Freitag, 13. Dezember 2013

So als ob Vernunft in der Natur wäre.

Michael Rittmeier, pixelio.de

…das Prinzip der reflektierenden Urteilskraft kann also kein andres sein, als dieses: das Mannigfaltige der empirischen Wahrnehmung so zu beurteilen, als ob es unter gewissen Sätzen der Einheit stehe, die ihm ein anderer Verstand in der Absicht gegeben habe, um eine zusammenhängende Erfahrung aus denselben für uns möglich zu machen.

Dieser Verstand müsste also einen Begriff von einer uns möglichen Erfahrung des Mannigfaltigen durch die Gesetzgebung des Naturbegriffs in der Natur unbestimmt gelassenen gehabt haben, der zugleich den Grund ihrer Wirklichkeit enthalten hätte. So einen Begriff von einem Dinge aber heißt ein Zweck. –

Nun aber wird durch dieses Prinzip der Urteilskraft ein solcher Verstand so wenig vorausgesetzt, dass es vielmehr vor’s erste sehr denkbar ist, ein solches Verhältnis unter den Mannigfaltigen der empirischen Wahrnehmung sei gar nicht anzutreffen, und dass wenn etwas dergleichen angetroffen wird, es uns sehr zufällig scheint: die Urteilskraft setzt dadurch gar nichts über ein Objekt außer sich fest, sondern sie gibt durch dieses Prinzip nur sich selbst ein subjektives Gesetz von hypothetischer Gültigkeit; wie sie verfahren müsse, wenn sie dieses Mannigfaltige in eine systematische Erfahrung ordnen wolle, und wie dieses Mannigfaltige sich müsse betrachten lassen, wenn uns eine Erkenntnis desselben möglich sein solle. Sie setzt also keinen Zweck der Natur voraus, sondern sie macht es sich nur zur Bedingung der Möglichkeit einer zu erwerbenden Erfahrung, dass die Objekte der in der Natur sich als übereinstimmend mit derjenigen Beschaffenheit der Dinge müssen betrachten lassen, welche nur nach Zwecken möglich ist. Die Übereinstimmung aber heißt Zweckmäßigkeit der Form nach: weil aus der bloßen Form der Zweck- mäßigkeit eines Dinges sich noch nicht auf einen wirklichen Zweck schließen lässt; indem dieser allemal eine verständige Ursache voraussetzt.

Die Zweckmäßigkeit der Natur ist also ein Begriff a priori, der lediglich in der reflektierenden Urteilskraft seinen Ursprung hat, deren Prinzip er ist. Denn den Naturprodukten kann man so etwas, als Beziehung der Natur an ihnen auf/ Zwecke, nicht beilegen; sondern diesen Begriff nur brauchen, um über die die Verbindung der Erscheinungen in ihr nach empirischen Gesetzen, zu reflektieren. Auch ist dieser Begriff von der praktischen Zweckmäßigkeit (der menschlichen Kunst, oder auch Sitten) ganz unterschieden, ob er zwar nach einer Analogie mit derselben gedacht wird.
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Versuch eines erklärenden Auszugs [aus der 'Kritik der Urteilskraft'] GA II/1, S. 333f.




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