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Irgend eine Thatsache des empirischen Bewusstseyns
wird aufgestellt; und es wird eine empirische Bestimmung nach der
anderen von ihr abgesondert, so lange bis dasjenige, was sich
schlechthin selbst nicht wegdenken und wovon sich weiter nichts
absondern lässt, rein zurückbleibt.
1) Den Satz: A ist A (soviel als A = A, denn das ist die Bedeutung der logischen Copula) giebt Jeder zu; und zwar / ohne sich im geringsten darüber zu bedenken: man erkennt ihn für völlig gewiss und ausgemacht an.
Wenn aber Jemand einen Beweis desselben fordern
sollte, so würde man sich auf einen solchen Beweis gar nicht einlassen,
sondern behaupten, jener Satz sey schlechthin, d. i. ohne allen weiteren Grund, gewiss: und indem man dieses, ohne Zweifel mit allgemeiner Beistimmung, thut, schreibt man sich das Vermögen zu, etwas schlechthin zu setzen.
2) Man setzt durch die Behauptung, dass obiger Satz an sich gewiss sey, nicht, dass A sey. Der Satz: A ist A ist gar nicht gleichgeltend dem: A ist, oder: es ist ein A. (Seyn,
ohne Prädicat gesetzt, drückt etwas ganz anderes aus, als seyn mit
einem Prädicate; worüber weiter unten.) Man nehme an, A bedeute einen in
zwei gerade Linien eingeschlossenen Raum, so bleibt jener Satz immer
richtig; obgleich der Satz: A ist, offenbar falsch wäre. Sondern man setzt: wenn A sey, so sey A. Mithin ist davon, ob überhaupt A sey oder nicht, gar nicht die Frage. Es ist nicht die Frage vom Gehalte des Satzes, sondern bloss von seiner Form; nicht von dem, wovon man etwas weiss, sondern von dem, was man weiss, von irgend einem Gegenstande, welcher es auch seyn möge.
Mithin wird durch die Behauptung, dass der obige Satz schlechthin gewiss sey, das festgesetzt, dass zwischen jenem Wenn und diesem So ein nothwendiger Zusammenhang sey; und der nothwendige Zusammenhang zwischen beiden ist es, der schlechthin, und ohne allen Grund gesetzt wird. Ich nenne diesen nothwendigen Zusammenhang vorläufig = X.
3) In Rücksicht auf A selbst aber, ob es sey oder nicht, ist dadurch noch nichts gesetzt. Es entsteht also die Frage: unter welcher Bedingung ist denn A?
a. X wenigstens ist im Ich, und durch
das Ich gesetzt – denn das Ich ist es, welches im obigen Satze
urtheilt, und zwar nach X als einem Gesetze urtheilt; welches mithin dem
Ich gegeben, und da es schlechthin und ohne allen weiteren / Grund aufgestellt wird, dem Ich durch das Ich selbst gegeben seyn muss.
b. Ob, und wie A überhaupt gesetzt
sey, wissen wir nicht; aber da X einen Zusammenhang zwischen einem
unbekannten Setzen des A, und einem unter der Bedingung jenes Setzens
absoluten Setzen desselben A bezeichnen soll, so ist, wenigstens insofern jener Zusammenhang gesetzt wird, A in dem Ich, und durch
das Ich gesetzt, so wie X; X ist nur in Beziehung auf ein A möglich;
nun ist X im Ich wirklich gesetzt: mithin muss auch A im Ich gesetzt
sein, insofern X darauf bezogen wird.
c. X bezieht sich auf dasjenige A, welches im
obigen Satze die logische Stelle des Subjects einnimmt, ebenso wie auf
dasjenige, welches für das des Prädicats steht; denn beide werden durch X
vereinigt. Beide also sind, insofern sie gesetzt sind, im Ich gesetzt;
und das im Prädicate wird, unter der Bedingung, dass das im Subjecte
gesetzt sey, schlechthin gesetzt; und der obige Satz lässt demnach sich
auch so ausdrücken: Wenn A im Ich gesetzt ist, so ist es gesetzt; oder – so ist es.
4) Es wird demnach durch das Ich vermittelst X gesetzt: A sey für das urtheilende Ich schlechthin und lediglich kraft seines Gesetztseyns im Ich überhaupt;
das heisst: es wird gesetzt, dass im Ich – es sey nun insbesondere
setzend, oder urtheilend, oder was es auch sey – etwas sey, das sich
stets gleich, stets Ein und ebendasselbe seyn; und das schlechthin
gesetzte X lässt sich auch so ausdrücken: Ich = Ich; Ich bin Ich.
5) Durch diese Operation sind wir schon unvermerkt zu dem Satze: Ich bin (zwar nicht als Ausdruck einer Thathandlung, aber doch einer Thatsache)
angekommen. Denn X ist schlechthin gesetzt; das ist Thatsache des
empirischen Bewusstseyns. Nun ist X gleich dem Satze: Ich bin Ich;
mithin ist auch dieser schlechthin gesetzt.
Aber der Satz: Ich bin Ich, hat eine ganz andere
Bedeutung als der Satz: A ist A. – Nemlich der letztere hat nur unter
einer gewissen Bedingung einen Gehalt. Wenn A ge/setzt ist, so ist es freilich als A, mit dem Prädicate A gesetzt. Es ist aber durch jenen Satz noch gar nicht ausgemacht, ob es überhaupt gesetzt, mithin, ob
es mit irgend einem Prädicate gesetzt sey. Der Satz: Ich bin Ich, aber
gilt unbedingt und schlechthin, denn er ist gleich dem Satze X; er gilt
nicht nur der Form, er gilt auch seinem Gehalte nach. In ihm ist das
Ich, nicht unter Bedingung, sondern schlechthin, mit dem Prädicate der
Gleichheit mit sich selbst gesetzt; es ist also gesetzt; und der Satz
lässt sich auch ausdrücken: Ich bin.
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Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre, SW Bd. I, S. 92-95