Man
denke sich deliberierend. Soll ich dieses oder jenes tun, oder ein drittes?
In der Deliberation erscheinen diese gedachten Vorstellungen als in der
Vorstellung ganz bestimmt. Ich denke mir diese Handlungen als möglich, vom
Entschlusse abhängig, aber nur als möglich.
Der Begriff der Handlung ist im Deliberieren noch über mehreren Handlungen schwebend; er ist noch auf keine bestimmte
fixiert.
Man
deliberiere nun nicht mehr, sondern fasse einen Beschluss, so erscheint das
Gewollte als etwas, das sich allein zutragen soll. Das Wollen erscheint als
eine kategorische Fo[r]derung, als ein absolutes Postulat an die Wirklichkeit. Im Deliberieren ist nur von der Möglichkeit die Rede [=von der Möglichkeit ist nur im Delibe- rieren die Rede, JE];
durch das Wollen soll etwas Neues, Erstes, vorher noch nicht Vorhandenes
entstehen. Dieses ist aber doch schon idealiter
dagewesen, denn im Deliberieren habe ich die möglichen Begebenheiten,
die erfolgen konnten, an mein Wollen gehalten, aber nur problematisch.
Also lässt sich jenes Neue beschreiben, aber jetzt erst / losgelassen, indem es in der Deliberation noch zurückgehalten war. Das Wollen erscheint also als ein Hervorgehen, als eine freiwillige Beschränkung, indem man den Willen auf ein neues Objekt hinleitet. Im Deliberieren ist das Bestreben zerstreut und insofern kein Wollen. Die Konzentration dieses zerstreuten Strebens in einem Punkt heißt erst Wollen. Dies ist eine Folge aus dem oben aufgestellten Satz: Das Ich findet sich im Übergehen von der Unbestimmtheit zur Bestimmtheit. Nur in diesem Übergehen kann man sich seines Wollens bewusst werden.
Also lässt sich jenes Neue beschreiben, aber jetzt erst / losgelassen, indem es in der Deliberation noch zurückgehalten war. Das Wollen erscheint also als ein Hervorgehen, als eine freiwillige Beschränkung, indem man den Willen auf ein neues Objekt hinleitet. Im Deliberieren ist das Bestreben zerstreut und insofern kein Wollen. Die Konzentration dieses zerstreuten Strebens in einem Punkt heißt erst Wollen. Dies ist eine Folge aus dem oben aufgestellten Satz: Das Ich findet sich im Übergehen von der Unbestimmtheit zur Bestimmtheit. Nur in diesem Übergehen kann man sich seines Wollens bewusst werden.
Deliberieren
und Wollen ist bloßes Denken, das erste ist problematisches, das zweite
kategorisches. Aber alles im Ich, also auch das Wollen, muss durch dasselbe
gesetzt sein. Das bestimmte Denken, das wir ein Wollen nennen, ist sonach ein unmittelbares Bewusstsein. Ich will, inwiefern ich
mich als wollend denke, und ich denke mich als wollend, inwiefern ich will. Der
Wille ist ein absolutes Erstes, seiner Form nach durch nichts Bedingtes. Es ist ebenso wie mit dem Gefühl, dem
ebenfalls, weil es ein unmittelbares ist, nichts vorschwebt, was man wegdenken
könnte.
Dieser
unmittelbare Begriff vom Wollen ist die Grundlage des Systems der Begriffe, die
Kant Noumene nennt
und durch welche er ein System der intelligiblen Welt begründet. Sie haben zu
vielen Missverständnissen Anlass gegeben und stehen im Kantschen System
abgerissen und getrennt von dem Übrigen da.
Kant
sagt zwar, dass man sie denken müsse, aber nicht
wie und warum? Sie sind bei ihm Qualitates
occultae, er behauptet: Es gibt keine Brücke von der sinnlichen zur
übersinnlichen Welt. Dies kam daher, weil er in der Kritik der reinen Vernunft
das Ich einseitig und nur das Mannigfaltige ordnend, nicht aber als produzierend
dachte.
Die
Wissenschaftslehre schlägt diese Brücke leicht. Nach ihr ist die intelligible
Welt die Bedingung der Welt der Erscheinungen. Die letztere wird auf die
erstere gebaut. Die erstere beruht auf ihrem eigentlichen Mittelpunkte, dem
Ich, das nur / im Wollen ganz ist. Alle Vorstellungen gehen aus vom Denken des
Wollens.
Dieser
Begriff vom Wollen ist es, worauf alles Geistige (das im bloßen Denken bestehen
soll) beruht, wodurch das Ich selbst geistig wird. Nach
der vorigen Ansicht war das Ich körperlich, beide Ansichten müssen vereinigt
werden.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 152ff.
Nota. - Dies ist das
Herzstück der Wissenschaftslehre.
Bei längerer
Beschäftigung mit der Wissenschaftslehre findet man mehrere solcher Herzstücke
und kann sich nicht entscheiden, welches einem das liebste ist. Für heute lege
ich Ihnen also dieses ans Herz.
Dass das Wollen
dasjenige wäre, das man, wenn es ein An-sich überhaupt gäbe, als einziges so
nennen dürfte, hat uns Fichte schon gesagt. Hier wird es in seinen Bestimmungen
ausgeführt. Es ist das, was in einer geneti- schen Herleitung als der absolute –
erste, einzige, unbedingte - Ausgangspunkt vorangestellt werden muss, wenn man
die Entwicklung der Vorstellung bis hin zum gegenwärtigen gemeinen Bewusstsein verstehen will.
Muss – wenn – will: das ist seinerseits eine pragmatische
Prämisse. Sie entspricht einer Absicht: Es soll der Mensch so verstanden werden. An keiner Stelle wird – wurde mir – so
deutlich, dass die Grundlage der Wissenschaftslehre ein anthropologischesPostulat ist.
Denn die
Anthropologie ist die Metadisziplin, die die Fragen entwickelt, aus denen die
Philosophie hervorgeht.
JE
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