicht der Zustand vor der Schöpfung, in den die philoso- phische Spekulation ihre selbstgemachten Prämissen hineinpostuliert, sondern - das historische Faktum, dass Ver- nunft ist. Von dieser Tatsache aus wird zurückgegangen auf die Bedingungen, die gegeben sein mussten, damit sie werden konnte. 

Das heißt Vernunftkritik. Kant hat sie begonnen, ist aber bei dem, was er das Apriori nennt, stehen geblieben. Fichte löst auch die Kategorien und Anschauungsformen in die reine Tätigkeit eines unvermeidlich anzuneh- menden Ich auf.

An obiger Stelle ist er schon wieder auf dem Rückweg: Aus den als notwendig aufgefundenen Bedingungen verfolgt er die Ausvildung der Vernunft zu ihrem heute gegebenen System.
JE 12. 4. 18






[Wie wird ein mannigfaltig zerstreutes Denken synthetisiert?]

Vorerinnerung

Im synthetischen Denken wird ein mannigfaltiges Diskretes gedacht: Als man das sagte, schwebte man über dem synthetischen Denken selbst, es war das Objekt. Jetzt stellen wir uns tiefer in den Standpunkt des synthe- tischen Denkens selbst, es soll das Subjektive sein, das wir nachahmen; das Mannigfaltige soll jetzt als solches betrachtet werden, nur haben wir immerfort auf die Vereinigungspunkte jedes Denkens mit dem andern [zu] sehen, und so werden wir das synthetische Denken wieder bekommen und werden das, was wir bloß analytisch durchgingen, aus den Teilen wieder zusammensetzen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 193
 



Nota. - 'Schweben' heißt hier das Verhältnis der zweiten semantischen Ebene zur ersten semantischen Ebene: was die Sprache mit dass kennzeichnet, das Reden "über", metà-. Die Vokabel ist ganz treffend, denn dass es sich um eine 'bloße Form' handelte, kann man doch nicht sagen, es ist schon eine sachliche Bestimmung; aber noch ohne Bestimmung. - Da liegt eine ganze gedachte Welt drin, und man kann sagen, das Schweben sei überhaupt das eigentümliche Aroma der Wissenschaftslehre (aber sie verabscheut das Ungefähr).
JE 1. 3. 17








Eine Anschauung vom Suchen.

8. Welches ist nun der Unterschied beider Objekte, dessen, wodurch die Begrenzung, und dessen, wodurch das Streben erklärt wird? Gleich sind sie darin, dass beide Objekte der Anschauung sind; unterschieden sind sie darin, dass ersteres ein Bestimmtes, dass die ideale Tätigkeit in Verbindung des Mannigfaltigen darin gebunden ist; das letztere aber ein Bestimmbares und die ideale Tätigkeit in Verbindung des Mannigfaltigen völlig frei ist. Das erste ist nur eine Aufgabe, etwas, und zwar ein anderes, dem ersten Entgegengesetztes, zu setzen, weil durch das erste das Ich beschränkt ist. Die Gebundenheit, in wiefern sie der idealen Tätigkeit zukommt, ist in beiden gleich.

Man denke, dass, wenn auch unentschieden bleiben muss, ob das Gefühl der Begrenzung ein einfaches ist, oder ob mehrere vereinigt werden können, doch aus dem Obigen klar ist, dass jedes Gefühl der Intension nach teilbar ist, dass alles, was die Anschauung hineinlegt, gleichsam teilbar ist ins Unendliche - dass aber im ersten Falle, bei der Anschauung des Bestimmten, die Teilung nicht möglich ist, weil da die Anschauung auf ein Gegebenes geht; im zweiten Falle hingegen eine solche Teilung möglich ist und als solche im Gegensatz der ersten gesetzt werden muss. Im zweiten Falle ist eine Aufgabe, etwas bloß zu setzen, denn es ist kein Inhalt des Gefühls gegeben, es wird ein Gefühl gesucht. Wie dies gefunden werden kann, vide infra.

Diese Anschauung ist leer, sie ist ein freies Schweben über dem Mannigfaltigen, welches das Ich nicht weiter kennt als //86// durch sein Schweben, es ist die Anschauung von einer Aufgabe, ein Objekt zu setzen.

Der Begriff des Ideals ist eine Idee. Sie ist ein Begriff von etws, das gar nicht begriffen werden kann, z. B. der Begriff von der Unendlichkeit des Raumes. Dies scheint ein Widerspruch zu sein, welcher so gelöst wird: Vom Objekte ist kein Begriff möglich, aber von der Regel, nach welcher er durch ein Fortschreiten hervorgebracht werden müsst, z. B. der unendliche Raum; jeder Raum, der aufgefasst wird, ist endlich, wir geben daher nur Acht, wie wir es machen würden, wenn wir den unendlichen Raum auffassen wollten. Man denke sich die Regel weg, so bleibt das Suchen übrig, und das ist das Objekt der Anschauung, von dem hier geredet wird.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 85f.  



Nota. - Der unendliche Raum wird so konstruiert, dass an den je gegebenen endlichen Raum jedesmal wieder ein endlicher Raum angefügt wird. Das absolute Objekt des Strebens wird so konstruiert, dass zu jedem gegebenen Objekt der freien Wahl wieder ein nächstes Objekt der freien Wahl hinzugefügt wird. Die Idee des Endzwecks wäre also der Inbegriff aller möglichen Zweckbegriffe, die indes unendlich viele und als solche nicht bestimmbar sind. Real ist, was anschaubar ist, die Realität des Absoluten ist die Suche danach.
JE 22. 9. 16






Möglichkeit ist ein Schweben des Zweckes zwischen Sein und Nichtsein.
Verlag freies Geistesleben

Das praktische Ich (denn dadurch erklären wir alles) erscheint im Entwerfen des Begriffs seiner Wirksamkeit frei in Absicht des Zusam-/menordnens des Mannigfaltigen; darin besteht die Freiheit der Wahl. Ist aber der Begriff einmal entworfen und wird nach ihm gehandelt , dann hängt die Folge nicht mehr von ihm [=dem prak-tischen Ich] ab, sondern es ist in Rücksicht derselben gebunden. Die Anschauung, die ihrer Natur nach gebunden ist, wird im ersten Falle, wenn der Begriff entworfen wird, vom Praktischen hin- und hergerissen zwischen Sein und Nichtsein, im Schweben zwischen Entgegengesetzten. Im zweiten Falle, wo gehandelt wird, wird das An-geschaute dadurch, dass das Praktische selbst gebunden ist, mitgebunden; der Grund der Bestimmtheit der Intelligenz hängt ab von der Bestimmtheit des Praktischen.

Im ersten Falle heißt es der Begriff von einer bloß möglichen, im zweiten von einer wirklichen Handlung. Jetzt ist die Fragte, was x sei, beantwortet; x ist eine wirkliche Handlung und einer bloß möglichen entgegengesetzt.

Corollaria: 

1) Diese Begriffe sind besondere Bestimmungen der Intelligenz in Beziehung auf das in ihr notwendig hinzu-zudenkende praktische Vermögen. Wird das praktische Vermögen gesetzt als selbst Begriffe erschaffend, so ist dann die Intelligenz selbst frei, und dann entsteht der Begriff des Möglichen; wird es gesetzt als wirklich handeln, so ist es in Rücksicht der Folge des Mannigfaltigen gebunden, und die Intelligenz mit ihm.

2) Alles Wirkliche und Mögliche ist wirklich und möglich lediglich in Beziehung auf die Handlung des Ich; denn wir haben es von der Anschauung des Handelns abgeleitet. Die Anschauung eines Wirklichen bedingt alle Anschauung, mithin alles Bewusstsein

Bewusstsein des Wirklichen oder Anschauung des Wirklichen heißt Erfahrung, also geht alles Denken von der Erfahrung aus und ist durch sie bedingt. Nur durch Erfahrung werden wir für uns selbst etwas, hinterher können wir von der Erfahrung abstrahieren.

Anschauung des Wirklichen ist nur möglich durch Anschauung eines wirklichen Handelns des Ich; also jede Erfahrung geht aus vom Handeln, es ist nur durch sie möglich [sic]. Ist kein Handeln, so ist keine Erfahrung, und ist diese nicht, so ist kein Bewusstsein.
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Wissenschaftslehre nova methodo, S. 59f.



Nota. - Möglichkeit 'ist' lediglich in der Vorstellung, nämlich sofern der Begriff von einem Zweck gefasst wurde; ist nicht die Latenzform von 'Sein', sondern ein Zweck, der zwar entworfen, aber noch nicht handelnd realisiert wurde. (Zur Erinnerung: Nach Kants Kategorienlehre gehört Möglichkeit neben Wirklichkeit und Notwendigkeit zu den Modalitäten; sie sind a priori.)
JE 18. 8. 16






Nur durch das Schweben der Einbildungskraft entsteht eine Zeit.

Schon oben wurde gesagt, es sei in der gewöhnlichen kritischen Philosophie eine gewaltige Lücke, dass man zeigte, wie die Zeitmomente aneinandergereiht würden und dadurch eine Dauer entstünde; was doch nicht sein kann, wenn im einzelnen Moment keine Füllung da ist, ist im Ganzen auch keine. Es muss also bewiesen werden, dass / jeder einzelne Moment eine Dauer hat, diese geschieht aus dem Schweben der Einbildungskraft zwischen Entgegengesetzten. Darin besteht die Einbildungskraft, dass ich unendlich Teilbares fasse; erst in diesem Zusammenfassen entsteht der Moment. 

Nach dem Obigen wird nach der Kategorie der Kausalität durch den Zweckbegriff hindurch ein Objekt erblickt; dies Verhältnis ist ganz gleichzeitig, da es unmittelbar verknüpft ist, zwischen Ursache und Bewirken liegt keine Zeit dazwischen. Woher nun Zeitdauer? Oder entsteht sie etwa dadurch, dass mehrere Wirkungen sich an einander anschließen? Aus nichts wird nichts, und wenn eine Wirkung keine [Zeitdauer] einnimmt, nehmen tausend auch keine ein. 

Sie kommt bloß daher: Der Zweckbegriff selbst und sein Entwerfen hat eine Dauer, und erst durch diese entsteht durch sinnliche Vermittlung ein sukzessives Handeln allmähliches Entstehen eines Produkts unseres Handelns. Bei Kant ist dies nicht klar, vid. Jacobi über Idealismus und Realismus, welches fleißig nachzulesen ist.)
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 205f.




 
Der Zweckbegriff.
annalechner
 
1. 

Wenn ich einen Zweckbegriff entwerfe, bin ich frei und selbstbestimmend: Soll ich ferner das tun oder das? Hier wird //217// meine Kraft an alle diese möglichen Fälle gehalten, die mir einfallen. Aber woher weiß man, dass man eine selbstbestimmende Kraft hat! Dies liegt in uns, in dem eignen freien Denken; wir kommen uns hier schon vor als bloßes Noumen. 

Jetzt sagen wir: Das will ich, nun ist jenes Schweben aufgehoben, unser Denken ist auf einen einzigen Punkt geworfen; dieser kommt wieder aus einem freien Denken her pp. Ich als Noumen erscheine mir doppelt: 1) überhaupt als so vorausgersetzt, dass ich diese Bestimmung halte an das Mannigfaltige der Wahl: 2) als ein empirisches Bewusstsein, gemacht, hervorgebracht, bestimmt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 216
f.  
 


Nota. - Es ist das erste Mal, dass F. den 'Zweckbegriff' genauer bestimmt: Er ist nicht die unentfaltete Vor- oder Frühform des Sachbegriffs, sondern er ist ein Akt, der Akt der Wahl aus allen Handlungsmöglichkeiten, "die mir einfallen". (Reell: Ich stelle mir wirklich vor, all diese Möglichkeiten seien bereits 'da' gewesen, bevor ich 'auf sie gekommen' bin. Insoweit ist der Zweckbegriff allerrdings der Vorläufer der Sachbegriffe: Sie kommen uns alle wie vorgefunden vor; das ist der Ursprung des dogmatischen Denkens und des dialektischen Scheins.)
JE 13. 4. 17







"Hier mangelt die Sprache": der Anfang.
                                                                   1.

Was ist dieses Bestimmte selbst? Willkürlich als bloßer Akt angesehen. Hier mangelt die Sprache. Sagt man: Es ist ein Beschränken unserer selbst - id est unserer Reflexion von dem Mannigfaltigen auf ein einziges Bestimmte [sic] -, so habe ich ja das Produkt der Einbildungskraft mit in der Definition; welches auch nicht wegzuschaffen ist. Wir können unser Bestimmen nur denken als ein Übergehen oder ein Schweben zwischen mehreren Entgegegesetzten. Nun sollen wir aber diese Tätigkeit ohne Rücksicht auf das beide Entgegengesetzte, zwischern dem [sic] sie schwebt, beschreiben. Um dies zu tun, müssten wir ganz andere Denkgesetze haben, oder unser Satz müsste falsch sein.


Es ist also dieses nicht zu leisten. Wir müssen hier verfahren, wie wir mit jeder Idee verfahren, wir beschreiben nämlich bloß das Gesetz, nach dem dieser Begriff zustande kommen müsste. Wir sagen: Sollte die bloße Bestimmung gedacht werden, so müsste das Bestimmbare weggedacht werden. Dies ist nicht möglich, denn dann müsste die bloße Ichheit oder das sich-selbst-Fassen und -Ergreifen gedacht werden, und schon in den letzten Ausdrücken ist schon [sic] sinnliche Unterscheidung des Ergreifenden von dem Ergriffenen. So spricht man z. B. oft von einem unendlichen Raume, da dieser doch undenkbar ist, und man sich bloß die Regel denkt, nach der er beschrieben werden müsste, nämlich als das beständigwährende Fortziehen.

Dieses sich-Bestimmen ist der absolute Anfang alles Lebens und Bewusstseins, eben deshalb ists unbegreiflich, weil unser Bewusstsein immer etwas voraussetzt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 208
 





 

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