Sonntag, 18. November 2018

Der erste Grundsatz ist ein Postulat.



2. Keine von beiden Meinungen scheinen die Besseren, die sich dagegen auflehnen, zu haben. Prof. Beck eifert auch gegen das Suchen eines ersten Grundsatzes. Er meint, die Philosophie müsse ausgehen von einem Postula- te, dieses ist aber auch ein Erstes, das nicht weiter bewiesen werden wird, also auch ein Grundsatz. Grundsatz ist jede Erkenntnis, die nicht weiter bewiesen werden soll. Wer also ein Postulat angibt, gibt auch einen Grund- satz an. 

Der Prof. Beck hat den Akzent auf / 'Satz' gelegt, und soll sein etwas Objektives, Gefundenes, aus dem durch Analyse herausgebracht wird. Aber wer hat ihn geheißen, Grundsatz so zu erklären? Die Philosophie soll nicht gefunden werden in einem Gegebenen, sondern durch synthetisches Fortschreiten.

Der Satz des Bewusstseins* ist bei Reinhold ein Faktum; durch bloße Zergliederung dessen, was in diesem Sat- ze liegt, soll nach seiner Behauptung die ganze Philosophie zustande kommen. Ein Verfahren, das mit Recht zu tadeln ist. [*) "Im Bewußtsein wird die Vorstellung vom Vorstellenden und Vorgestellten unterschieden und auf beides bezogen." nach Eisler, Wörterbuch]

Die Wissenschaftslehre stellt zuerst auf ein Ich, dies will sie aber nicht analysieren; dies würde eine leere Philo- sophie sein, sondern sie lässt dieses Ich nach seinen eigenen Gesetzen handeln und dadurch eine Welt konstru- ieren; dies ist keine Analyse, sondern eine immer fortschreitende Synthese. Übrigens ist es richtig, dass man in der Philosophie von einem Postulate ausgehen müsse; auch die Wissenschaftslehre tut dies und drückt es durch Tathandlung aus. 

Dies Wort wurde nicht verstanden. Es heißt aber und soll nichts anderes heißen, als man soll innerlich handeln und diesem Handeln zusehen. Wer also einem andern die Philosophie vorträgt, der muss ihn auffordern, diese Handlung vorzunehmen, er muss also postulieren.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 27f.




Nota I. - Nicht der Grundsatz trägt das System, sondern das System rechtfertigt den Grundsatz - indem es trägt.

Bedenke: Der postulierte Grundsatz ist nicht spekulativ aus der Luft gegriffen, sondern wurde aufgefunden im ersten, analytischen Gang der Transzendentalphilosophie. Er ward erwiesen, indem von ihm aus das Gebäude der Vernunft rekonstruiert wurde.
JE 

Nota II. - Der erste Grundsatz kann nur ein Postulat sein. Das System, von dem die Rede ist, ist das System der Vernunft - es besteht in der Realität, aber seine eigne Realität ist Vorstellung. Es geht nicht, wie in den rationalisti- schen metaphysischen Systemen, um eine (sinngeladene) Tatsache - die Unmöglichkeit, eine solche nachzuwei- sen, ist das eigene Problem dieser Systeme. Aus dem Kreis der Vorstellungen treten wir nirgends hinaus. 

Wenn wir eine erste Vorstellung ausgemacht haben, können wir nicht anders, als uns einen Vorstellenden hinzu vorzustellen. Wollten wir ihm diese oder jede Bestimmtheit zugedenken, müssten wir einen - bestimmten - Be- stimmenden hinzudenken; und so weiter in infinitum. Wir hätten nur die 'erste' Vorstellung immer weiter nach vorn verschoben, wären aber einem bestimmten ersten Vorstellenden nicht näher gekommen. 

Es muss daher ein unbestimmter erster Vorstellender, erster Bestimmender hinzugedacht werden, sonst bekommen wir nie einen. Also einen, der von nichts hergeleitet werden kann, sonst wäre er bestimmt. Wenn wir ihn aber an den Anfang des Systems setzen wollen, können wir nicht anders, als ihn zu postulieren; als einen unbestimmten Vorstellenden, der sich selbst bestimmt.
JE

 

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