Montag, 8. Dezember 2014
Vor der Erfahrung ist gar nichts.
Es kommt nichts von außen in den Menschen hinein: Er ist Intelligenz, ist sonach für sich, vermöge seines Wesens (sein Sein ist sein Wissen).
Aber er kann, nach den Gesetzen dieses seines Wesens, nicht für sich sein, ohne dass noch ein bestimmtes System von Anderem für ihn sei. Dies ist das System der ganzen Erfahrung, welche notwendig ist, so wie nur Er ist (die fortgesetzte Erfahrung ist nichts anderes, als die Analyse jenes durch sein Wesen begründeten Systems).
Wie er nur ist, findet er sich; aber wie er sich findet, findet er dies. Es ist kein Gemüt und nichts im Gemüte vor der Erfahrung da. Sieht man auf diesen Akt des Findens, so ist alles mögliche, was für ihn ist, und er selber, nur in / der Erfahrung da (a posteriori). Sieht man darauf, dass alles in seinem Wesen gegründet sei, so ist dasselbe a priori.
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Annalen des philosophischen Tons, SW II, S. 478f.
Nota. - "Ist denn irgend etwas apriori, das nicht eben deshalb a posteriori sein müsse?" So redet er die orthodoxen Kantianer seiner Zeit an. Ihnen war nicht begreiflich geworden, dass Transzendentalphilosophie mit der Annahme irgendwelcher spiritueller Gegebenheiten vor der Erfahrung unvereinbar ist. Er hat sie arg verspottet, denn er ahnte nicht, dass er nach zweihundert Jahren selber ein paar Schüler haben würde, die es nicht begriffen haben; und dass auch er schon vier Jahre später in dieser Sache nicht mehr so sicher wäre.
JE
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