Was tu ich, indem ich philosophiere? Ich denke über einen Grund
nach, dem Philosophieren liegt also ein Streben nach dem Denken eines
Grundes zu Grunde. Grund ist aber nicht Ursache im eigentlichen Sinne,
sondern innere Beschaffenheit – Zusammenhang mit dem Ganzen. Alles
Philosophieren muss also bei einem absoluten Grunde endigen. Wenn dieser nun nicht gegeben wäre, wenn dieser Begriff eine Unmöglichkeit
enthielte, so wäre der Trieb zu philosophieren eine unendliche
Tätigkeit und darum ohne Ende, weil ein ewiges Bedürfnis nach einem
absoluten Grunde vorhanden wäre, was doch nur relativ gestillt werden
könnte – und darum nie aufhören würde. Durch das freiwillige Entsagen
des Absoluten entsteht die unendliche freie Tätigkeit in uns – das einzig mögliche Absolute,
was uns gegeben werden kann und das wir durch unsre Unvermögenheit, ein
Absolutes zu erreichen und zu erkennen, finden. Dies uns gegebene
Absolute lässt sich nur negativ erkennen, indem wir handeln und finden, dass durch kein Handeln das erreicht wird, was wir suchen.
Das ließe sich ein absolutes Postulat nennen.
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Novalis, "Fichte-Studien", in Gesammelte Werke, Herrliberg-Zürich 1945, Bd. 2, S. 172
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