Mittwoch, 2. Dezember 2015

Dadurch, dass Tätigkeit in Ruhe angeschaut wird, wird sie zum Begriff.


ostsee

Im vorigen § wurde bemerkt, dass man Tätigkeit nicht setzen kann, ohne ihr Ruhe entgegenzusetzen; hier, dass man keine bestimmte Tätigkeit setzen könne, ohne ihr eine bestimmbare entgegenzusetzen. Also das Verfahren in beiden, worauf es ankommt, um vom einen zum andren überzugehen, war in beiden Untersuchungen das-selbe. 

Die gegenwärtig deduzierte Handlung ist mit der vorigen dieselbe, wir lernen / sie nur besser kennen; ist sie dieselbe, so muss auch das, worauf übergegangen wird, dasselbe sein, also Ruhe und Bestimmbarkeit muss dasselbe sein, sie muss in ihr enthalten sein, denn eben wenn eine Tätigkeit als solche noch bloß bestimmbar ist, hat sie den Charakter der Ruhe und ist keine Tätigkeit. Man könnte diese Ruhe oder diese Bestimmbarkeit Vermögen nennen. 

Vermögen ist nicht selber das, was Vermögen hat, die Substanz; ich sage: die Substanz hat Vermögen; auch Ak-zidens ists nicht, Vermögen ist nicht Handlung, sondern das, wodurch Handlung erst möglich wird. Dadurch, dass Tätigkeit begriffen wird, wird sie Ruhe. Vermögen, Ruhe, Bestimmbarkeit sind eins. Also beides Setzen im ersten Akt und im zweiten ist eins und dasselbe. Dadurch, dass Tätigkeit in Ruhe angeschaut wird, wird sie zum Begriff.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982,  S. 38f.


Nota. – 'Dass man Tätigkeit nicht setzen kann, ohne ihr Ruhe entgegenzusetzen...': Da steht nicht, dass man nur 'tun' kann, indem man 'Ruhe dagegensetzt'; was würde das auch heißen können? Sondern dass wir in unserer Vorstellung Tätigkeit nicht als solche setzen können, ohne ihr in der Vorstellung Ruhe entgegenzusetzen. Es geht in der Wissenschaftslehre nicht darum, in Tätigkeit zu kommen; das ist nicht nötig, wir sind allenthalben in Tätigkeit; sondern darum, unser Tätigwerden zu verstehen. Die Wissenschaftslehre ist Reflexionsphilosophie.
JE


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