Samstag, 17. Oktober 2015

Der Begriff einer Vernunft außer uns...




Das Intelligible ist das einzige Ursprüngliche, die Sinnenwelt ist eine gewisse Ansicht des erstern, mit letzterer haben wir es hier nicht zu tun, wie sich ersteres in letzteres verwandelt vide infra. Aber in wieweit ist das Intelli- gible bestimmt? –

Es soll ein reiner Wille zu Grunde liegen, nicht ein empirisches Wollen, oder Vernunft überhaupt, oder Abso- lutheit des Vernunftreichs, welches bis jetzt noch unverständlich ist; diese / ist Das Bestimmbare zu einem Bestimmten, letzteres bin ich als Individuum, diese Erkenntnis ist oben [sic] ein Fortgehen vom Bestimmbaren zum Bestimmten, ich bin  ein durch sich selbst herausgegriffener Teil aus dem Vernunftwesen; jetzt wird stille gestanden bei dem Hervorgehen der Individualität aus der Vernunft, welche so hervorgeht, dass ich mich finde als etwas nicht könnend oder dürfend, was doch eigentlich ursprünglich für mich sein muss. Der bestimmte Akt hierbei ist Aufforderung zur freien Tätigkeit, diese kommt her und wird so beurteilt von einem andern vernünftigen Wesen meinesgleichen. Das Selbstbewusstsein hebt also an vom meinem Herausgreifen aus der Masse vernünftiger Wesen überhaupt. –

Dieser Begriff der Selbstheit als Person ist nicht möglich ohne den Begriff einer Vernunft außer uns; dieser Begriff wird also auch konstruiert durch Herausgreifen aus einer höheren weiteren Sphäre. Die erste Vorstellung, die ich haben kann, ist die Aufforderung meiner als Individuum zu einem freien Wollen.
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Wissenschaftslehre nova methodo, Hamburg 1982, S. 175f.


Nota. – Das hatte ich also bei meinem gestrigen Eintrag übersehen. Er hat den 'Begriff einer Vernunft außer uns' nicht abgeleitet und auch nicht problematisch reklamiert; er hat ihn "konstruiert", aber nicht aus demon- strierten Prämissen, auch nicht aus – anderweitig begründeten – Konsequenzen de- oder reduziert; sondern durch den Begriff eines kollektiven Vernunftwesens unterschoben. Hat er die semantischen Ebenen durchein- andergebracht?

Das Intelligible, nämlich das reine Wollen, war das letzte Ergebnis des analytischen Ersten Gangs der Wissen- schaftslehre gewesen. Ein reines Denkgebilde, das angenommen werden muss, wenn man die Realität der wirk- lich handelnden Menschen verstehen will. Es ist ein Noumenon. Dass ich es jedem Einzelnen zurechnen muss, wenn ich ihn als Vernunftwesen erkennen soll, bedeutet zwar faktisch, dass ich es Allen zurechnen muss; aber dadurch synthetisiert es sich nicht selber zu einem kollektiven Subjekt, das ich im weiteren als real tätig anneh- men darf; es tut 'selber' gar nichts, denn es war Noumenon und bleibt Noumenon.

– Je weiter sich sein Vortrag nova methodo in den Atheismusstreit hineinschiebt, umso mehr neigt sich die Waag- schale seiner ursprünglich schwankenden Vernunft der dogmatischen der beiden möglichen Varianten zu.
JE






Nota. Das obige Bild gehört mir nicht, ich habe es im Internet gefunden. Wenn Sie der Eigentümer sind und seine Verwendung an dieser Stelle nicht wünschen, bitte ich um Nachricht auf diesem Blog. JE 

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