Samstag, 20. September 2014

Das System - in der Darstellung und in der Vorstellung.


Tinguely, Heureka

Wie ein Objektives jemals zu einem Subjektiven, ein Sein für sich zu einem Vorgestellten werden möge - dass ich an diesem bekannteren Ende die Aufgabe aller Philosophie fasse - wie es, sage ich, mit dieser sonderbaren Verwandlung zugeht, wird nie jemand erklären, welcher nicht einen Punkt findet, in welchem das Objektive und das Subjektive überhaupt nicht geschieden, sondern ganz Eins sind. Einen solchen Punkt nun stellt unser System auf und geht von demselben aus. Die Ichheit, die Intelligenz, die Vernunft - oder wie man es nennen wolle - ist dieser Punkt.

Diese absolute Identität des Subjekts und Objekts im Ich lässt sich nur schließen, nicht etwa unmittelbar als Tatsache des wirklichen Bewusstsseins nachweisen. Wie ein wirkliches Bewusstsein entsteht, sei es auch nur das Bewusstsein unserer selbst, erfolgt die Trennung. Nur inwiefern ich mich, das Bewusstseinende von mir, dem Gegenstande dieses Bewusstseins, unterscheide, bin ich mir meiner bewusst. 

Auf den mancherlein Ansichten dieses Trennung des Subjektiven und des Objektiven, und hinwiederum der Vereinigung beider, beruht der ganze Mechanismus des Bewusstseins.

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System der Sittenlehre..., SW IV, S. 1


Nota.

Um ein System der Sittenlehre "nach Prinzipien der Wissenschaftslehre" darstellen zu können, hat Fichte wohl zuerst die... Prinzipien der Wissenschaftslehre umreißen müssen. Es sprach zu Studenten, die etwas über Moralphilosophie hören wollten, und also eine allgemeine Vorstellung von den Grundfragen der Philosophie wohl mitbrachten. Er setzt an dem "bekannteren" Ende an: Wie kommen Dinge ins Bewusstsein? Und gibt gleich eine allgemeinste Antwort: Man wird es nicht verstehen können, wenn man nicht anninmmt, dass sie beide irgendwo einmal ein und dasselbe waren; und diesen Punkt gilt es aufzufinden.

So kann die Darstellung des Systems beginnen. 

Der Philosoph selber hatte woanders angefangen. Er hat begonnen bei dem, was phänomenal gegeben ist - mit dem, was im Bewusstsein als Tatsache wirklich vorkommt. Dann ist er auf seinem analytisch-synthetischen Weg auf das Ich gekommen, wie man es wohl annehmen muss, wenn man sich die Handlungen der Intelligenz begreiflich machen will. Aber dieses Ich ist nicht Sein, sondern Handeln. Ein Etwas, worauf es handelt, ist immer schon vorausgesetzt, und es ist nicht Ich. Wollte ich das Ich rein denken, ohne Widerpart, so müsste ich es als bloßen Trieb denken, eine Energie, die nicht wirken kann, solange sich kein Zylinder bietet, der sie fasst.

Das ist die eigentliche Voraussetzung, doch musste man sie erst heraus finden. Auf ihr baut das System wirklich auf. Aber niemand ist genötigt, sie zu teilen. Sie ist bloße Glaubenssache. Genauer gesagt, eine Geschmacks- sache.
JE



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