Mittwoch, 21. Oktober 2015

Das Denken selbst ist Bestimmbarkeit des Wollens.



Ein Bestimmbares durch meinen Willen gibts nur, in so fern wirklich im Bewusstsein ein bestimmter Wille da ist, denn das Bestimmbare ist nur durch das Bestimmte möglich, und letzteres ist bloß Resultat eines Überge-hens aus der bloßen Bestimmbarkeit, und Bestimmbares ist eben das, wodurch übergegangen wird. Diese beiden müssen schlechthin beisammen sein; hier ist leicht Irrtum möglich, nämlich im Fortgange eines schon angeknüpften Bewusstseins lässt sich ein Bestimmbares denken, ohne daraus zu wählen, aber beim Anfange des Bewusstseins ist eine solche Abstraktion nicht möglich. –

Bestimmbares und Bestimmtes müssen also notwendig eins sein. Folglich müsste von jeder Erkenntnis vom Objekte (dem Bestimmbaren für ein mögliches Wollen) ein empirisches Wollen in demselben Momente vereinigt sein. Uns im wirklichen Bewusstsein scheint Wahl und Dekret des Willens so, dass die Wahl dem Wollen vorhergeht. – Hier geht das Bestimmbare dem Bestimmten voraus, aber indem ich wähle, weiß ich doch, dass ich wähle; dies heißt nichts anderes, als dass ich meine Deliberation auf ein Wollen beziehe. Aber woher weiß ich denn, was Wollen heißt? Nur, in wiefern ich schon gewollt habe. Diese Form des Wollens beziehe ich demnach auf die Wahl. Das mögliche Wollen kann ich nur durch das wirkliche Wollen kennen. Hier stehen wir aber am Anfange des Bewusstseins, wo die Form des Wollens nicht übertragen werden kann. Hier müsste also Wollen und Deliberieren zusammenfallen.

Ein empirisches Wollen erscheint als Übergehen von der Bestimmbarkeit zur Bestimmtheit, charakterisiert wird es durch die völlige Kontraktion meines ganzen Wesens auf einen einzigen Punkt, [während] dies beim Denken nicht ist, [wo] man zwischen Entgegengesetzten schwebt. (Alles empirisches Bewusstsein ist etwas bestimmtes, aber es gibt zweierlei Bestimmtheit, unvollendete und vollendete, erstere erscheint dem Denken, letztere dem Wollen; in dem Denken ist noch ein Blick aufs / Entgegengesetzte, aber wenn ich will, will ich dies und nichts anderes, das andere durchs Denken Angeschaute liegt nicht im Wollen.)

Nun erscheint alle Bestimmtheit als Übergehen pp - es gibt also auch zweierlei Bestimmbarkeit: eine fürs Denken und eine fürs Wollen, das Denken selbst ist Bestimmbarkeit des Wollens. Wollen ist quasi die zweite Potenz unseres empirischen Vermögens, Denken ist die erste. Uns ist insbesondere um die Unterscheidung des empirischen Wollens vom reinen zu tun. Alles, worauf die Tätigkeit je reflektieren kann, das höchste Bestimm-bare, ist das reine Wollen. Dieses Ganze wird vor allem bestimmt durch das Denken eines mich beschränken-den Begriffs (Individualität). Es sind drei Grade: 1) reiner Wille, Absolutheit der gesamten Vernunft, des Ver-nunftreichs, dies ist dass höchste Bestimmbare, wird weiter bestimmt dadurch, dass es aufgefasst  wird durch 
2) Individualität. Dies ist Bestimmbares 3) für ein einzelnes Moment des Bewusstseins, für eine bestimmten Willen. Das empirische Wollen ist blox Reflexion auf das reine Wollen überhaupt.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 175f.


Nota. – Er sagt es mehrfach: Hier ist noch die Rede vom Anheben des Bewusstseins; nicht schon vom täglichen Geschäft des diskursiven Denkens: eines "schon angeknüpften Bewusstseins".


(Übrigens: Während man anderorten den Eindruck hat, Vernunft sei eine übersinnliche, überindividuelle Kraft hinter dem Wollen, klingt es hier so, als sei (das reine) Wollen der Urquell der Vernunft. Solange beide als Nou-mena, bloße Gedankendinge zu Erklärungszwecken, gefasst bleiben, ist das ja in Ordnung. Wie aber, wenn Das Reine Wollen als ein überpersönliches Seiendes=Wirkendes gefasst würde? – Schopenhauer hat sein Philoso-phiestudium bei Fichte begonnen.
JE







Nota. Das obige Foto gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

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